Tunnelbohrer frisst sich unter der B14 in Backnang durch
Die Stadt Backnang muss im Bereich der B14 zwischen der Kreuzung Maubacher Straße und den Bahnbrücken mehrere Abwasserleitungen erneuern und verlegen. Der größte Brocken der Investition hängt nicht mit dem Neubau der B14 zusammen, ein kleinerer Teil aber schon.
Von Matthias Nothstein
Backnang. Ende nächsten Jahres wird sich im Südwesten von Backnang auf 335 Metern Länge eine Tunnelbohrmaschine durch den Fels fressen. Der Tunnel, der dann entsteht, dient jedoch nicht dem Autoverkehr, dafür ist der Durchmesser von 1,8 Metern dann doch zu klein. Vielmehr schafft der Riesenbohrer Platz für einen neuen Regenwasserkanal mit gleichem Durchmesser. Diesen zu bauen ist eine alte Hypothek der Stadt Backnang. Seit Jahrzehnten schon ist der seitherige Kanal nicht in der Lage, bei starkem Regen das Wasser in ausreichender Menge abzuleiten. Mit der Folge, dass die B14 zwischen der Kreuzung Maubacher Straße und der Anschlussstelle Backnang-Mitte in schöner Regelmäßigkeit bei Gewittern überflutet wird. In der jüngsten Sitzung des Betriebsausschusses Stadtentwässerung entschied dieser einstimmig, dieses Projekt und weitere Kanalarbeiten in diesem Bereich anzugehen. Die Gesamtkosten betragen 5,44 Millionen Euro, wobei allein auf den Regenwasserentlastungskanal 3,96 Millionen Euro entfallen.
Markus Dohmann ist der stellvertretende Leiter des Tiefbauamts Backnang. Er erläuterte den Stadträten die Dringlichkeit dieser Investitionen. Dazu holte er aus: Zwischen der Kreuzung Maubacher Straße und der B-14-Anschlussstelle Backnang-Mitte existiert kurz vor den Bahnbrücken im Bereich Blechbergele ein Regenüberlaufbecken (RÜB 9). Der Abwasserkanal, der ins RÜB 9 mündet, hat einen Durchmesser von 1,8 Metern und entwässert ein riesiges Gebiet im Backnanger Süden. Dieses reicht von der Weissacher Straße im Bereich Kaufland bis zum Berufsschulzentrum. Wenn es stark regnet, wird der erste Schmutzstoß des Mischwassersystems in dem Becken gepuffert. Ist dieses Becken voll und es regnet weiter, dann fließt das Wasser über den Entlastungskanal direkt in die Murr. Hygienisch ist dies keine große Sünde, da der Anteil des häuslichen Abwassers ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr groß ist.
Der heutige Entlastungskanal ist hydraulisch stark überlastet
Nun gibt es allerdings das Problem, dass der heutige Kanal, wenn er das Becken wieder verlässt, viel zu klein ist; Dohmann nennt ihn „hydraulisch sehr stark überlastet“. Aktuell ist ein Kanal verlegt, der nur einen Durchmesser von einem Meter aufweist. Schlimmer noch: In dem Bereich, wo der Kanal die Bahnlinie in neun Metern Tiefe unterquert, ist es sogar nur ein Tunnel mit 60 Zentimetern Breite und 90 Zentimetern Höhe. Dohmann rechnet vor: „Eigentlich müssen 9500 Liter pro Sekunde durch den Kanal, die aktuelle Leistungsfähigkeit liegt hingegen bei 1000 Liter pro Sekunde.“
Das ist auch der Grund, weshalb die B14 bei Starkregen wie jüngst im August in diesem Bereich einen halben Meter unter Wasser stand. Dohmann erläutert: „Das Wasser stammt nicht von der B14, sondern es kann wegen des Nadelöhrs unter der Bahn nicht in ausreichendem Maß abfließen, sprudelt mit riesigem Druck aus den Schachtdeckeln und flutet die Fahrbahn.“ Das ist seit 40 Jahren so und der Verwaltung sehr wohl bekannt, aber man hat die Abhilfe immer wieder aufgeschoben. Jetzt aber ist die Erneuerung der Kanalisation nicht länger aufzuschieben, zumal die B14 neu gebaut wird.
Ganz untätig war die Stadt schon früher nicht. So existiert zum Beispiel schon seit 1978 ein kurzer Kanal von 1,8 Metern Durchmesser, der die B14 beim RÜB 9 unterquert. Damals war geplant, den Kanal beim künftigen Neubau der B14 parallel zur Bundesstraße unter den Bahnbrücken hindurch zu bauen und an der Anschlussstelle Backnang-Mitte in Richtung Süden abzubiegen. Dohmann: „Es wurde immer gesagt, man macht es mit dem Neubau der B14, weil es ein immenser Aufwand ist, einen solchen Kanal zu bauen.“
Die Maschine bohrt sich bis hinunter in die Etzwiesen durch den Untergrund
Zuletzt hat die Stadt mehrere Varianten untersucht. Die bisherige Idee, den Kanal parallel zur B14 zu bauen, wurde nach vielen Untersuchungen fallen gelassen. Die Lösung ist nun, für den Kanal einen Tunnel zu bohren. Dazu wird beim Regenüberlaufbecken eine zwölf Meter tiefe Baugrube mit einem Durchmesser von zehn Metern erstellt. Dort wird die Bohranlage eingesetzt. Die Maschine frisst sich dann bis hinunter in die Etzwiesen durch den Untergrund.
