Abstimmung in Basel
Der Kreuzzug der Ultra-Christen gegen den ESC in der Schweiz
Eine rechte Kleinpartei macht Front gegen den Eurovision Song Contest in Basel. Am Sonntag wird abgestimmt. Manche befürchten eine Blamage für die Schweiz.
Von Eberhard Wein
Ein Glatzkopf mit Hannibal-Lecter-Gebiss fletscht seine spitzen Zähne, nur gebändigt von Bambie Thug, einem nonbinären Wesen mit gefährlich langen Fingernägeln, Hörnerfrisur und schwarzem Lack- und Federkleid. Kleine Kinder könnte eine Fahrt mit dem Basler Trämli in diesen Tagen ernsthaft verstören – zumindest wenn sie nach oben blicken. Denn auf den in den Straßenbahnen hängenden Displays erscheint zwischen Meldungen aus Politik und Sport sowie Hinweisen auf einen Schienenersatzverkehr auch immer wieder diese wilde Szene. Dann folgt ein großes „Nein“ und der Schriftzug: „Stopp ESC in Basel-Stadt“.
Die EDU, die Eidgenössisch-Demokratische Union, hat die Clips geschaltet und Bambie Thug, den wohl schrillsten Act vom letztjährigen Eurovision Song Contest, zum – unfreiwilligen – Gesicht ihrer Kampagne gemacht. Schon kurz nachdem Nemo in Malmö den Sieg für die Schweiz geholt hatte, kündigte die christliche Kleinstpartei ihre Unterschriftensammlung an.
Ausgerechnet im rot-grünen-Basel
Egal wo die „Propaganda-Show für Okkultismus“ stattfinde, man werde ein Referendum anstreben, erklärte das Parteipräsidium. Dass nun ausgerechnet das rot-grüne Basel Austragungsort geworden ist, lässt sich als Künstlerpech bezeichnen. In der weltoffensten und europäischsten Stadt der Schweiz sind die Ultraprotestanten so gut wie nicht existent. 0,12 Prozent erzielte die EDU im Oktober bei der Wahl zum Großen Rat. Andererseits hat die Partei ihre Schlagkraft schon bewiesen: vor 15 Jahren setzte sie per Referendum das europaweit beachtete schweizweite Minarett-Verbot durch.
Karin Hirschi, roter Häkelpulli über blau-rot karierter Bluse, betreut im Hauptberuf Obdachlose und ist eines der wenigen Basler Parteimitglieder. Früher habe ihr die Musiksendung schon gefallen, sagt die 65-Jährige. Aber schon 2013, als die Schweiz unter dem Bandnamen „Takasa“ eine Truppe der Heilsarmee zum ESC schickte, hätten die Musiker nicht einmal in Uniform auftreten dürfen. Und heute? Da sei der ESC eine reine Polit-Show. Bambie Thug habe sich sogar eine Dornenkrone aufgesetzt. „Das war gotteslästerlich.“
Ihre Hauptargumente sind aber andere: da sei der offene Antisemitismus, der den letztjährigen ESC durchzog. Vor allem aber geht es um die Kosten. 35 Millionen Schweizer Franken (37,5 Millionen Euro) hat der Große Rat mit übergroßer Mehrheit für das Begleitprogramm bewilligt. Zum Vergleich: eine ähnliche Summe ließ sich Stuttgart im vergangenen Jahr die Public-Viewing-Aktionen zur Fußball-EM kosten. Doch beim Geld hört für viele Schweizer bekanntlich der Spaß auf. Das Sammeln der Unterschriften sei gar nicht schwer gewesen, sagt Hirschi. In kurzer Zeit hatte die EDU 4203 Unterstützer zusammen, doppelt so viele wie nötig.
Referendum am Sonntag
Am Sonntag kommt es zum Referendum über den Zuschuss. Das sei eben die Schweizer Eigenart, dass man sogar über ein Stadtfest abstimme, seufzt Christoph Bosshardt vom kantonalen Departement für Außenbeziehungen. Dass das im Ausland für Verwunderung sorgt, hat Basels oberster Standortvermarkter schon gemerkt. Selbst die „New York Times“ berichtete. Natürlich seien 35 Millionen Franken viel Geld, sagt Bosshardt. Doch Basel sei reich, zuletzt gab es Millionenüberschüsse. Und um die Konkurrenten Zürich und Genf auszuschalten, die über größere Hallen und mehr Hotelbetten verfügten, habe man „ein großes Paket schnüren“ müssen.
Es sei ein „gutes Invest“. Für Liverpool, Gastgeber im Jahr 2023, errechneten Forscher eine Wertschöpfung von 52 Millionen Euro. Langfristig seien sogar 300 Millionen hängen geblieben. Doch die Vorbereitungszeit ist knapp. „Eigentlich braucht man bei einer solchen Großveranstaltung drei bis vier Jahre Vorlauf“, sagt Bosshardt. Man wolle Bevölkerung und Besucher an dem Ereignis teilhaben lassen, unter anderem mit einem Public Viewing im St. Jakob-Stadion. Der ESC passe „super“ zum Basler Marketing-Motto „Crossing Borders“ („Grenzen überwinden“), findet Bosshardt.
Sollte das Referendum nun aber Grenzen setzen, wäre dies in seinen Augen „eine verpasste Chance“. Immerhin wird das Schweizer Fernsehen keinen Standortwechsel mehr vornehmen. Auch dafür ist es zu spät. Doch ein ESC in einer Stadt, die das gar nicht will, wäre ein Novum. Es drohe ein „massiver Reputationsschaden“ für die Schweiz.
„Wir sind halt klein kariert“
Eine offizielle Prognose für den Ausgang der Abstimmung gibt es nicht. Doch selbst die rechtskonservative, aber wirtschaftsliberale Schweizerische Volkspartei (SVP) unterstützt das Event. Fragt man auf der Straße die Basler nach ihrer Meinung, herrscht vielfach Unverständnis. „Mich überrascht, dass für so etwas überhaupt genügend Unterschriften zusammenkommen“, sagt Pascale Ritter (62). Öffentliches Geld sei auch schon schlechter ausgegeben worden, meint Mirjam Hildbrand (37). Die EDU kenne sie nicht.
Roger Lerch (60) wohnt im Nachbarkanton Basel-Land und ist beim Referendum außen vor. Er erklärt das Ganze so: „Wir sind halt ein bisschen klein kariert.“ Bosshardt ist derweil optimistisch. Die direkte Demokratie sei ja das, was die Schweiz stark mache. „Wenn es durchgeht, haben wir hier erstmals einen demokratisch legitimierten ESC.“