Marijn Rademaker und Daniel Camargo

„Um sie war ein Leuchten“: Zwei Ex-Stuttgarter erinnern an Michaela DePrince

Marijn Rademaker und Daniel Camargo, Ex-Solisten des Stuttgarter Balletts, berichten von ihrer Zeit mit Michaela DePrince. Im Gedenken an die früh verstorbene Tänzerin sammelt nun eine Gala in Stuttgart Spenden für die Hilfsorganisation War Child.

Die Ballerina Michaela DePrince (hier bei einer Gala 2019 in Amsterdam) ist im September 2024 verstorben.

© IMAGO/Bruno Press//Patrick van Emst

Die Ballerina Michaela DePrince (hier bei einer Gala 2019 in Amsterdam) ist im September 2024 verstorben.

Von Andrea Kachelrieß

Vieles an der Karriere der Ballerina Michaela DePrince ist ungewöhnlich, leider auch ihr früher Tod. An die im vergangenen September im Alter von 29 Jahren verstorbene Tänzerin, einst die jüngste Solistin des Harlem Dance Theatres, erinnert an diesem Freitag eine Benefizgala im Hegelsaal. Die Spenden fließen an die Organisation War Child, die von Krieg betroffenen Kindern hilft. Michaela DePrince, eine Bürgerkriegswaise aus Sierra Leone, die als Vierjährige von einem amerikanischen Paar adoptiert wurde, war selbst Botschafterin dieser Organisation.

Dass diese Gala, an der sich auch 66 Musiker sowie der Dirigent Ulrich Walddörfer und der Tschaikowsky-Preisträger George Harliono beteiligen, ausgerechnet in Stuttgart stattfindet, ist privatem Engagement zu verdanken. Zudem finden sich im Stuttgarter Ballett-Netzwerk Verbindungen zu Michaela DePrince. So hat der ehemalige Stuttgarter Solist Marijn Rademaker die schwarze Tänzerin bei seinem Wechsel ans Het Nationale Ballet in Amsterdam kennen gelernt.

Auch wenn er nicht persönlich mit der Amerikanerin tanzte, sind seine Erinnerungen an Begegnungen im Ballettsaal sehr lebendig. „Michaela war immer unglaublich freundlich und sprudelte regelrecht vor Energie“, erinnert sich Marijn Rademaker am Telefon. „Sie hat hart gearbeitet, aber das immer mit einer positiven Ausstrahlung, mit einem Lachen.“ Bei so viel positiver Energie sei es besonders traurig, fährt Rademaker fort, „dass sie schon von uns gegangen ist“.

Marijn Rademaker tourt derzeit durch die Niederlande

Der holländische Tänzer bedauert deshalb umso mehr, dass er nicht an der Gala in Stuttgart teilnehmen kann. Doch noch bis zum 20. Februar tourt Marijn Rademaker mit seiner berühmten Kollegin Igone de Jongh und deren autobiografischem Abend „Renaissance“ durch die Niederlande. Unter den rund vierzig Stationen seien kleine Bühnen, aber auch große wie das Amare in Den Haag, berichtet Rademaker.

Auch ein anderer ehemaliger Stuttgarter Solist hätte sich gern tanzend von Michaela DePrince verabschiedet. Daniel Camargo stand mit der früh verstorbenen Kollegin in der gemeinsamen Zeit am Het Nationale Ballet für den Tanzfilm „Coppelia“ vor der Kamera. Jetzt ist er in der dritten Spielzeit als Solist am American Ballet Theatre in New York engagiert; die Reise nach Stuttgart habe leider nicht in seinen Kalender gepasst, sagt der brasilianische Tänzer am Telefon.

In den USA blieb Daniel Camargo mit Michaela DePrince, die zuletzt als Solistin am Boston Ballet engagiert war, in Kontakt. „Sie war eine tolle Tänzerin und technisch sehr begabt“, erinnert er sich an die gemeinsame Zeit in Amsterdam. „Wenn sie auf die Bühne kam, konnte man sofort ihre Stärken, ihr außergewöhnliches Talent sehen; um sie war ein Leuchten.“ Nicht nur mit einem Workout-Projekt habe sie sich für andere engagiert. „Sie war hilfsbereit und für viele ein Vorbild, zu dem man aufschaut“, so Daniel Camargo.

Die Tänzerin litt an einer psychischen Erkrankung

Dass Michaela DePrince an einer psychischen Erkrankung litt und deshalb in Therapie war, ist in ihrem Wikipedia-Eintrag zu lesen. Das eröffnet Raum für Spekulationen. Einen Zusammenhang mit dem frühen Tod wies Mia DePrince, eine Schwester der Tänzerin, jedoch zurück und sprach von einer damit nicht in Verbindung stehenden Krankheit.

Druck auf Balletttänzer ist groß

Marijn Rademaker sorgt sich dennoch um das psychische Wohlergehen von Tänzern. „Viele sind noch sehr jung, wenn sie in eine Kompanie kommen und müssen früh lernen, mit diesem Druck umzugehen“, sagt der ehemalige Stuttgarter Solist und erklärt: „Als Tänzer darf man nicht schwach oder verletzlich sein, denn man befürchtet, dass man Chancen verpasst, während die anderen weiterkommen.“ Zum Glück, so Rademaker, ändere sich der Umgang der Kompanien mit ihren Mitgliedern.

Für einen achtsamen, fairen Umgang in der weiß geprägten Ballettwelt hat Michaela DePrince in ihrer Autobiografie „Ich kam mit dem Wüstenwind“ geworben. Auch vor diesem Engagement will sich die Gala am Freitag verneigen. Mit dabei sind unter anderen Rachele Buriassi und Anna Osadcenko. Uraufführungen bringen Tänzer vom Dortmunder Ballett, von Les Grands Ballets Canadiens aus Montreal sowie Riccardo Ferlito vom Stuttgarter Ballett mit.

Info

TerminDie Gala für die Hilfsorganisation War Child findet am 24. Januar um 19 Uhr im Hegelsaal statt. Geplantes Ende ist um 21.30 Uhr.

ProgrammAn der Gala beteiligt sind rund sechzig Musiker:innen sowie Tänzer:innen vom Birmingham Royal Ballet, von den Ballettkompanien in Dortmund, Chemnitz und Stuttgart, von Les Grands Ballets Canadiens in Montreal, vom Het Nationale Ballet in Amsterdam und vom Ballett des Teatro Massimo in Palermo.

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Erstellt:
20. Januar 2025, 14:06 Uhr

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