US-Wahlkampf

Um Joe Biden wird es immer einsamer

Donald Trump triumphiert, Joe Biden steht vor dem Aus. Während sich der Kandidat der Republikaner wie eine Lichtgestalt feiern lässt, erlebt der an Covid erkrankte Amtsinhaber düstere Stunden.

Präsident Joe Biden ist krank und hat sich zurückgezogen.

© dpa/Susan Walsh

Präsident Joe Biden ist krank und hat sich zurückgezogen.

Von Thomas Spang

Das Drama könnte nicht größer sein, das die Amerikaner auf einem geteilten Bildschirm verfolgen. Hier das erstaunliche Comeback eines als Straftäter verurteilten Ex-Präsidenten, der vor nicht einmal einer Woche haarscharf ein Attentat überlebt hat. Da der Niedergang eines isolierten Amtsinhabers in Zeitlupe, dem die Parteifreunde, Geldgeber und Wähler davonlaufen.

Während Donald Trump bei Annahme seiner Nominierung in Milwaukee mit ausgestreckter Faust Stärke demonstriert, wirkt der von Covid niedergestreckte Joe Biden schwächer denn je. Die Bilder von der Krönungsfeier des Präsidentschaftskandidaten der Republikaner und dem Krankenlager in Rehoboth suggerieren, dass an diesem Tag das Rennen um das Weiße Haus für Biden gelaufen sein könnte. Unter Berufung auf Personen aus dem Umfeld des Präsidenten berichteten verschiedene US-Medien, er zeige erstmals Bereitschaft, über einen Verzicht nachzudenken. „Er ist aufgeschlossen, nicht so trotzig wie in der Öffentlichkeit“, zitiert CNN ihre Quelle.

Parteiführer drängen den Präsidenten

Vor der Absage seiner Wahlkampfauftritte nach einem positiven Covid-Test und seinem Rückflug aus Nevada in sein Strandhaus in Delaware hatte Biden in einem Interview mit dem schwarzen TV-Sender BET selbst die Tür für einen Verzicht einen Spalt weit geöffnet. „Wenn mir Ärzte sagten ‚Sie haben dieses oder jenes Problem‘“, sei er offen aus dem Rennen zu scheiden.

Das Eingeständnis kam, nachdem eine Schock-Umfrage der Nachrichtenagentur AP herausgefunden hatte, dass fast zwei Drittel der Demokraten einen Rückzug Bidens wünschen. Eine interne Erhebung der Meinungsforscher von „Blue Rose Research“ kommt komplementär zu dem Ergebnis, dass nur etwas mehr als ein Drittel seiner Wähler von 2020 Biden immer noch für mental fit genug halten.

Wirkung dürfte auch die Intervention von drei Parteiführern haben, die im Windschatten des Anschlags auf Trump und dem Parteitag der Republikaner, dem 81-jährigen Biden ins Gewissen redeten. Wie vor Trumps Krönung in Milwaukee an die Medien durchsickerte, legten Senatsführer Chuck Schumer, der Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, und die in der Partei immer noch sehr einflussreiche Ex-Speakerin Nancy Pelosi dem Präsidenten den Rückzug nahe.

Laut verschiedener Medienberichte unter Berufung auf mehrere Insider rieten die Kongressführer Biden in getrennten Privatgesprächen, nicht an der Kandidatur zu klammern. Jeffries hatte den Präsidenten vergangenen Donnerstag im Weißen Haus getroffen, Schumer war am Samstag vor dem Attentat zu Biden nach Delaware gereist. Pelosi telefonierte mit ihm. Die drei Top-Demokraten sollen Biden ausdrücklich gewarnt haben, durch ein Festhalten sein politisches Erbe und die Aussichten seiner Partei bei den Wahlen im November zu gefährden.

Die Geduld geht zu Ende

Die Kandidaten in knappen Rennen für den Senat und das Repräsentantenhaus fürchten zu verlieren, falls Biden für das Weiße Haus antritt. Ein unpopulärer Präsidentschaftskandidat könnte die Wahlbeteiligung dämpfen. Damit stünden die Rückeroberung des Repräsentantenhauses und die Verteidigung der Mehrheit im Senat auf dem Spiel.

Schumer und Jeffries verhinderten auch, dass Biden-Loyalisten im Parteiapparat die Nominierung kurzfristig durchpeitschen. Berichte über den Plan des DNC, mit einer am Montag beginnenden virtuellen Abstimmung der Delegierten die Debatte über die Kandidatur abzuwürgen, hatte eine Rebellion an der Basis ausgelöst. Der für das Verfahren zuständige Gouverneur Tim Walz verlegte den Termin auf den 1. August.

So viel Zeit wird Biden nicht bleiben, einen Dammbruch aufzuhalten. Die Geduld mit dem Präsidenten geht zu Ende. Falls er nicht freiwillig geht, stehen dem Vernehmen nach Dutzende Parteigrößen bereit, aus der Deckung zu kommen.

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Erstellt:
18. Juli 2024, 17:58 Uhr

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