Bundestagswahlkampf

Umstrittene Reformidee beim Bürgergeld

Der Staat zahlt Milliarden für die Übernahme der Wohnkosten von Bürgergeldempfängern. Union und FDP wollen eine Reform – doch es gibt Widerstand aus den eigenen Reihen.

CDU-Kanzlerkandidat Merz sprach sich für eine Reform bei der Wohnkostenübernahme für Bürgergeldempfänger aus.

© dpa/Kay Nietfeld

CDU-Kanzlerkandidat Merz sprach sich für eine Reform bei der Wohnkostenübernahme für Bürgergeldempfänger aus.

Von Tobias Heimbach

CDU und CSU haben sich im Wahlkampf für eine Reform des Bürgergelds ausgesprochen. Auch die FDP will Veränderungen. Beide haben dabei die Wohnkosten in den Blick genommen, die der Staat für die Bürgergeldempfänger zahlt. Doch dagegen gibt es Widerstand – auch aus den eigenen Reihen. Worum geht es genau? Wer Bürgergeld erhält, dem zahlt das Jobcenter oder das Sozialamt die tatsächlichen Kosten fürs Wohnen und Heizen in einem „angemessenen“ Rahmen, wie es heißt. Das kostet den Staat viel Geld: rund 1,8 Milliarden Euro pro Monat.

Hier will die Union ansetzen. Als Merz in dieser Woche das Wahlprogramm vorstellte, wurde er gefragt, ob er eine Wohnkostenpauschale im Bürgergeld einführen wolle. Merz sprach sich dabei für „eine Pauschalierung der Erstattung“ aus. Das bedeutet: Jeder Bürgergeldempfänger bekommt einen fixen Betrag fürs Wohnen – unabhängig von den tatsächlichen Kosten. Merz begründete den Vorschlag damit, dass Sozialämter in den großen Ballungsräumen Wohnraumkosten von bis zu 20 Euro pro Quadratmeter erstatten müssten. Es müsste dann „andere Wohnraummöglichkeiten außerhalb der Ballungsräume“ geben, sagte Merz weiter.

Auch die CSU findet Gefallen an der Idee. „Eine Pauschalierung der Kosten der Unterkunft wäre sinnvoll“, sagte auch Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe am Mittwoch. Dies sei zwar nicht im Wahlprogramm enthalten, aber man solle das in Absprache mit den Ländern und Kommunen einführen. Doch innerhalb der Union gibt es Kritik an dem Vorhaben. Dennis Radtke, Vorsitzender des Arbeitnehmerflügels der CDU, sagte, eine Pauschalierung der Wohnkosten sei nur für ländliche Regionen denkbar. In Ballungszentren gebe es aber schlicht nicht genug Ausweichmöglichkeiten bei Wohnungen. „In den Großstädten darf es zu keiner sozialen Ausgrenzung durch Sozialhilfe kommen. Wir wollen keine Zustände wie in Paris oder London“, sagte Radtke dieser Redaktion.

Der CDU-Politiker sieht durchaus ein Dilemma darin, dass der Staat viel Geld für immer weiter steigende Mietkosten aufbringen muss. Selbst Sozialverbände bestreiten nicht, dass es die Mieten treibt, wenn der Staat sie bezahlt. Doch Radkte warnt auch vor den möglichen Konsequenzen: „Jobcenter müssen inzwischen sehr hohe Mieten hinnehmen, um bedürftigen Haushalten das Wohnen zu ermöglichen und niemanden in die Obdachlosigkeit zu drängen.“

Der Paritätische Gesamtverband sieht die Idee einer Wohnkostenpauschale ebenfalls kritisch. „Die wohnungspolitischen Versäumnisse der Vergangenheit machen preiswerten Wohnraum knapp, niemand kann einfach in eine andere Wohnung ziehen“, sagte Hauptgeschäftsführer Joachim Rock dieser Redaktion. Leidtragende einer Wohnkosten-Pauschale wären aus seiner Sicht vor allem Familien und ältere Menschen mit geringer Rente.

Auch in Bezug auf das erklärte Ziel, Geld einzusparen, ist er skeptisch: „Ob eine solche Pauschale den Staatskassen Geld spart, ist mehr als fraglich“, sagte Rock. Dies würde eine Fülle von Umzügen erzwingen, aus teuren Ballungs- in günstige Landgebiete. Die Kosten dafür müssten auch übernommen werden.

Rock sieht zudem rechtliche Risiken. „Zum verfassungsrechtlich verbürgten Existenzminimum zählt nicht ohne Grund die Übernahme individuell angemessener Wohnkosten“, sagte er. Rock prognostiziert: „Bei einer Einführung einer solchen Pauschale ist eine Welle von Anfechtungen und Prüfungsverfahren zu erwarten.“

Neben der Union befürwortet auch die FDP die Idee, die Kostenübernahme für das Wohnen zu reformieren. Im Wahlprogramm haben die Liberalen eine „regionale Pauschale für Unterkunftskosten“ verankert.

Doch das, was Union und FDP fordern, ließe sich längst umsetzen. Das Sozialgesetzbuch sieht vor, dass die Bundesländer über die Kommunen eine solche monatliche Pauschale für die Wohnkosten zahlen können. Umgesetzt wird das bislang nicht, auch nicht dort, wo die Union regiert, wie etwa in Bayern. Laut Aussage des Bayrischen Landkreistages hat der Freistaat mit Bezug auf die Wohnkosten „keine Ermächtigung erteilt durch Pauschalen abzurechnen“. Eingeführt wurde diese Änderung übrigens bereits 2011 – in der schwarz-gelben Koalition aus Union und FDP.

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Erstellt:
19. Dezember 2024, 18:24 Uhr

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