Twitter-Gewitter statt Blitzermarathon
Polizei twittert und postet zwölf Stunden lang Einsatzgeschehen – Mal sachlich, mal mit einem gehörigen Schuss Humor, werden fast minütlich Tweets angesetzt
Notrufe, Unfälle und Streitigkeiten: Das und noch vieles mehr wird der Polizei täglich über den Notruf 110 gemeldet. Alle Anrufe gehen im Führungs- und Lagezentrum in Waiblingen ein. Grund genug für das Social-Media-Team der Polizeidirektion, einmal zwölf Stunden lang via Twitter und Facebook über die Polizeiarbeit zu berichten.

Zwei Mitarbeiter des Social-Media-Teams und eine Mitarbeiterin des Führungs- und Lagezentrums beim Twittern und Posten. Foto: A. Ziegele
Von Andreas Ziegele
WAIBLINGEN. Im Führungs- und Lagezentrum der Polizei geht es wie immer turbulent zu. Minütlich gehen Notrufe ein und müssen verfolgt werden. Im daneben liegenden „Raum für besondere Lagen“ hat sich an diesem Tag das Team für soziale Medien der Polizeidirektion Aalen positioniert und begleitet die Kollegen mit Tweets und Postings auf Twitter und Facebook.
Zwei Tage nach dem Blitzermarathon nun also ein Twitter-Gewitter in Form eines Notrufmarathons. „Es war nicht unsere eigene Erfindung, eine solche Aktion durchzuführen“, gibt Pressesprecher Ronald Krötz zu und ergänzt: „Berlin, München und Heilbronn haben uns hier den Impuls gegeben.“ Laut des Hauptverantwortlichen für soziale Medien geht es darum, dem Bürger zu zeigen, was die Polizisten sowohl im Führungs- und Lagezentrum (FLZ), aber auch im Streifendienst oder bei der Kriminalpolizei leisten. „Wir wollen aber auch die Reichweite auf unseren Twitter- und Facebook-Kanälen erhöhen“, so Krötz.
Die Menschen schnell zu informieren, um über bestimmte Ereignisse die Deutungshoheit zu haben und Spekulationen vorzubeugen, ist eines der Ziele, die sich Krötz und seine beiden Kollegen vom Social-Media-Team gesetzt haben. Unterstützt werden sie an diesem Tag von zwei Kolleginnen aus dem Führungs- und Lagezentrum. Wie wichtig das Thema Deutungshoheit in den sozialen Medien ist, hat sich zum Beispiel beim Attentat in München im Juli 2016 gezeigt. Mit klaren Kommentaren und Informationen wusste die Bevölkerung zu jeder Zeit aus zuverlässiger Quelle, was tatsächlich geschehen war, und nicht, was manche gemeint haben zu sehen.
„Hm, wir können viel,
aber nicht alles“
Die Polizisten im FLZ tun dabei das, was sie jeden Tag und jede Nacht tun: Sie nehmen Notrufe entgegen und steuern die Einsatzkräfte vor Ort. Eine von ihnen ist die Polizeibeamtin Carola Bücheler. Nicht immer sind es Notrufe, die die Polizei erreichen. „Wir haben auch Stammkunden“, sagt Bücheler. „Die rufen an und erzählen von Gott und der Welt und berichten uns ihr Seelenleben.“ Wenn nicht gerade Hochbetrieb herrscht, werden aber auch solche Gespräche einvernehmlich beendet. Manchmal können die Polizisten dann wirklich nicht helfen: „Hm, wir können viel, aber nicht alles. Familiennachzug aus dem Kosovo. Da empfehlen wir mal einen Anruf beim Ausländeramt“, wird auf Facebook nach einem Anruf unter 110 gepostet. Nicht selten kommt es nach der Aussage von Bücheler auch vor, dass der Anrufer einen Rettungswagen alarmieren will und statt der 112 die 110 gewählt hat. „Hier verbinden wir dann nach Klärung der Situation an die Rettungsdienste“, sagt die Polizistin. Sie sitzt dabei vor einem Monitor, der auf den ersten Blick lauter Kacheln mit Textfüllung zeigt. „Das ist unser Dispositionscenter, hier sehen wir alle Einsatzfahrzeuge und was diese im Moment machen“, erklärt sie. Damit können die Einsätze dann gesteuert und kontrolliert werden.
Derweil werden die Tastaturen im Nebenraum bearbeitet. Fast minütlich werden Tweets abgesetzt. Mal sachlich, mal mit einem gehörigen Schuss Humor. Die Polizisten um Ronald Krötz würzen die Beiträge dabei mit Fotos und Videos, die dann auch mal eine Einsatzfahrt live aus dem Polizeiwagen zeigen oder rauchende Tastaturen der Social-Media-Mitarbeiter.
Um 11.02 Uhr wird eine betrunkene Person in einem Amtsgebäude in Backnang gemeldet. „Da startet aber jemand früh in das bevorstehende Wochenende“, kommentieren die Beamten diese Meldung. Heiterkeit löst auch ein Kommentar einer Nutzerin nach einem Post an eine Polizeibeamtin aus: „Bist du nun eine Influencerin?“, will da jemand wissen. „Schreib einfach ja“, so der nicht ganz ernst gemeinte Rat der Kollegen.
„#Oberrot ein aufgeregter Anrufer teilt uns eine verletzte Person mit“
Ernst wird es dann um 11.04 Uhr. Der nachfolgende Tweet wird abgesetzt: „#Oberrot ein aufgeregter Anrufer teilt uns eine verletzte Person mit. Was los ist, wissen wir noch nicht. Vor lauter Aufregung kriegen wir momentan nicht mehr heraus. Wir schicken ’ne Streife mit Sondersignal! Einen RTW haben wir auch gleich mal angefordert.“
Als sich kurze Zeit später herausstellt, dass es sich um einen tödlichen Arbeitsunfall handelt, bei dem ein Mann unter einen sieben Tonnen schweren Gabelstapler geraten ist, wird es kurze Zeit still im Raum und man merkt, dass solche Meldungen an den Polizisten nicht einfach so vorbeigehen.
Ein Thema, das sich in den sozialen Medien immer mehr ausbreitet, sind Kommentare, die die Sachebene verlassen. „Leider kommt es auch bei uns regelmäßig vor, dass wir Kommentare von Nutzern erhalten, die bewusst auf Krawall aus sind“, erklärt Krötz und betont, dass es sich dabei aber um eine Minderheit handelt. Die Nutzer werden dann verwarnt und bei Wiederholung aus der Gruppe entfernt. „Dazu monitoren wir rund um die Uhr unsere Kanäle“, ergänzt der Polizeibeamte. „Das ist auch unsere moralische Verpflichtung.“