Umfrage: Kinderbetreuung zu Hause oder in der Kita?
Eine Umfrage unter allen Eltern von Kindern unter drei Jahren soll klären, welche Wünsche es gibt und welche Gründe für die eine oder andere Betreuungsform sprechen. Der Backnanger Jugend- und Sozialausschuss stimmt zu, die Ergebnisse erst in einem neuen Arbeitskreis zu beraten.
Von Matthias Nothstein
Backnang. Stadtrat Lutz-Dietrich Schweizer von der Christlichen Initiative Backnang fordert seit Jahren von der Stadtverwaltung eine Umfrage unter allen Eltern von Kindern unter drei Jahren. Dabei sollte sinngemäß folgende Frage im Mittelpunkt stehen: „Welche Unterstützung würden Sie sich von der Stadt wünschen, damit Sie Ihr Kind zu Hause betreuen und nicht in Kitas oder Horte schicken?“ Schweizer verfolgt damit zwei Ziele. Erstens: Wenn man die Wünsche der Eltern erfüllt, bleiben mehr Kinder länger in der Geborgenheit der Familie, was der CIB-Rat ohnehin für besser hält. Zweitens: Wenn mehr Kinder länger daheim betreut werden, benötigt die Stadt weniger Betreuungsplätze und spart Millionen.
Nachdem sich die Verwaltung viele Jahre geweigert hatte, eine solche Umfrage in Auftrag zu geben, tat sie es dann vergangenes Jahr doch. Beauftragt wurde das Institut Biregio aus Bonn, das Politik und Verwaltungen bei der Planung von Schulen und Kindertagesstätten sowie der Demografieplanung und ihren Folgen für die Stadtentwicklung berät. Am Donnerstagabend stellte Projektleiter Marvin Schlicht die Fakten im Jugend- und Sozialausschuss vor.
Viele Eltern nehmen an der Umfrage teil
Alle Eltern von Kindern unter drei Jahren wurden per Post angeschrieben und konnten anonym antworten. 1051 Fragebogen wurden versendet, 351 sind auswertbar wieder zurückgekommen, das entspricht einer Rücklaufquote von 33,4 Prozent, über die alle Beteiligten glücklich waren. So sagte Sozialdezernentin Regine Wüllenweber: „Von solch einer Quote können wir in anderen Bereichen nur träumen.“
Die Ausschussmitglieder waren gespannt auf die Umfrageergebnisse. Doch Wüllenweber zügelte den Tatendrang, erklärte vorab, dass die erhobenen Fakten vorerst nur unkommentiert vorgestellt werden sollten und bat darum, dass die Räte nicht gleich in die Analyse eintreten. Vielmehr schlug die Sozialdezernentin vor, zusammen mit dem Gesamtelternbeirat einen Arbeitskreis zu bilden und dort zu beraten, welche Auswirkungen die Antworten der Eltern auf die Kitabedarfsplanung haben könnten. Die Zusammensetzung des Arbeitskreises sollte der Ältestenrat festlegen.
40 Prozent der Antwortenden wollen 600 Euro und mehr pro Monat für Betreuung
Die Umfrageergebnisse der Antwortenden in Kurzform: 91 Prozent leben in einer Partnerschaft, alleinerziehend sind 7,5 Prozent. 66 Prozent der Antwortenden sind berufstätig, bei 81 Prozent ist der Partner berufstätig, bei 55 Prozent sind es beide Elternteile. Ein Viertel der Familien verdient mehr als 7000 Euro, knapp die Hälfte hat ein Einkommen von 3000 bis 7000 Euro und 29 Prozent haben weniger als 3000 Euro. Es gibt verschiedene Gründe für den Wunsch nach einer Betreuung. Es mag überraschen, aber mit 88 Prozent am meisten genannt wurde: Das Kind hat mehr Kontakt- und Spielmöglichkeiten. Knapp dahinter rangieren die doppelte Berufstätigkeit der Eltern (86 Prozent) und der Wunsch nach Rückkehr in den Beruf (82). 17 Prozent geben „alleinerziehend“ als Grund an.
