Über die einstige Straße Am Kalten Wasser

Blick in das Archiv von Peter Wolf: Die Kaufhauskette Breuninger ist deutschlandweit bekannt. Im kleinen Sträßchen „Am Kalten Wasser“ wurde der Gründer als Sohn einer Gerberfamilie geboren. In seiner Heimatstadt setzte er sich für viele Belange ein.

Blick durch die Arkaden des ehemaligen Gasthauses Krone 1942.

© Peter Wolf

Blick durch die Arkaden des ehemaligen Gasthauses Krone 1942.

Von Claudia Ackermann

BACKNANG. Bei vielen Backnangern hat sich der Name „Am Kalten Wasser“ bis heute erhalten, obwohl die Straße, die an der Aspacher Brücke abzweigt und an der Murr entlangführt, längst offiziell ein Teil der Eduard-Breuninger-Straße ist. In Zeiten, in denen noch die Stadtmauer bestand, war hier freies Feld mit dem Gewannnamen „Im hinteren Acker“. Auf einer Karte von 1832 wird der Weg an der Murr noch „Auf dem Pfahlmarkt“ genannt. Es bestand eine Fußgängerverbindung mit der sogenannten Hexenstaffel den Berg hinauf zur Erbstetter Straße.

In den Blättern des Murrgauer Altertums-Vereins informiert Gustav Hildt 1910: „Der Weg von der Erbstetter Straße führt durch den sogenannten hinteren Acker herab zum Pfahlmarkt, dem Anfang der jetzigen Kronenstraße. Von altersher hatten im Lande die Städte Backnang und Schorndorf das Privilegium des Pfahl- und Schnittwarenhandels, da sie als Grenzstädte des Herzogtums kein anderes commercium besitzen. Es durfte deshalb in der Umgegend kein Holz- oder Pfahlmarkt stattfinden, sondern alle diese Ware mußte nach Backnang geführt und der Stadt oder dem Pfahlmarktpächter zum Kauf angeboten werden.“ Vor 1693 standen noch nicht viele Häuser am Pfahlmarkt, denn auf der einen Seite war die Mauer mit dem Graben davor und lediglich bei der Krone war eine Brücke über den Graben.

Der Name „Am Kalten Wasser“ kommt nicht von ungefähr: Winters trat die Murr oft über die Ufer.

Im Jahr 1910 schreibt Gemeinderat Hildt, der Straßenname „Kaltes Wasser“ stamme „aus neuerer Zeit“. Mit Durchbrüchen in der Stadtmauer im 19. Jahrhundert weitete sich die Bebauung immer mehr aus. Im Jahr 1900 befanden sich acht Wohnhäuser „Am Kalten Wasser“. Das kalte Wasser der Murr bekamen die Anwohner häufig zu spüren, denn immer wieder trat der Fluss, vor allem in den Wintermonaten, über die Ufer.

In einem dieser Häuser waren die bescheidenen Anfänge der später bedeutenden Lederfabrik Schweizer. Am Kalten Wasser hatte der aus Beutelsbach im Remstal stammende Gerbergeselle Louis Schweizer nach der am 23. Mai 1867 vollzogenen Ehe mit der Tochter Karoline seines Meisters Karl Gottlieb Kaess für 3250 Gulden eine Lohgerberei erworben. Bereits 1873 verlegte Schweizer seinen Betrieb in die Obere Walke, wo er 1889 die erste Dampfmaschine aufstellte, informiert das Backnang-Lexikon. Im Jahr 1905 übernahm Schweizer mit seinen Söhnen die Postgerberei an der Bleichwiese, wo er seine Lederfabrik weiter ausbaute (heute Schweizerbau).

Aus der Straße Am Kalten Wasser stammte ein weiterer bedeutender Sohn der Stadt. Am 14. Juli 1854 wurde Eduard Breuninger als Sohn des Rotgerbers Heinrich Christian Breuninger geboren. Sein Vater hatte 1850 Am Kalten Wasser 13 (heute Eduard-Breuninger-Straße 41) ein Wohn- und Gerbereigebäude errichtet. Nach einer kaufmännischen Lehre im Handelsgeschäft Albert Müller (heutige Marktstraße 29) verließ Eduard Breuninger 1871 seine Geburtsstadt und trat eine Stelle bei der Manufakturwaren-Großhandlung Bonnet&Gundert in Stuttgart an, heißt es im Backnang-Lexikon weiter. Am 1. März 1881 übernahm er Haus und Geschäft der Firma Ostermayer in der Münzstraße 1 in Stuttgart und begründete damit die Warenhauskette Breuninger, der heute etwa das Breuningerland in Ludwigsburg sowie zahlreiche Kaufhäuser in ganz Deutschland angehören.

