US-Wahlkampf

Trump inszeniert sich als Versöhner

Nach dem gescheiterten Attentat versucht Donald Trump den Image-Wandel: Auf dem Parteitag der Republikaner will sich der geübte Demagoge als besonnener Führer und Einiger der tief gespaltenen amerikanischen Nation darstellen.

Ein Trump-Anhänger beim Republikaner-Parteitag in Milwaukee

© Getty Images via AFP/JOE RAEDLE

Ein Trump-Anhänger beim Republikaner-Parteitag in Milwaukee

Von Thomas Spang

Während der amerikanische Präsident, Joe Biden, mit einer Fernsehansprache aus dem Oval Office in seine Rolle als Staatsmann schlüpfte, inszeniert sich sein Herausforderer Donald Trump bei der Ankunft zum Parteitag der Republikaner in Milwaukee als neuer Heilsbringer.

Beide Politiker riefen nach dem Attentat auf Trump zur Mäßigung im aufgeheizten Wahlkampf auf. Es sei nötig, „die Temperatur zu senken“, sagte Biden in seiner Rede an das amerikanische Volk. Die Politik dürfe „nie wortwörtlich ein Schlachtfeld“ sein.

Das war eine ganz andere Sprache als in den Tagen vor dem Anschlag. Da hatte der Präsident vor Spendern erklärt, es sei höchste Zeit, „Trump ins Visier zu nehmen“und emphatisch hinzugefügt: „Angriff. Angriff. Angriff.“ Diese Rhetorik ist jetzt nicht mehr passend. Und bringt den 81-jährigen Amtsinhaber weiter in die Defensive.

Biden stoppt seine Anti-Trump-Werbespots

Dass der Überlebende des Anschlags jetzt danach strebt, auf dem Parteitag der Republikaner vor Millionen Fernsehzuschauern die Rolle des Versöhners zu übernehmen, setzt den Präsidenten strategisch ins Schach. Biden kann seinen Herausforderer kaum noch politisch attackieren. Er stoppte bereits alle TV-Spots, die während des Parteitags daran erinnern sollten, dass die Republikaner einen verurteilten Straftäter, Vergewaltiger und Betrüger nominieren wollen.

Der mutmaßliche Drahtzieher des Aufstands gegen die amerikanische Demokratie vom 6. Januar 2021 stellt sich nun als besonnener Führer dar. „Das ist eine Chance, das ganze Land zu einen, sogar die ganze Welt“, erklärte Trump dem Washington Examiner nach dem Attentat. Deshalb werde er die Rede zur Annahme seiner Präsidentschaftskandidatur am Donnerstag komplett umschreiben. Sie werde „ausgesprochen anders sein, als noch vor zwei Tagen“.

„Gott allein hat das Undenkbare verhindert“

Aus dem Umfeld des für seine Hetztiraden bekannten Demagogen heißt es, der Kandidat könne kaum glauben, wie knapp er mit dem Leben davongekommen sei. Ein kurzer Kopfdreher zu einem Schaubild mit einer Einwanderungsstatistik habe ihn gerettet. Gott allein habe „das Undenkbare verhindert“, stimmte Trump die 50 000 Delegierten und Gäste des Parteitags in einem langen Beitrag auf Truth Social ein. „Es ist wichtiger als jemals zuvor, dass wir vereint zusammenstehen und unseren wahren Charakter als Amerikaner zeigen.“

Das klang anders als der Kandidat, der seine MAGA-Fans in der Vergangenheit anfeuerte, Demonstranten zu verprügeln, dafür warb, Plünderer und Ladendiebe standrechtlich zu erschießen, Verständnis für die Aufrührer vom 6. Januar 2021 zeigte, die seinen Vizepräsidenten Mike Peace hängen wollten, und Militärtribunale für seine Gegner forderte – inklusive Fantasien über Joe Biden, der mit verbundenen Händen auf einem Pick-Up-Truck abtransportiert wird.

Trumps Wahlkampfmanager Chris LaCivita und Susie Wiles änderten flugs die Parteitagsregie. Die neue Marschrichtung lautet: ein bis zwei Gänge herausnehmen aus den Reden. Das Memo war noch nicht raus, als JD Vance, der als Running Mate Trumps im Gespräch war, die Demokraten und Präsident Biden dafür verantwortlich machte, ein Klima geschaffen zu haben, das den Attentäter ermutigte.

Weiter unklar, was den Täter antrieb

Tatsächlich bleibt unklar, was den 20-jährigen Thomas Matthew Crooks, einen registrierten Republikaner, angetrieben hat, auf Trump zu schießen. Das FBI und andere Behörden ermitteln weiter. Präsident Biden und der Kongress kündigten an, zu untersuchen, wie es passieren konnte, dass der Attentäter nicht vorher vom Secret Service entdeckt wurde.

Analysten bezweifeln, dass der angestrebte Image-Wandel Trumps in dem aufgeheizten politischen Klima funktioniert. Unmittelbar nach dem Attentat hatten in den sozialen Medien die gegenseitigen Schuldzuweisungen begonnen. Inklusive einer Flut an Verschwörungstheorien, von denen eine besonders populäre behauptet, der Anschlag sei von Trump und Sympathisanten beim Secret Service inszeniert worden.

Die Polarisierung der Gesellschaft spiegelt sich auch in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Marist aus dem Mai wider. Die Demoskopen fanden heraus, das fast jeder zweite Amerikaner erwartet, in seiner Lebenszeit einen Bürgerkrieg zu erleben. Jeder Fünfte sagte, es sei durchaus gerechtfertigt, politische Gewalt anzuwenden, um wichtige politische Ziele durchzusetzen.

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Erstellt:
15. Juli 2024, 17:00 Uhr

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