Waldbrand im Harz
Totholz, Borkenkäfer und böse Gerüchte am Brocken
Unermüdlich haben Einsatzkräfte am Wochenende aus der Luft und am Boden den Großbrand am Brocken bekämpft. Nachdem dieser weitgehend unter Kontrolle ist, rückt die Ursachenforschung in den Blick. Kritik gibt es auch an der Forstverwaltung.
Von Michael Maier/dpa
Lange Rauchschwaden am Brocken. Feuerwehren, Flugzeuge und Hubschrauber im Dauereinsatz bei Sommerhitze: Am höchsten Berg im Harz haben Einsatzkräfte am Boden und aus der Luft das gesamte Wochenende über gegen einen großen Waldbrand gekämpft. Nachdem eine Ausbreitung des Feuers inzwischen verhindert werden konnte, richtet sich der Blick nun vor allem darauf, wie der Brand ausgebrochen ist und welche Rolle das Totholz bei der Bekämpfung des Feuers spielt.
Der Harzer Kreisbrandmeister Kai-Uwe Lohse hielt es zunächst für möglich, dass das Feuer bewusst gelegt worden ist. „Brandstiftung ist nicht ausgeschlossen“, sagte Lohse. Er verwies darauf, dass das Feuer am Freitag zeitgleich an mehreren Stellen ausgebrochen war. Die Brandstellen hatten sich später zu einer größeren Feuerfront vereinigt.
Gerüchte um Brandstiftung im Harz
Die Polizei teilte auf Anfrage mit, dass ein Brandermittlungsverfahren eingeleitet worden sei. Nähere Angaben zur Brandursache seien aber erst möglich, wenn man den Brandort untersuchen könne, hieß es.
Der Harzer Nationalparkchef geht indes nicht von Brandstiftung aus. „Aufgrund der Unzugänglichkeit des Geländes halte ich es für unwahrscheinlich, dass dort an acht Stellen in naher zeitlicher Reihenfolge Feuer gelegt werden konnte“, erklärte Pietsch.
Die Polizei konnte bis Sonntag keine Ermittlungen zur Ursache des Feuers aufnehmen. Das Brandgebiet könne aktuell nicht betreten werden, teilte ein Sprecher des Polizeireviers Harz mit. Zunächst müssten die Flammen vollständig gelöscht und das Brandgebiet wieder abgekühlt sein.
Totholz am Brocken
Die Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb) warnte vor dem Hintergrund des Brands am Brocken vor Feuergefahr durch Totholz in Wäldern. Es könne unter bestimmten Bedingungen „zu unbeherrschbaren Großfeuern“ führen, erläuterte deren Waldbrandexperte Ulrich Cimolino in Münster. Auch die Brandbekämpfung werde dadurch erschwert.
Nach Angaben des Experten spielen Löschflüge bei Bränden in Wäldern mit viel Totholz eine zentrale Rolle. Sie hätten aber Grenzen, weil aus der Luft abgeworfenes Wasser die Glutnester im Boden nicht erreiche. Daher spielten Zusätze wie sogenannte „Retardants“ eine wichtige Rolle. In dem Waldbrandgebiet am Brocken befinden sich aufgrund eines früheren massiven Befalls mit Borkenkäfern ausgedehnte abgestorben Waldstücke mit Totholz.
Löschflugzeuge über dem Harz
Rund um den Gipfel war am Wochenende immer wieder das Dröhnen der Löschhubschrauber zu hören, die nacheinander Wasser über den Flammen abwarfen. Auch Löschflugzeuge waren immer wieder unterwegs. Am Samstagabend war es den Einsatzkräften schließlich gelungen, eine Ausbreitung des Feuers zu verhindern.
In der Nacht zu Sonntag wurden die Arbeiten unterbrochen, es gab aber Patrouillenfahrten. Ziel sei es, den Brand am Sonntag so weit zu löschen, dass nur noch Nachlöscharbeiten notwendig seien, so Lohse.
Am Montag sollten dann vor allem Einsatzkräfte am Boden im Brandgebiet nach Glutnestern suchen.
Einsatzleiter Immo Kramer dankte der Bevölkerung und Gastronomen, die die Einsatzkräfte mit Kuchen und anderen Lebensmitteln versorgten. Die Anteilnahme sei groß, sagte Kramer. Die Feuerwehrleute arbeiteten in Schichten und seien froh über die Unterstützung.
Vor zwei Jahren hatte der Landkreis den Katastrophenfall wegen eines Brandes am Brocken ausgerufen. Damals war es genau die gleiche Stelle wie jetzt. „Vieles, was wir 2022 gelernt haben, wurde jetzt umgesetzt“, unterstrich Sachsen-Anhalts Forstminister Sven Schulze (CDU). Die nun betroffene Fläche sei größer als damals, gleichzeitig sei aber weniger Personal und mehr Technik im Einsatz. Er danke allen Kräften für ihren großen Einsatz, so Schulze.
Waldbrand durch „Totholz wie Feuerfackeln“?
Krisenstabsleiter Kramer forderte mehr Engagement von EU, Bund und Ländern bei der Anschaffung von Löschflugzeugen in den nächsten Jahren. „Solche Brände werden auch andere Regionen in Deutschland treffen“, sagte er. Darauf müsse man sich vorbereiten, die Refinanzierung der Kosten könnten die Kommunen nicht dauerhaft allein stemmen.
Stehendes Totholz gleiche Feuerfackeln, ergänzte Immo Kramer. Die Kombination mit dem trockenen Gras sorge für weite Funkenflüge, sodass immer wieder auch neue Glutnester entstehen könnten.
500 Menschen vom Brocken gerettet
Das Feuer war am Freitag am Königsberg ausgebrochen, einer Nebenkuppe des Brockens, und breitete sich auf eine Länge von rund 1.000 Metern aus. Das Gebiet ist derzeit für Touristen gesperrt.
Am Freitagnachmittag waren rund 500 Menschen mit Bussen vom Brocken in Sicherheit gebracht worden. Es handelte sich laut dem Landkreis Harz um Wanderer und Sportler. Der Weg zum Brocken gilt als einer der meistfrequentierten Wanderwege im Nationalpark Harz.
Borkenkäfer und Waldsterben im Harz
Kritik gibt es auch daran, dass im Harz vor Jahren die Bekämpfung des Borkenkäfers eingestellt wurde, um das Gebiet „der Natur zu überlassen“. Ehemalige leitende Forstbeamte aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt hatten 2023 in einem Gastbeitrag für die „Welt“ eine mutmaßliche „grüne Ideologie“ der Nationalparkverwaltung Harz teilweise dafür verantwortlich gemacht. Zur Situation beigetragen habe auch die Fusion der beiden Nationalparks Hochharz in Sachsenanhalt und Harz in Niedersachsen im Jahr 2006, so die Kritiker. Andere Forstexperten glauben jedoch, dass die Fichten ohnehin nicht überlebt hätten. Der Borkenkäfer sei Teil einer unaufhaltbaren Naturdynamik.
Erklärtes Ziel der Forstverwaltung ist es jedenfalls, die frühere Monokultur aus Fichten mittelfristig durch einen gegen Borkenkäfer resistenten Mischwald zu ersetzen. Jedoch könnte die Wiederaufforstung Jahrzehnte dauern. Nach den Großbränden der letzten Zeit sieht es am Brocken auf lange Zeit hinaus aus wie in einer apokalyptischen Wüstenlandschaft – schlimmer als man sich in den 80er Jahren das Waldsterben im Endstadium vorstellte.