Eduard Breuninger blieb seiner Geburtsstadt Backnang stets verbunden, förderte gemeinnützige Einrichtungen und rief mehrere Stiftungen ins Leben. So initiierte er unter anderem 1908 zusammen mit dem Verleger Friedrich Stroh die „Realschullehrer-Gutscher-Stiftung“, die besonders qualifizierte Schüler förderte. Außerdem legte er im selben Jahr den Grundstock zur Gründung einer Bibliothek der Stadt Backnang, die er bis zu seinem Tod 1932 mit jährlichen Zuschüssen versorgte. Im Jahr 1930 leistete er einen namhaften Beitrag zum Bau des Bürgerheims. Bereits am 3. Februar 1911 fassten Gemeinderat und Bürgerausschuss der Stadt Backnang den Entschluss, Breuninger aufgrund „seines unternehmerischen Erfolges und seiner Verdienste für seine Heimatstadt“ das Ehrenbürgerrecht zu verleihen. Außerdem erhielt ein mit seiner finanziellen Hilfe 1911/12 errichteter Steg über die Murr im Bereich Am Kalten Wasser den Namen Eduardsteg (später: Eduard-Breuninger-Steg).

Breuninger war auch maßgeblich an der Gründung einer Jugendherberge in Backnang beteiligt. Schon längere Zeit bestand dieses Vorhaben, war aber immer wieder an den fehlenden Räumlichkeiten gescheitert. Eduard Breuninger erklärte sich 1922 bereit, in seinem elterlichen Anwesen Am Kalten Wasser einen Raum für eine Herberge zur Verfügung zu stellen und ihn vollständig auszustatten, schreibt Bernhard Trefz in seinem Aufsatz „Ein fürstlicher Schlafsalon. Eine kurze Geschichte der Backnanger Jugendherberge“ im Jahrbuch Band 21.

Sehr schnell sei man zu der Ansicht gekommen, dass die Einrichtung der Jugendherberge in der zum Anwesen gehörenden Scheuer zu kostenaufwendig wäre. Deshalb wurde beschlossen, das kleinere Hinterhaus zwischen dem Wohnhaus und dem Gemeinschaftshaus dem Stifter zur Einrichtung zu empfehlen. Im oberen Stock ließ Eduard Breuninger zehn einfache Bettstellen einrichten und sorgte für Waschgelegenheiten, elektrisches Licht, einen Ofen mit Trockenstangen sowie einen Tisch und Stühle. Das vor dem Gebäude liegende Gärtchen wurde erweitert und mit einer großen Bank versehen, für Wanderer, die sich nicht gleich zum Schlafen hinlegen, sondern noch ein wenig zusammensitzen und plaudern wollten.

Am 27. Juni 1929 beschloss der Gemeinderat, die seitherigen Straßen Kronenstraße und Am Kalten Wasser in Eduard-Breuninger-Straße umzubenennen. Seit 2008 trägt außerdem die kaufmännische Schule im Beruflichen Schulzentrum Backnang den Namen des Kaufhausgründers. Heute erinnern noch das evangelische Gemeindehaus „Am Kalten Wasser“ und der gleichnamige Kindergarten an die frühere Bezeichnung der Straße an der Murr.

Das Breuninger-Geburtshaus (rechts) und die Möbelschreinerei Nüssle beim Hochwasser 1912.

© Peter Wolf

Das Breuninger-Geburtshaus (rechts) und die Möbelschreinerei Nüssle beim Hochwasser 1912.

In diesem Haus Am Kalten Wasser waren die bescheidenen Anfänge der späteren Lederfabrik Louis Schweizer (Foto aus dem Jahr 1910). Repros: P. Wolf

© Peter Wolf

In diesem Haus Am Kalten Wasser waren die bescheidenen Anfänge der späteren Lederfabrik Louis Schweizer (Foto aus dem Jahr 1910). Repros: P. Wolf

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Erstellt:
6. Juli 2021, 06:00 Uhr

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