Bundestagswahl auf Tiktok
Tiktok verstehen – dank Datenspende
Die AfD feiert auf Tiktok große Erfolge. Bevorzugt die Videoplattform populistische Inhalte? Ein Rechercheprojekt unserer Zeitung liefert Antworten – wenn Nutzer mitmachen.
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© IMAGO//Rafael Henrique
Der TikTok-Algorithmus schlägt den Nutzenden einen endlosen Strom aus Videos vor – doch wie oft sind sie politisch? (Symbolbild).
Von Jan Georg Plavec
Tiktok wird als politischer Einflussfaktor wichtiger und wichtiger. Auf der Videoplattform wird intensiv Wahlkampf getrieben und um die Gunst der laut Tiktok hierzulande knapp 21 Millionen Nutzerinnen und Nutzer geworben.
Längst haben auch staatliche Regulierer das politische Potenzial erkannt: In den USA droht der Plattform der chinesischen Firma Bytedance ein Verbot, sofern sie nicht den Eigentümer wechselt. In Rumänien wurde die Präsidentschaftswahl wegen vermuteter russischer Einmischung via Tiktok annulliert. Eine diese Woche veröffentlichte WDR-Dokumentation enthüllt, wie die „Tiktok-Armee der AfD“ die Wahlchancen der in Teilen rechtsextremen Partei erhöhen soll. Und zuletzt landete auch die Linke mit ihrer Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek einen TikTok-Erfolg.
Rechercheprojet mit Tiktok-Usern
Wenig ist dagegen darüber bekannt, wie Tiktok die politischen Inhalte an seine Nutzerinnen und Nutzer ausspielt. Das passiert auf der Plattform vollautomatisch durch einen Algorithmus, der sehr schnell die Interessen der User erkennt und anschließend systematisch bedient. Im Prinzip ist einigermaßen klar, wie er funktioniert. Ob der Algorithmus ausgewogene politische Inhalte anzeigt und auf welchem Weg er User gegebenenfalls in Filterblasen schickt, dagegen nicht.
Hier setzt das Rechercheprojekt „Dein Feed, deine Wahl“ an. Es ist ein Datenspende-Projekt, an dem User mitwirken: Tiktok-Nutzer fordern dafür in einem ersten Schritt alle Daten an, die Tiktok über sie gespeichert hat. In einem zweiten Schritt laden sie die Daten über ein vom Data Donation Lab der Uni Zürich entwickeltes Tool hoch – eine sogenannte Datenspende. Die Daten werden anonymisiert und vom Weizenbaum-Institut gespeichert, einem 2017 in Berlin eingerichteten Forschungsverbund. Die Forscher der Hochschulen werten die Daten anschließend gemeinsam mit Stuttgarter Zeitung, Stuttgarter Nachrichten und Bayerischem Rundfunk (BR) aus.
Wer bei „Dein Feed, deine Wahl“ mitmacht, erhält als Dankeschön eine persönliche Sofortauswertung – wie viele politische Videos im eigenen Tiktok-Feed auftauchen und welcher Partei sie sich zuordnen lassen.
@stuttgarterzeitung Wie politisch ist dein Tiktok-Feed? Unser Tool zeigt Euch, wie viele politische Videos Ihr seht und wie oft welche Partei in Eurem Feed auftaucht. Den Link zum Projekt "Dein Feed, deine Wahl" findet Iht in der Bio. #bundestagswahl2025#deutschland#gehwählen♬ Originalton - StZ
„Dein Feed, deine Wahl“ soll zeigen, wie politische Inhalte auf Tiktok ausgespielt werden und ob die Plattform besser reguliert werden muss. Die Antwort auf die Frage ist offen, eben weil jede und jeder auf Tiktok etwas anderes zu sehen bekommt. Und sie lässt sich nur mit Hilfe anonymer Datenspenden beantworten – kein Laborexperiment, keine Analyse von Partei-Accounts alleine kann erkennen, wer welche und wie viele politische Videos zu sehen bekommt. Dafür braucht es die Hilfe der Nutzerinnen und Nutzer.
Die Wissenschaftler, mit denen die Medien zusammenarbeiten, bringen eine breite Expertise für die Forschung zu Tiktok mit. Sie haben den Wert von Datenspenden für solche Untersuchungen nachgewiesen, sich intensiv mit Tiktok-Inhalten beschäftigt und die Methode der Datenspende perfektioniert.