Trommeln als Training
Serie Mitgemacht: Beim Programm „Drums alive“ ist nicht nur der Körper, sondern auch der Kopf gefordert
Ist das nun ein Musikkurs oder ein Sportkurs? Ein bisschen von beidem. Beim Programm „Drums Alive“ geht es um Rhythmus, aber auch um sportliches Training. Redakteur Kornelius Fritz hat das Angebot an der Backnanger Volkshochschule getestet.
Von Kornelius Fritz
BACKNANG. Von „Drums alive“ hatte ich noch nie gehört, trotzdem fühle ich mich qualifiziert für den Kurs, den meine Kollegen für mich ausgesucht haben. Denn den großen, grünen Gymnastikball, um den es in diesem Workshop geht, kenne ich nur zu gut. Vor genau zehn Jahren bin ich täglich auf ihm gesessen, um unseren Sohn, der als Baby ein ziemlich nervöses Temperament hatte, in den Schlaf zu wiegen. Tage und Nächte haben meine Frau und ich damals schaukelnd und wippend zugebracht und uns manchmal so gefühlt, als lebten wir auf einem Schiff. Doch das ist lange her, und der grüne Ball liegt seit Jahren im Keller. Heute gibt es ein Wiedersehen.
Bei „Drums alive“ wird der Gymnastikball zur Trommel. Das Programm sei „ein sehr effizientes Ausdauertraining, um physische und mentale Fitness zu steigern, Fett zu verbrennen, Rhythmus und Bewegung in sich zu vereinen“, heißt es im Programmheft. Ich finde, das klingt nicht schlecht, zumal ich schon als Kind viel lieber Schlagzeug als Cello gespielt hätte und ich Phil Collins’ Schlagzeugsolo beim Song „In The Air Tonight“ fehlerfrei auf dem Lenkrad meines Autos trommeln kann.
Zu dem Kurs haben sich außer mir noch sechs Frauen angemeldet. „Bei rhythmischen Sachen melden sich leider wenige Männer an“, sagt Kursleiterin Angelika Schmidt mit Bedauern. Dabei sei die Choreografie überhaupt nicht kompliziert. Zu diesem Zeitpunkt glaube ich ihr noch. Bevor es losgeht, will die Trainerin noch wissen, wer schon mal getrommelt hat. Nur zwei Teilnehmerinnen haben Vorkenntnisse. Ich kann mich also hoffentlich nicht allzu sehr blamieren.
Angelika Schmidt startet die Musik, südamerikanische Rhythmen erfüllen den Raum. Wir trommeln aber noch nicht. Stattdessen marschieren wir zum Aufwärmen auf der Stelle, prellen den Gymnastikball auf den Boden oder schwingen ihn vor unserem Körper und über dem Kopf. Der Puls kommt dabei langsam auf Touren. „Jetzt müssen wir auch unsere Schläger noch ein bisschen warm machen“, sagt die fitte 52-Jährige. Jeder bekommt ein paar Trommelstöcke, dann beginnt das Programm: Ein Schritt nach rechts, ein Schritt nach links, einmal die Sticks aneinander schlagen. Noch komme ich mit, doch es wird bald komplizierter. Zwei Schritte nach rechts, Fußspitze aufsetzen, ein Schritt zur Mitte, ein Schritt nach außen und wieder zurück. In der Theorie scheint auch das machbar, aber der Weg vom Gehirn zu den Füßen ist weit. Und spätestens als ich dann auch noch an den richtigen Stellen die Arme nach oben strecken und die Trommelstöcke gegeneinander schlagen soll, weiß ich, warum Männer diesen Kurs meiden. Aber ich mache tapfer weiter, auch wenn man mir offenbar ansehen kann, wie es in meinem Kopf rattert: „Du würdest auf dem Foto besser aussehen, wenn Du lächeln würdest“, meint die Kursleiterin augenzwinkernd. Noch mehr Multitasking? Auf keinen Fall!
„Der Hintern heißt Hintern, weil er hinten wohnt“
Nach einer halben Stunde geht es dann los mit dem Trommeln. Erfunden habe dieses Programm die amerikanische Tänzerin Carrie Ekins, als sie nach einer Hüftoperation Tanzverbot hatte, erzählt Angelika Schmidt. Der Vorteil bei „Drums alive“ sei, dass das Programm in unterschiedlicher Intensität möglich ist. Für trainierte Sportler sei es deshalb ebenso geeignet wie für Kinder und Senioren. Für uns hat die Kursleiterin ein mittleres Tempo ausgewählt. Die Gymnastikbälle klemmen wir auf umgedrehte Hocker. Man könnte sie auch in Schalen auf den Boden legen; dann müsste man zum Trommeln tiefer in die Hocke gehen und das Ganze wäre noch anstrengender. Aber auch wir sollen nicht einfach gemütlich dastehen, sondern unsere Knie beugen: „Der Hintern heißt Hintern, weil er hinten wohnt“, sagt die Trainerin.
Dann wird getrommelt. Los geht’s mit „Single Beats“, abwechselnd schlagen wir im Rhythmus den rechten und den linken Trommelstock auf den Ball. Später kommen „Double Beats“ (beide Stöcke gleichzeitig) „Cross Beats“ (mit überkreuzten Händen) und „Side Beats“ (statt oben wird seitlich geschlagen) hinzu. Und dann sollen wir auch noch auf den Bällen unserer Nachbarinnen trommeln, abwechselnd links und rechts. So kommt der Oberkörper in Bewegung. Bumm, bumm, bumm, bumm – wir schlagen im Takt, aus den Boxen dröhnt dazu „Ritmo de la noche“.
„Und jetzt nehmen wir noch ein paar Schritte dazu“, kündigt die Trainerin an. Ich hab’s befürchtet. Während wir trommeln, sollen wir um die Bälle herum marschieren. Mal linksherum, mal rechtsherum. Als ich meine Nachbarin in der Mitte treffe, weiß ich, dass ich die falsche Richtung eingeschlagen habe. Aber ich bin erleichtert, als sie mir wenig später erneut entgegenkommt. Diesmal hat sie rechts und links verwechselt.
Nach knapp zwei Stunden und einem gemütlichen Entspannungsteil ist es geschafft. Es hat Spaß gemacht und vor allem mein Kopf war gefordert. Die körperliche Belastung hätte für meinen Geschmack noch ein bisschen intensiver sein dürfen, aber ein spürbares Ziehen in den Oberarmen am nächsten Tag beweist, dass „Drums Alive“ wirklich Sport ist. Auf der Fahrt nach Hause gebe ich noch eine Zugabe auf dem Lenkrad.
Für die Serie „Mitgemacht“ testen Redakteure unserer Zeitungen verschiedene Kursangebote und berichten über ihre Erfahrungen.