Verluste der Bahn als Herausforderung für Regierung
Teure Schuldenlast trotz Schenker-Verkauf
Die Bahn braucht immer größere Finanzhilfen. Die neue Bundesregierung muss rasch Lösungen für den schwierigen Sanierungsfall und die Modernisierung der lange vernachlässigten Schieneninfrastruktur finden.
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© IMAGO/Arnulf Hettrich/IMAGO/Arnulf Hettrich
Im Sommer wird die Spedition Schenker, die der Bahn zuverlässig Geld einbrachte, verkauft. Dennoch zeigt sich Bahn-Chef Lutz optimistisch.
Von Thomas Wüpper
Ende März wird Richard Lutz, Chef der bundeseigenen Deutschen Bahn AG, seinem Aufsichtsrat die Bilanz vorlegen. Es wird kein freudiges Ereignis. Im Kerngeschäft stehen rote Zahlen. Der Systemverbund (DB Fernverkehr, DB Regio, DB Cargo und DB Infra-Go) schreibt operative Verluste in deutlich dreistelliger Millionenhöhe, wie interne Papiere zeigen, die unserer Redaktion vorliegen. Seit Corona hat der größte deutsche Staatskonzern mit seinen noch mehr als 300 000 Beschäftigten unterm Strich mehr als neun Milliarden Euro Minus eingefahren. Zudem weist das Bundesunternehmen rund 34 Milliarden Euro Netto-Finanzschulden aus, als Gesamtschulden im Verbund wurden Ende 2024 sogar fast 38 Milliarden Euro angegeben – das ist mehr als Bundesbahn und Reichsbahn einst zusammen aufgehäuft haben.
Der Verkauf von Schenker ist die größte Transaktion der Deutschen Bahn
Mit dem Sanierungsprogramm S3 will Lutz den Konzern bis 2027 aus den roten Zahlen bringen und besser aufstellen. Zudem setzte die bisherige Ampelkoalition gegen Widerstände den Notverkauf der Spedition Schenker mit ihren mehr als 70 000 Beschäftigten durch, der im Sommer abgeschlossen werden soll. Die gewaltigen Finanzierungsprobleme werden dadurch aber weder im Unternehmen noch bei der lange schwer vernachlässigten Schieneninfrastruktur gelöst, für die der DB-Konzern seit der Bahnreform 1994 verantwortlich ist. Auch das zeigen vertrauliche Unterlagen der Konzernspitze für die mittelfristige Planung.
Der Verkauf von Schenker an den dänischen Logistik-Konkurrenten DSV, die größte Transaktion der deutschen Bahn-Geschichte, wird zwar offiziell auf fast 15 Milliarden Euro beziffert. Als tatsächlicher Zufluss („total cash“) werden intern aber nur 11,7 Milliarden ausgewiesen. Die Unterlagen zeigen auch, wie der Verkaufserlös konkret verwendet werden soll. Allein 2,5 Milliarden Euro werden gebraucht, um sofort ein Brückendarlehen zu tilgen. Mit weiteren drei Milliarden sollen noch in diesem Jahr Anleihen getilgt werden. 5,5 Milliarden Euro sind kryptisch als „Neubedarf 2025“ aufgeführt – damit sollen Aktivitäten finanziert werden, für die neue Kredite nötig gewesen wären.
Falls die Pläne nicht aufgehen, würden die Finanzlöcher noch größer
Trotz des Schenker-Notverkaufs bleiben die Bahnschulden auf hohem Niveau. Zwar soll die Kreditlast in diesem Jahr netto auf 26,7 Milliarden Euro sinken, aber schon nächstes Jahr könnten wieder 28,8 Milliarden zu Buche stehen und 2027 bereits erneut fast 30 Milliarden Euro. Die Planung der Konzernspitze unterstellt dabei, dass die klamme DB bis Ende 2027 rund 43 Milliarden Euro aus eigenen Etats in besseren Schienenverkehr investiert und diese riesigen Ausgaben durch erhoffte Betriebsgewinne von fast 16 Milliarden Euro finanziert werden können sowie mit den von der bisherigen Regierung zugesagten weiteren Eigenkapitalspritzen von 21 Milliarden Euro, die allerdings wegen massiver negativer Folgen für die Trassenpreise im Schienenverkehr höchst strittig sind.
