Trauer um Boa-Chef Rainer Frankfurth
Der Mann, der in Stuttgart zur Club-Legende wurde, ist im Urlaub in Ecuador im Alter von 61 Jahren unerwartet gestorben.
Von Uwe Bogen
Stuttgart - Künftig wolle er in den Nächten kürzer treten, sagte Rainer Frankfurth im Januar, als seine Boa, die älteste Diskothek von Stuttgart, ihren 47. Geburtstag bunt und fröhlich mit den Hits von früher und heute feierte. Bei der Party präsentierte er seinen neuen Betriebsleiter: Der 23-jährige Henrik Biegger solle künftig dafür sorgen, dass der Dino des Stuttgarter Nachtlebens jung bleibt. Genau das ist das Erfolgsrezept dieser Location an der Tübinger Straße: Immer wieder hat sie es geschafft, die nächste Generation für sich zu gewinnen.
Der Schock sitzt tief bei den jungen wie bei den alten Boa-Fans. Im Urlaub in Ecuador ist Rainer Frankfurth mit 61 Jahren unerwartet gestorben – wohl eines natürlichen Todes, wie aus seinem Umfeld zu hören ist. Der frühe Tod einer Stuttgarter Gastro-Institution – Frankfurth war außerdem Vermieter von Szene-Bars wie dem Rocco im Leonhardsviertel und hat einst das legendäre M 1 mit Bubi Schuster geführt – hat sich am Sonntag in der Clubszene rasch herumgesprochen. „Jetzt ziehst du nicht mehr mit uns, sondern mit Alain Delon um die Häuser“, postet der langjähriger Cavos-Chef Hiki Shikano Ohlenmacher und verkündet „mit schmerzlicher Freude“, dass Frankfurth wenigstens sein „Leben in vollen Zügen genossen hat“. Geschockt ist auch Werner „Sloggi“ Find, der die Boa 1977 gegründet hat. „Rainer war ein Guter“, sagt er. 2015 sei Frankfurth bei ihm als Teilhaber einstiegen, da sich Find altershalber aus dem aktiven Clubgeschäft zurückziehen wollte. 2021 hat er schließlich die Boa komplett an seinen Nachfolger verkauft.
Rainer Frankfurth war Gastronom mit Leib und Seele. Mitten in der Pandemie sanierte er die Boa von Grund auf, weil er an ihre Zukunft glaubte. Die Klimaanlage, das Lichtsystem, der abwaschbare Kunststoffboden, die Decken, die Wände – alles wurde erneuert.
Beim Umbau halfen Stammgäste der Boa mit, 40 Tonnen Schutt und zehn Kilometer Kabel wurden abtransportiert. Der nun glitzernde Boden ist eine Reminiszenz an die Discokugel.
Rainer Frankfurth hatte einen besonderen, feinen Humor und sagte immer frei heraus, was er dachte – auch die Politik bekam von ihm ihr Fett ab. Wichtig war ihm, dass es mit der Boa in seinem Sinne weitergeht und deshalb war er so froh, dass er mit Biegger einen engagierten Betriebsleiter gefunden hatte, der weiß, was junge Leute wollen.
Wenn der 23-Jährige Biegger den Freunden seiner Eltern erzählt, dass er nun als Betriebsleiter in der Boa an der Tübinger Straße arbeitet, freuen die sich und fragen: „Was, die Boa gibt’s noch?“ Denn die Älteren haben in dem Erdgeschosslokal in den Räumen des Tuchhauses Scheid in ihrer Jugend wilde Nächte gefeiert. Zum Thema Boa fällt jedem von ihnen etwas ein.
Wisst ihr noch, wie der junge Frank Nopper als Schüler vom Boa-Türsteher abgewiesen worden ist? Das ist nur eine unter vielen Anekdoten. Erst als der spätere Politiker und heutige Oberbürgermeister von Stuttgart sich an die Fersen des schönsten Girls der Klasse geheftet habe, sei er reingekommen.
Der Dino der Stuttgarter Locations stammt aus einer Zeit, als man Disco und noch nicht Club sagte. Während es alle anderen aus den 70ern nicht mehr gibt, hat es die Schlange geschafft, sich treu zu bleiben, sich zu häuten und die nächste Generation anzulocken. „Natürlich werde ich in Rainers Sinn weitermachen“, sagt Henrik Biegger, „so traurig es auch ist, es muss weitergehen.“ Sein Erbe werde das Team mit der Boa ehren und am Leben erhalten. Man verliere nicht nur einen geschätzten Gastronomen, sondern auch einen „geliebten Freund“.
Mit Rainer Frankfurths Freundin will Biegger eine würdevolle Beerdigung in Stuttgart organisieren für einen Mann, der Zeichen gesetzt hat im Nachtleben und der immer an Stuttgarts Stärken geglaubt hat.