Irans Außenpolitik

Teheraner Scherbenhaufen

Die Rebellenoffensive in Syrien ist ein neuer Rückschlag für Irans Nahost-Politik.

Der iranische Außenminister Abbas Araghchi (l) und der syrische Präsident Baschar al-Assad bei einem Treffen in Damaskus

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Der iranische Außenminister Abbas Araghchi (l) und der syrische Präsident Baschar al-Assad bei einem Treffen in Damaskus

Von Thomas Seibert

Die Lage sei schwierig, sagte der iranische Außenminister Abbas Araghci nach einem Gespräch mit Syriens Staatschef Baschar al-Assad. Araghci war nach Damaskus geflogen, um Assad angesichts der Rebellenoffensive in Nordsyrien den Rücken zu stärken. Anschließend reiste Araghci nach Ankara weiter. Er wollte die türkische Führung dazu bewegen, die Unterstützung für die syrischen Rebellen einzustellen, holte sich aber eine Abfuhr.

Das sind schlechte Nachrichten für Teheran. Syrien war bisher eine Säule der iranischen Machtpolitik im Nahen Osten. Nach der Niederlage der libanesischen Hisbollah im Krieg gegen Israel ist der Vormarsch der syrischen Rebellen der zweite schwere Rückschlag für Teheran innerhalb kurzer Zeit. Die Islamische Republik steht in der Region vor einem Scherbenhaufen.

Milliarden Dollar für Assad

Assads politisches Überleben ist wichtig für den Iran. Syrien gehört zum „schiitischen Halbmond“, dem iranischen Einflussbogen vom Iran über Irak bis zur Mittelmeerküste. Iranische Militärs transportieren Waffen für die Hisbollah über Syrien nach Libanon. Iranische Truppen und pro-iranische Milizionäre haben Stützpunkte in Syrien aufgebaut, um von dort aus Israel angreifen zu können. Ohne ein pro-iranisches Regime in Damaskus wäre es für Teheran schwer, seinen Einfluss in der Region auszuweiten.

Seit Ausbruch des syrischen Bürgerkrieges im Jahr 2011 hat Teheran nach Angaben eines iranischen Parlamentsabgeordneten bis zu 30 Milliarden Dollar investiert, um Assad an der Macht zu halten. Die Leistungen reichen von Gratis-Öllieferungen bis zu Waffenexporten. Hinzu kommt die Entsendung iranischer Soldaten und Milizionäre, die mit Assads Armee gegen die Rebellen kämpften. „Hunderte Iraner sind dabei getötet worden“, sagte der Iran-Experte Arash Azizi von der Universität Boston unserer Zeitung.

Der Iran schickt auch hochrangige Militärberater nach Syrien und organisiert die Verlegung von irakischen Kämpfern auf die syrischen Schlachtfelder. In den vergangenen Tagen sind laut der Nachrichtenagentur Reuters rund 300 frische Kämpfer aus dem Irak nach Syrien verlegt worden, um der syrischen Armee im Kampf gegen die Aufständischen zu helfen.

Die Erfolge der syrischen Rebellen, die innerhalb weniger Tage die Wirtschaftsmetropole Aleppo überrannten, haben den Iran deshalb aufgeschreckt. Nach der Schwächung der Hisbollah durch die israelischen Bombardements im Libanon gerät nun ein weiterer Verbündeter Teherans unter Druck. „Das ist ein sehr peinlicher Moment für den Iran“, sagt Azizi.

Keine guten Nachrichten aus der Türkei

Araghci versicherte Assad, dass der Iran weiter politisch und militärisch helfen werde. „Die Islamische Republik wird alle Unterstützung leisten, die notwendig ist“, um die Rebellen zu besiegen, sagte er.

Viel tun kann der Iran allerdings nicht. Ein Ausbau der Militärhilfe für Assad ist schwierig, weil der iranische Staat kein Geld hat und die iranische Bevölkerung ohnehin über kostspielige außenpolitische Abenteuer schimpft. Iranische Offiziere in Syrien sind ihres Lebens nicht sicher: Israel hat bei Luftangriffen in Damaskus mehrere hochrangige iranische Generäle getötet. Assads Partner Russland, der im Westen Syriens die Lufthoheit hat, greift nicht ein, weil er keinen Streit mit Israel will und den Iran als Rivalen in Syrien betrachtet. Moskau und Teheran wollen vom Rohstoffabbau in Syrien und von Milliardenaufträgen beim Wiederaufbau des Bürgerkriegslandes profitieren.

Teheran hoffte deshalb auf die Türkei. Teheran, Moskau und Ankara versuchen seit Jahren im so genannten Astana-Prozess, ihre unterschiedlichen Interessen in Syrien unter einen Hut zu bekommen. Vor vier Jahren verständigte sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin auf einen Waffenstillstand im Nordwesten Syriens, der bis vorige Woche hielt.

Das könnte auch diesmal funktionieren, meint Araghci. Der Iran hoffe auf ein „gemeinsames Verständnis“ der Lage und regionale Stabilität, sagte der Minister. Aus iranischer Sicht könnte die Türkei die Rebellen in Syrien stoppen. Ohne politische Gegenleistung wird Ankara aber nichts unternehmen. Erdogan will mit Assad über die Rückführung syrischer Flüchtlinge aus der Türkei nach Syrien sprechen; bisher lehnt Assad das ab.

Araghci sagte zum Abschluss seiner Gespräche in Ankara, er habe das Thema mit dem türkischen Außenminister Hakan Fidan besprochen. Dennoch konnte Araghci aus der Türkei keine guten Nachrichten für den Iran und Assad mitnehmen. Fidan beharrte auf dem türkischen Standpunkt, dass Assad sich mit dem syrischen Volk und der Opposition einigen muss. Für den Iran und für Assad ist das unannehmbar: Für sie gibt es keine legitime Opposition, sondern nur „Terroristen“.

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Erstellt:
2. Dezember 2024, 14:34 Uhr

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