Falls die Pläne nicht aufgehen, was bei der DB oft der Fall ist, würden die Finanzlöcher noch größer und es blieben womöglich als Ausweg wieder mal nur noch höhere Schulden, die den Staatskonzern schon jetzt sehr viel Geld kosten. Allein 2024 musste die DB erneut rund 800 Millionen Euro Zinsen zahlen. Daran wird sich in den nächsten Jahren wenig ändern: Der Zinsaufwand soll in diesem Jahr zwar auf 600 Millionen sinken, 2026 aber die Bilanz wieder mit 700 Millionen und 2027 erneut mit 800 Millionen Euro belasten. Macht zusammen fast drei Milliarden Euro Zinslasten in nur vier Jahren.
Der gesamte Finanzbedarf liegt noch weit höher
Die neue Regierung übernimmt mit der Bahn einen schweren Sanierungsfall. Der Modernisierungsstau bei der Schieneninfrastruktur wird auf mindestens 90 Milliarden Euro veranschlagt. Der gesamte Finanzbedarf für ein leistungsfähigeres Netz, zuverlässigeren Bahnverkehr und ein neu aufgestelltes, gesundes Unternehmen liegt noch weit höher. Der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) muss nun mit der Union und dem möglichen Koalitionspartner SPD klären, wie das alles in den nächsten Jahren finanziert werden soll. Keine einfache Aufgabe mit Blick auf die Schuldenbremse und den riesigen Finanzbedarf auch in anderen dringlichen Bereichen, von der Landesverteidigung bis zum Wohnungsbau.
Ein bequemer Weg für die Politik wäre es, neben dem Eigenkapital auch die Schulden des DB-Konzerns einfach weiter drastisch zu erhöhen. So könnten die begonnene Generalsanierung von zunächst 1500 Kilometern des mehr als 33 000 Kilometer großen Bestandsnetzes, einige digitale Pilotprojekte, weitere neue Züge und der Umbau der hochdefizitären DB Cargo finanziert werden. Noch mehr DB-Schulden wären für die Steuerzahler aber deutlich teurer als Zuschüsse durch den Bund, wie die Unterlagen zeigen. Die bundeseigene DB musste demnach Ende vorigen Jahres für eigene Anleihen am Kapitalmarkt bereits 0,7 Prozentpunkte mehr Zinsen zahlen als der Staat für seine langlaufenden Bundesanleihen.
Noch höhere DB-Schulden sind kaum zu verantworten
Der Zinsaufschlag könnte noch deutlich höher werden, denn nicht nur Ratingagenturen sehen mit einiger Skepsis, dass mit der Lkw-Spedition Schenker der einzige große Ertragsbringer im DB-Konzern verkauft wurde und nun dessen jährliche Gewinne von zuletzt gut einer Milliarde Euro fehlen. Die vertraulichen Papiere zeigen, dass der operative Cashflow im Konzern frühestens 2027 ausreichen wird, um wenigstens die gewünschte Mindestquote von 15 Prozent Tilgungsdeckung zu erreichen. Frühestens dann also könnten Kredite angemessen aus den laufenden Einnahmen abgezahlt werden und es sind dafür nicht wie bisher immer neue Geldleihen nötig.
Sehr optimistisch unterstellt wird dabei, dass sich der Cashflow bis 2027 auf 5,6 Milliarden Euro erhöht und die gesamten Nettoschulden bis dahin auf 33,9 Milliarden Euro begrenzt bleiben. Zum Vergleich: 2023 lag die Tilgungsdeckung nur bei minimalen 1,2 Prozent, für 2024 werden gerade mal 6,1 Prozent angegeben.
Für Experten steht angesichts solch alarmierender Kennzahlen fest: Noch höhere DB-Schulden sind kaum zu verantworten. Eine verantwortungsbewusste Regierung sollte andere Wege für die Sanierung der Infrastruktur und des Staatskonzerns finden.