Insgesamt wurden laut Dohmann acht Varianten der Bohrtrasse untersucht. Dabei mussten viele Aspekte berücksichtigt werden, „es ist ein sehr komplexes Thema“. So darf ein Kanal normalerweise die Bahntrasse nicht in einem S-Bogen unterqueren, sondern auf kürzestem Weg. Bei einigen Varianten haben die Planer große Setzungsrisiken des Bahnkörpers befürchtet. Letztendlich haben sich die Verantwortlichen für eine Trasse entschieden, die in bis zu 32 Metern Tiefe verläuft. Dohmann: „Dadurch befinden wir uns vollständig im homogenen Felsbereich, das Risiko ist relativ gering, dass da etwas passieren kann.“
Am Ende wird die Maschine in Einzelteile zerlegt
Kompliziert wird es auch am Zielort in den Etzwiesen. Dort benötigen die Mineure eine Baugrube mit zehn Metern Durchmesser und vier Metern Tiefe, um die Bohrmaschine wieder aus dem Untergrund herauszubekommen. Auch dieses Manöver ist nicht einfach, da der Bohrkopf allein 35 Tonnen wiegt. Die Variante, den Riesenbohrer mit einem 700-Tonnen-Kran zu bergen, funktioniert nicht. So bleibt laut Dohmann nur die Lösung, den Apparat auseinanderzubauen und in Einzelteilen über das Etzwiesenstadion herauszutransportieren.
Das Felsmaterial wird über Schläuche nach hinten weggespült wird und im Bereich Blechbergele auf einer Fläche von 4000 Quadratmetern aufbereitet. Diese Variante ist laut Verwaltung die wirtschaftlichste. Das Risiko beim Bohren wird geringer eingeschätzt als die offene Bauweise, bei der der Kanal das Brückenwiderlager der Bahn in acht Meter Tiefe queren würde. Dohmann: „Der Graben hätte über drei Meter Breite und wäre bis zu elf Meter tief.“
Die Ausschussmitglieder konnten alle Aspekte nachvollziehen. So sagte Ute Ulfert (CDU): „Es ist unsere Aufgabe, das Wasser so abzuleiten, dass die B14 nicht überschwemmt wird.“ Sie verwies auch darauf, dass die Verbesserung der Situation vor Ort auch der Stadt Backnang zugute kommt, zumal sich die Starkregenereignisse in Zukunft häufen dürften. Als die Frage einer Kostenbeteiligung durch den Bund kurz aufploppte, bemerkte Gerhard Ketterer (CDU) spitz an: „Den B-14-Ausbau aufhalten dürfen wir natürlich nicht, das haben andere schon zur Genüge getan.“
Kanalumlegungen Während der Neubau des Entlastungskanals nicht mit dem B-14-Ausbau zusammenhängt, gibt es im Bereich Backnang-Mitte sehr wohl einige Regen- und Mischwasserkanäle, die aufgrund des Straßenneubaus umgelegt und erneuert werden müssen. Doch Markus Dohmann gab auch zu verstehen, dass einige dieser Kanäle bereits 70 bis 80 Jahre alt und beschädigt sind und ohnehin zumindest mittelfristig hätten erneuert werden müssen. Die neue B14 wird zwischen der Kreuzung Maubacher Straße und Bahnlinie 0,5 bis 2,9 Meter tiefergelegt. Die meisten Abwasserkanäle liegen aber nur einen Meter tief. Daher müssen sie im Zuge des Straßenneubaus tiefergelegt werden.
Vor dem B-14-Neubau Einige Kanäle müssen vor dem Neubau der B14 umgelegt werden, etwa im direkten Umfeld des RÜB 9. So muss ein neuer Regenwasserkanal unter der Bundesstraße hindurch gebaut werden, er ist 53 Meter lang. Dazu wird ein Stahlrohr mit 70 Zentimeter Durchmesser unter der Bundesstraße durchgepresst und anschließend ein Kunststoffrohr eingelegt. Diese Maßnahme muss vorab stattfinden, weil ansonsten die Baumaßnahme der Bundesstraße an dieser Stelle sehr stark beeinträchtigt wird.
Während des B-14-Neubaus Andere Kanäle werden erst parallel mit dem B-14-Neubau umgelegt, etwa in der Genfer Straße auf einer Länge von 220 Metern. Aber auch ein Mischwasserkanal, der aktuell parallel zur B14 in der Böschung verläuft, muss auf 280 Metern Länge umgelegt werden. An seiner bisherigen Lage verläuft künftig die Straße nach Germannsweiler.
Die Kosten Die Stadt muss in den nächsten Jahren über 20 Millionen Euro in die Kanäle investieren, in der Summe überwiegend wegen des B-14-Neubaus. Eigentlich ist in den Verträgen eindeutig geregelt, dass die Stadt alle Kosten dafür zu tragen hat. Trotzdem haben sich Stadt und Regierungspräsidium darauf geeinigt, aufgrund der Komplexität der Sachlage Anwälte einzuschalten mit dem Ziel, unter Berücksichtigung aller Faktoren eine einvernehmliche Lösung zu erreichen. Das kann laut Setzer im schlimmsten Fall mehrere Jahre dauern.