Vor der Bundestagswahl
Merz und Scholz im Fernduell - Werben um Wähler in NRW
Die Wahlkämpfer geben Gas bis zur letzten Minute. Am Freitagabend waren Merz und Scholz im bevölkerungsreichsten Bundesland unterwegs. Das macht Sinn, es gibt noch viele unentschlossene Wähler.
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© Fabian Strauch/dpa
Scholz hofft auf Schub im Wahlkampffinale.
Von dpa
Berlin/Oberhausen/Dortmund - Anderthalb Tage vor der Bundestagswahl haben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und sein Herausforderer Friedrich Merz (CDU) im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW um Wählerstimmen geworben. Es müsse "klar sein, dass die SPD viel, viel stärker ist als in den jetzigen Umfragen", sagte Scholz beim Wahlkampfschluss seiner Partei in Dortmund. Unions-Kanzlerkandidat Merz zeigte sich seinerseits siegessicher. In weniger als 48 Stunden sei das Kapitel Ampel endgültig Geschichte, rief Merz in Oberhausen seinen Anhängern zu.
Scholz betonte unter dem Jubel des Publikums weiter, es müsse sein, dass die sozialdemokratische Partei stark genug sei, einerseits jegliche Zusammenarbeit mit der AfD zu verhindern und "dass sie die nächste Regierung führen kann". "Deshalb, überzeugt die, die noch nicht überzeugt sind", rief der SPD-Spitzenkandidat den Genossen zu.
Merz greift Habeck an
Merz attackierte beim Wahlkampfauftritt in Oberhausen insbesondere die Grünen und deren Kanzlerkandidat Robert Habeck. In einem künftigen Wirtschaftsministerium werde jemand einziehen, der auch etwas von Wirtschaft verstehe und "mehr als ein Vertreter für Wärmepumpen" sei. Zugleich mahnte der CDU-Chef, Deutschland müsse wieder mehr Verantwortung in der Europäischen Union übernehmen. Dafür brauche es mehr wirtschaftliche Stärke, das Land müsse raus aus der Rezession.
Parteien und Kandidaten werben bis zur letzten Minute um Wählerstimmen. Es geht um viel, denn Umfragen zufolge weiß etwa jeder fünfte Wahlberechtigte noch nicht, ob und wo er am Sonntag sein Kreuz setzen wird. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa geht davon aus, dass 22 Prozent der Wähler noch unentschlossen sind, in einer Umfrage von YouGov gaben 20 Prozent an, noch keine finale Wahlentscheidung getroffen zu haben.
"Das wird eine ganz knappe Kiste", kommentierte SPD-Parteichef Lars Klingbeil die Zahlen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte der Deutschen Presse-Agentur, noch immer sei nicht entschieden, "ob unser Land die starke Regierung bekommt, die es braucht". "Es kommt jetzt auf jede Stimme an", betonte der CDU-Politiker. Merz selbst schrieb in seinem E-Mail-Newsletter: "Die im Land ohne Zweifel bestehende Wechselstimmung muss sich auch im Abstand zeigen, den wir vor allen anderen, vor allem vor denen gewinnen, mit denen wir möglicherweise eine Zusammenarbeit eingehen."
Union in Umfragen klar vorn
In zwei aktuellen Umfragen, dem ZDF-Politbarometer und dem Trendbarometer von RTL und ntv, büßte die Union leicht ein, im Trendbarometer auch die SPD. AfD und Linke dagegen legten leicht zu. Eine Allensbach-Umfrage mit längerem Erhebungszeitraum sieht dagegen Union und AfD stabil, dafür bei SPD, Grünen und FDP minimale Verluste.
Insgesamt haben sich die Aussichten der Parteien zuletzt aber kaum verändert: In den Erhebungen dieser Woche liegt die Union stabil vorn mit 28 bis 32 Prozent. Es folgt, ebenfalls eindeutig, die AfD mit 20 bis 21 Prozent vor der SPD mit 14,5 bis 16 Prozent. Die Grünen kommen knapp dahinter auf 12 bis 14 Prozent.
Die Linken würden nach einer Aufholjagd der vergangenen Wochen recht sicher in den Bundestag einziehen: Sie erreichen in den Umfragen 6 bis 8 Prozent. "Wir sind der Knaller dieser Bundestagswahl. Uns hatte niemand auf dem Zettel", kommentierte Bodo Ramelow, der für die Linken als Direktkandidat in Erfurt und Weimar antritt.
Um den Einzug ins Parlament bangen müssen FDP (4 bis 5 Prozent) und BSW (3 bis 5 Prozent). Wahlumfragen sind aber generell mit Unsicherheiten behaftet und spiegeln grundsätzlich spiegeln nur das Meinungsbild zum Zeitpunkt der Befragung wider. Sie sind keine Prognosen für den Wahlausgang.
Für eine Zweier-Koalition wird es knapp
Welche Regierung nach der Wahl regieren könnte, hängt maßgeblich davon ab, wie viele der kleineren Parteien ins Parlament einziehen. Legt man die jüngsten Umfragen zugrunde, würde es hauchdünn für ein Bündnis von Union und SPD reichen. Union und Grüne hätten zusammen keine Mehrheit. Bei Allensbach dagegen könnten beide Zweierkoalitionen regieren. Wegen der Fehlertoleranzen in allen Umfragen wäre aber auch möglich, dass der Wahlsieger zwei Partner braucht - und in einer solchen Dreierkoalition gilt die politische Arbeit als deutlich schwieriger.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zeigte sich bei einem Auftritt in Potsdam zurückhaltend mit Blick auf eine Koalition mit der Union. "Alle Demokraten müssen miteinander reden können", betonte sie zwar. Zugleich warf sie CDU und CSU aber auch vor, wenig zukunftsgewandt zu sein. "Unser Anspruch als Grüne ist es, die Zukunft zu gestalten und nicht eine Rolle rückwärts jetzt zu machen, wofür die Union offensichtlich ihr Wahlprogramm geschrieben hat."
Wahlkampf geht auch am Samstag weiter
Auch am Samstag kämpfen Parteien und Kandidaten noch um Wählerstimmen. Die Union veranstaltet in München ihren Wahlkampfabschluss. Hauptredner im Löwenbräukeller sind Merz, CSU-Chef Markus Söder und CSU-Spitzenkandidat Alexander Dobrindt. Scholz trifft in Potsdam und Brandenburg bei mehreren Terminen auf Bürgerinnen und Bürger sowie Wahlkämpfer der SPD. Am Abend treffen in einer TV-Runde von ProSieben/Sat1 die Kanzlerkandidaten Scholz, Habeck und Alice Weidel (AfD) noch einmal aufeinander. Merz ist nicht dabei.
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© Rolf Vennenbernd/dpa
Merz zeigt sich siegessicher bei CDU-Wahlkampf in Oberhausen.
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© Julian Stratenschulte/dpa
Manche haben schon gewählt, doch viele wissen noch nicht, wo sie am Sonntag ihr Kreuz machen werden. (Symbolbild)
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© Hendrik Schmidt/dpa
Möglicherweise wird wieder eine Koalition von drei Fraktionen nötig sein. (Symbolbild)