US-Vizepräsident
Trumps Vize brüskiert die Europäer
Die Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance auf der Münchener Sicherheitskonferenz war gespannt erwartet worden. Doch über den Krieg in der Ukraine sprach er kaum – sondern mischte sich auch in den deutschen Bundestagswahlkampf ein.
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© Sven Hoppe /dpa
US-Vizepräsident J.D. Vance sprach auf der Münchner Sicherheitskonferenz.
Von Tobias Heimbach
In den vergangenen Tagen hatte die US-Regierung gleich mehrere Schockwellen in die Hauptstädte Europas geschickt. Präsident Donald Trump hatte mit Russlands Machthaber Wladimir Putin telefoniert und mit ihm über ein mögliches Ende des Ukraine-Krieges beraten. Verteidigungsminister Pete Hegseth hatte erste Pflöcke für ein solches Szenario eingeschlagen: Die Ukraine müsse Gebiete an Russland abtreten, könne nicht Teil der Nato werden und US-Truppen stünden nicht als Friedenstruppen zur Verfügung. Viele europäische Regierungen waren entsetzt.
Daher war die Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance auf der Münchener Sicherheitskonferenz mit einiger Nervosität erwartet worden. Im Vorfeld hatte es verschiedene Spekulationen gegeben. Würde er einen Abzug von amerikanischen Truppen aus Europa ankündigen? Weitere Zugeständnisse an Russland? Es wurde dann eine ganz andere Rede. Schon allein, weil die Themen Sicherheits- oder Verteidigungspolitik so gut wie keine Rolle darin spielten.
„Die größte Gefahr, die ich sehe, kommt von innen“
Zunächst erinnerte Vance an den Anschlag in München von Donnerstag, als ein Afghane mit seinem Auto in eine Menschenmenge gefahren und Dutzende verletzt hatte. Dafür klatschte das Publikum im Hotel Bayrischer Hof Beifall. „Ich hoffe, das ist nicht der letzte Applaus, den ich hier kriege“, merkte Vance an. Tatsächlich ahnte er wohl, was kommen würde. Anschließend rührte sich kaum noch eine Hand.
Vance sagte: „Die größte Gefahr, die ich sehe, kommt von innen.“ Ins Zentrum seiner 20-minütigen Rede stellte er einen angeblichen Angriff auf die freie Rede in Europa. Viele Zuhörer zeigten sich später völlig entgeistert angesichts der abenteuerlichen Vorwürfe. Als Beispiel nannte Vance etwa die Vorgaben der EU, dass Betreiber von Sozialen Netzwerken gegen bestimmte Formen der Hassrede vorgehen müssen. Besonders Trumps engem Berater Elon Musk, dem Eigentümer der Plattform X, ist dies ein Dorn im Auge. Auch vor den Folgen von Migration warnte Vance. Kein Wähler in Europa habe dafür gestimmt, „die Schleusen für Millionen ungeprüfter Einwanderer zu öffnen.“
„Es gibt keinen Platz für eine Brandmauer“
Neun Tage vor der Bundestagswahl nahm Vance auch Stellung zur Debatte um eine mögliche Regierungsbeteiligung von Rechtspopulisten. „Es gibt keinen Platz für eine Brandmauer“, sagte Vance, ohne die AfD direkt zu nennen. Schon im Vorfeld der Konferenz hatte Vance den deutschen Parteien in einem Zeitungsinterview eine Zusammenarbeit mit der AfD nahegelegt.
Trotz des ganz anders gewählten Schwerpunkts von Vance‘ Rede stand am Eröffnungstag der Münchener Sicherheitskonferenz der Krieg in der Ukraine im Mittelpunkt – und das Bemühen der Europäer, mehr für die eigene Sicherheit zu tun. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der die Eröffnungsrede hielt, sagte etwa: „Europa hat den Weckruf gehört.“ Und: „Wir sollten weiterhin Verantwortung für unsere gemeinsame Sicherheit wahrnehmen.“ Er befürwortete auch eine Stärkung des Militärs. „Die Bundeswehr muss stärker werden. Nicht um Krieg zu führen, sondern um ihn zu verhindern“, sagte Steinmeier.
Selenskyj zieht „rote Linie“
Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, sprach bereits über konkrete Schritte, wie man eine Aufrüstung europäischer Streitkräfte finanzieren könnte. „Ich werde vorschlagen, die Ausweichklausel für Verteidigungsinvestitionen zu aktivieren“, sagte sie. Das würde es den EU-Mitgliedstaaten ermöglichen, mehr Schulden aufzunehmen und so ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Wenig überraschend sprach auch Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj bei der Sicherheitskonferenz vor allem über das Schicksal seines Landes. Er sei jederzeit zu „echten Gesprächen“ über Frieden bereit. Gleichzeitig zog er erneut eine „rote Linie“ für solche Verhandlungen. „Juristisch werden wir diese (besetzten) Gebiete niemals als russisch anerkennen“, betonte Selenskyj.
Wer sich also erhofft hatte, dass bei der Münchener Konferenz ein Plan zu einem Ende des Ukraine-Kriegs Form annimmt, der wurde am ersten Tag enttäuscht. Denn zumindest Vizepräsident Vance und die meisten Europäer bewegten sich an diesem Tag in parallelen Welten.