Pläne der Regierung
Tempo 30 in allen griechischen Städten
Griechenland plant ein generelles Geschwindigkeitslimit in den Städten, um die erschreckend hohen Unfallzahlen zu senken.
Von Gerd Höhler
Im vergangenen Jahr sind in Griechenland 621 Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen. Nur in fünf EU-Staaten sind in Relation zur Bevölkerungszahl noch mehr Verkehrstote zu beklagen. Jetzt will die konservative Regierung mit Geschwindigkeitsbegrenzungen die horrenden Unfallzahlen drücken. Ob das viel bringt, bleibt abzuwarten.
Mit 60 Verkehrstoten auf eine Million Einwohner liegt Griechenland unter den 27 EU-Staaten auf einem unrühmlichen 22. Platz. Nur in Kroatien, Lettland, Rumänien und Bulgarien gibt es noch mehr tödliche Verkehrsunfälle. Zum Vergleich: Im EU-Durchschnitt gab es 2023 pro Millionen Einwohner 46 Verkehrstote. In Deutschland waren es 34, in Österreich 43.
Fußgänger häufig Todesopfer
Rund die Hälfte der tödlichen Unfälle in Griechenland ereignet sich innerhalb geschlossener Ortschaften. Fußgänger und Motorradfahrer sind die häufigsten Opfer. Deshalb plant die Regierung, innerorts ein generelles Tempolimit von 30 km/h einzuführen. So steht es im Entwurf einer neuen Straßenverkehrsordnung, den Verkehrs- und Infrastrukturminister Christos Staikouras jetzt vorgelegt hat. Studien haben gezeigt, dass sich bei Tempo 30 das Risiko für Fußgänger, bei einem Unfall ums Leben zu kommen, um 75 Prozent verringert. Viele europäische Städte haben deshalb bereits Tempo 30 eingeführt.
Ein Notarztsystem gibt es nicht
Auch für Motorradfahrer kann ein Tempolimit lebensrettend sein. Ihr Anteil an den Verkehrstoten ist in Griechenland mit 38 Prozent mehr als doppelt so hoch wie im EU-Durchschnitt mit 18 Prozent. Ein Grund für die horrenden Todeszahlen: Mehr als zwei Drittel der getöteten Motorradfahrer trugen keinen Helm. Ein weiterer Grund für die hohe Zahl von Verkehrstoten in Griechenland ist der desolate Zustand des Rettungswesens. Ein Notarztsystem wie in den meisten europäischen Ländern gibt es nicht. Oft vergeht selbst in den Städten viel zu viel Zeit, bis ein Krankenwagen eintrifft.
Um die Zweiradfahrer zu schützen, haben das griechische Gesundheitsministerium und der Tankstellenverband jetzt eine Kampagne unter dem Motto „Kein Helm, kein Sprit“ gestartet. Tankstellen sollen Motorradfahrern, die keinen Helm tragen, kein Benzin verkaufen. Die Kampagne geht auf die Initiative eines Tankstellenbetreibers auf der Insel Kreta zurück. Dort war kürzlich ein 17-jähriger Mopedfahrer ohne Helm tödlich verunglückt. Der Tankstellenbesitzer gibt seitdem an Zweiradfahrer nur Treibstoff ab, wenn sie einen Helm tragen.
Motorradfahrer ohne Helm
Die Regierung hat ein ehrgeiziges Ziel: Mit einem Nationalen Verkehrssicherheitsplan, der 2020 aufgestellt wurde, will sie die Zahl der Unfalltoten und Schwerverletzten bis 2030 um 50 Prozent drücken. Aber ob Maßnahmen wie die Helm-Kampagne und das geplante Tempolimit den erhofften Erfolg haben, ist ungewiss.
Denn auf den griechischen Straßen herrscht eine regelrechte Anarchie. Autofahren mit dem Handy am Ohr ist zwar auch in Griechenland verboten, aber üblich, oft in Kombination mit einer Zigarette. Sieben von zehn Autofahrern geben zu, dass sie rote Ampeln gelegentlich ignorieren. 35 Prozent benutzen Busspuren, um schneller voranzukommen, so eine Untersuchung des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Ipsos. Und die Polizei sieht meist untätig zu.