Umweltministerin gegen Wiederbelebung von Atomkraft
dpa/lsw Stuttgart. Die EU-Kommission hat viel Unmut für ihre Einstufung von Atomkraft als umweltfreundlich auf sich gezogen. Auch Baden-Württembergs Umweltministerin kann dieser Neudefinition nichts abgewinnen. Als Übergangstechnologie schlägt sie eine andere Energiequelle vor.
Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker hat der Klassifizierung von Atomkraft als klimafreundlich eine deutliche Absage erteilt. „Vor dem Hintergrund der volkswirtschaftlichen Kosten und des Sicherheitsrisikos finde ich es aberwitzig, diese Energie als nachhaltig einzustufen“, sagte die Grünen-Politikerin der „Südwest Presse“, der „Rhein-Neckar-Zeitung“ und den „Badischen Neuesten Nachrichten“ (Mittwoch).
Hintergrund ist, dass die EU-Kommission vorgeschlagen hat, dass Investitionen in neue Atomkraftwerke als grün bezeichnet werden können, wenn sie neuesten Standards entsprechen und ein konkreter Plan für die Lagerung radioaktiver Abfälle bis 2050 vorgelegt wird. Walker betonte, mögliche neue Techniken seien noch nicht ausgereift und bis sie wirkten, werde zu viel Zeit vergehen.
Die auch durch den Kohleausstieg entstehende Versorgungslücke müsse Gas bis zum Übergang auf Wasserstofftechnologie schließen. „Wenn ich jetzt in ein neues Gaskraftwerk investiere, das in den 2030er Jahren auf Wasserstoff umgestellt werden kann, ist das auf jeden Fall eine Investition in die Transformation hin zur klimafreundlichen Energieversorgung“, betonte die Grünen-Politikerin.
Lob für die Ministerin kam von der FDP im Landtag. Ihre von den Liberalen begrüßte Haltung teilten viele andere grüne Politiker in Land, Bund und Europa nicht. Funktionierender Klimaschutz sei Anerkennung von Realitäten, sagte der Klimaschutzexperte der FDP-Fraktion, Daniel Karrais. Gaskraftwerke würden noch lange eine Rolle spielen. Bei der Wirtschaft gebe es einen dringenden Bedarf an Wasserstoff.
Indes forderte die Industrie in Baden-Württemberg beim Thema Wasserstoff mehr Tempo und Klarheit von der Landesregierung. Wichtig sei vor allem, dass der benötigte Wasserstoff auch vorhanden sei, sagte der Sprecher der Task Force Wasserstoff im Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertag (BWIHK), Jan Stefan Roell, der Deutschen Presse-Agentur.
Nach Überzeugung Walkers kann sich Deutschland einen Zick-Zack-Kurs bei der Atomkraft nicht noch einmal leisten. „Wir hatten vor zehn Jahren nicht den ersten Ausstieg, sondern schon den zweiten. Rot-Grün ist ausgestiegen, Schwarz-Gelb wieder ein und dann wieder aus.“ Das habe hohe Entschädigungszahlungen an die Energieversorger zur Folge gehabt. Ihr sei auch kein Energie-Unternehmen bekannt, das etwas anderes anstrebe. Auch die Gesellschaft erwarte, dass die Politik den eingeschlagenen Kurs konsequent umsetze.
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