Umweltministerin sieht Habecks Klimapläne als „Rückenwind“
dpa/lsw Stuttgart. Deutschland ist derzeit weit von seinen Klimazielen entfernt. Deshalb will der Bund die Zügel strammer ziehen und strengere Vorgaben machen. Das könnte Baden-Württemberg entgegenkommen.
Baden-Württembergs Pläne zum Ausbau von Windkraft und Sonnenenergie werden nach Ansicht von Landesumweltministerin Thekla Walker nicht durch die neuen Vorhaben des Bundes zum Klimaschutz gebremst. Im Gegenteil, sagt die Grünen-Ministerin: „Die Pläne des Bundes geben uns Rückenwind. Viele der Punkte, die wir in Baden-Württemberg bereits angegangen haben, finden sich nun endlich auch auf Bundesebene wieder.“ Dazu zähle, das Ziel von zwei Prozent der Landesflächen für die Solar- und Windenergie gesetzlich zu verankern. Auch die Pflicht zur Solarstromerzeugung auf gewerblichen Neubauten und im privaten Neubau sowie die Pläne zur kommunalen Wärmeplanung deckten sich mit den Interessen des Landes, sagte Walker.
Der Bund hätte allerdings schon früher auf Geschwindigkeit setzen und die Maßnahmen konsequent durchsetzen müssen, sagte die Umweltministerin und fügte hinzu. „Es ist gut, dass die neue Bundesregierung das jetzt anpackt.“
Das von Habeck angekündigte Ende der umstrittenen „10-H“-Abstandsregel für Windräder wird ebenfalls von Baden-Württemberg begrüßt - anders als in Bayern. Dort muss ein Windrad mindestens das Zehnfache seiner Höhe von der Wohnbebauung entfernt sein. Es handelt sich um die schärfste Abstandsregelung in Deutschland. In Baden-Württemberg wird dagegen von einem „planerischen Richtwert“ von 700 Metern Abstand ausgegangen. „Wenn die strengen Abstandsregeln fallen, können auch mehr Windenergieanlagen gebaut werden“, sagte ein Sprecher des Umweltministeriums.
Das sieht der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) ähnlich. „Die Abstände zur Wohnbebauung sollten sich am Lärmschutz orientieren“, sagte dessen Landesvorsitzende Sylvia Pilarsky-Grosch der dpa. „Umso mehr Restriktionen und Abstandflächen um Bebauungen oder technische Einrichtungen wie Radar errichtet werden, umso häufiger sind potenziell naturschutzfachlich schützenswerte Gebiete vom Ausbau betroffen.“ Die baden-württembergische Regel beachte die für die Planung angemessenen Lärmschutzabstände.
Auch der Naturschutzbund (Nabu) zeigte sich zufrieden, verwies aber auf die bislang noch vagen Pläne des Bundes und auf die Rolle des Artenschutzes. „Wenn er deutlich mehr und deutlich schneller Windräder bauen will, wird er nicht umhin kommen, gleichzeitig auch in den Schutz windkraftsensibler Arten zu investieren“, sagte der Nabu- Landesvorsitzende Johannes Enssle. Es mangele noch an Aussagen dazu, wie das auch im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung formulierte Artenschutzprogramm aussehen werde und welche Mittel der Bund zur Verfügung stelle.
Habeck hatte am Dienstag gefordert, Deutschland müsse „dreimal besser sein in allen Bereichen“, um seine Klimaziele zu erreichen. Er wolle unter anderem die Akzeptanz für Windräder oder Stromtrassen erhöhen - und zugleich die Bürger in die Pflicht nehmen. Laut Bundeswirtschaftsministerium ist abzusehen, dass die Treibhausgasemissionen 2021 in vielen Sektoren wieder gestiegen sind und die Klimaziele 2022 und 2023 verfehlt werden. Ohne weitreichende Gegenmaßnahmen werde Deutschland auch die Klimaziele 2030 deutlich verfehlen, sagte Habeck. 2030 ist ein wichtiges Etappenziel auf dem Weg zur geplanten Klimaneutralität 2045.
In Baden-Württemberg arbeitet derzeit eine „Task Force“ Vorschläge aus, wie das Land für mehr Flächen für Windkraft- und Solaranlagen sorgen und Genehmigungsverfahren entschlacken kann. Unter anderem sollen Anträge, Gutachten und Stellungnahmen zu Planung und Bau von Windrädern digitalisiert und schneller auf Vollständigkeit überprüft werden. Geplant ist aber auch, neben dem Staatswald Landschaftsschutzgebiete zu öffnen. Angekündigt hat Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) zudem artenschutzrechtliche Ausnahmen, damit trotz Konflikten mit den Tierschützern häufiger Windkraftanlagen gebaut werden könnten.
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