Wenn Eltern noch keinen Betreuungsplatz wahrnehmen, dann hat dies folgende Gründe: 57 Prozent möchten ihr Kind zu Hause betreuen, 54 Prozent stehen auf der Warteliste ihrer Wunscheinrichtung, 33 Prozent haben keinen Platz mit passenden Zeiten gefunden und für 32 Prozent sind die Angebote zu teuer. Die Frage „Was würden Sie brauchen, wenn Sie Ihr Kind komplett selbst betreuen würden?“ beantworteten 69 Prozent mit „Geld“. Aber 54 Prozent erklärten auch, sie bräuchten mehr Kontakt zu anderen Kindern. 53 Prozent der Eltern erklärten, sie würden ihr Kind zu Hause betreuen, wenn sie dafür eine Ausgleichszahlung bekommen würden. Stellt sich die Frage, wie hoch diese Zahlung sein sollte. 40 Prozent der Eltern erklärten, sie würden einen Zuschuss von 600 Euro oder mehr pro Monat erwarten, weitere 18 Prozent wären mit 400 bis 600 Euro einverstanden und elf Prozent sogar mit 200 bis 400 Euro.
Über Ergebnisse soll in Ruhe beraten werden
Lutz-Dietrich Schweizer dankte für die Umfrage und erklärte, er werde zum Inhalt nichts sagen, „obwohl ich glaube, einiges herausgehört zu haben, was ich hören wollte“. Pia Täpsi-Kleinpeter (SPD) hingegen rechnete kurz vor, welche Konsequenz eine Zuschusszahlung für die Stadt hätte: Wenn 120 Familien jeweils 600 Euro pro Monat wollten, um ihr Kind zu Hause zu betreuen, dann wären dies 864000 Euro. Und für jene 66 Prozent aller Eltern, die sich nicht an der Umfrage beteiligt hätten, zählte Täpsi-Kleinpeter nochmals den gleichen Betrag dazu. Folglich müsste die Stadt jedes Jahr über 1,7 Millionen Euro aufwenden. „Wo nehmen wir das Geld her?“, wollte sie wissen. Doch Wüllenweber intervenierte: „Ich verstehe beide Stadträte, dass sie sofort in die Analyse eintreten wollen. Aber wir wollen erst die Ergebnisse in Ruhe beraten und dann die weiteren Schritte vornehmen.“ Der Ausschuss war damit einverstanden.
Von Matthias Nothstein
Der Bedarf an Kinderbetreuung steigt seit Jahren kontinuierlich. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Und die Kosten für die Kommunen sind immens. Könnten Eltern dazu bewogen werden, ihre Kinder nicht in die Betreuung zu schicken, so könnten Städte und Gemeinden Ausgaben in Millionenhöhe einsparen, so die Überlegung von Lutz-Dietrich Schweizer. Dabei spielt das Kostenargument für Schweizer eigentlich gar nicht die wesentliche Rolle. Vielmehr ist er ein Freund des konservativen Familienmodells, wonach Kinder bis drei Jahren am besten in der Familie erzogen werden, Stichwort Mutter-Kind-Bindung. Er weiß aber auch, dass er die Verantwortlichen am ehesten mit Geld locken kann. Deshalb ist es ein Erfolg für ihn, dass tatsächlich der höchste Prozentsatz der Eltern angibt, mit mehr Geld würden sie nach der Geburt eines Kindes länger zu Hause bleiben? Jetzt stellt sich die Frage, ob es unterm Strich für die Stadt nicht günstiger ist, einen solchen Zuschuss zu zahlen, statt ständig neue Kindergärten zu bauen. Andererseits zeigt die Umfrage auch, dass es viele andere Gründe für Eltern gibt, ihre Kinder in die Betreuung zu schicken. Spielkameraden etwa oder einfach der Wunsch, wieder arbeiten zu gehen.
m.nothstein@bkz.de