Megalith-Stein gestohlen

Ungewöhnliches Diebesgut aus 5000 Jahre altem Grab

Dass der gewaltige Megalith-Stein an dem Steinzeit-Grab bei Immekath in der Altmark fehlte, fiel auf. Der Dieb ist inzwischen verurteilt. Wie steht es sonst um Raubgräber in Sachsen-Anhalt?

Das Großsteingrab Immekath 1 liegt bei Klötze in der Altmark.

© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Das Großsteingrab Immekath 1 liegt bei Klötze in der Altmark.

Von Markus Brauer/dpa

Nicht nur Gold und wertvolle historische Gebrauchsgegenstände können eine illegale Beute sein. In einem jungen Kriminalfall aus der Altmark war es ein Großstein eines historischen Grabes. Ein rechtskräftig verurteilter Straftäter muss dort einen riesigen Stein des rund 5000 Jahre alten Megalithgrabes Immekath I. bei Klötze im Altmarkkreis Salzwedel zurückgeben.

„Der Diebstahl konnte dem Mann in einem Gerichtsverfahren eindeutig nachgewiesen werden“, sagt der Justiziar beim Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie, Björn Dittrich. „Es ist der erste Fall dieser Art in Sachsen-Anhalt.“ Zudem muss der Verurteilte 6000 Euro wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung zahlen. Das Urteil des Amtsgerichtes Gardelegen fiel am 25. Februar 2025.

Nur wenige Raubgrabungsdelikte erreichen die Polizei

Auch wenn die Beteiligten im Zusammenhang mit dem gestohlenen Großstein aus Immekath nicht von Raubgräbertum sprechen wollen, ähnliche Fälle landen nur selten bei der Polizei. Nach Angaben des Landeskriminalamtes wurden von 2022 bis 2024 insgesamt 19 unterschiedliche Raubgrabungsdelikte zur Anzeige gebracht.

Der schon deutlich länger zurückliegende, aber wohl spektakulärste Fall war die Himmelsscheibe von Nebra. Anfang Juli 1999 wurde die Himmelsscheibe von zwei Raubgräbern mit Metallsonden im Waldboden des Mittelberges bei Nebra im Burgenlandkreis entdeckt und 2002 in der Schweiz sichergestellt.

Brachiale Gewalt am Großsteingrab

Das Grab Immekath I. ist vier Meter lang und 1,5 Meter breit. Der gestohlene Megalith-Stein ist rund 1,25 Meter hoch und 75 Zentimeter breit sowie 500 Kilogramm schwer. Das Hünengrab bestand bis zum Diebstahl im Mai 2024 noch aus vier Standsteinen und einem Deckstein. „Es gibt ein Drohnenbild von 2022 von diesem Grab, da war der Stein noch vorhanden“, erklärt Susanne Friederich, Abteilungsleiterin Bodendenkmalpflege beim Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie.

„Der Dieb hat sich möglicherweise erst an einem Stein versucht, ist daran gescheitert. Bei der Entnahme eines weniger tief im Boden verankerten Steines hat sich der aufliegende Deckstein verschoben und ist in das Grabinnere gerutscht. Dabei wurden die verbliebenen Standsteine in Mitleidenschaft gezogen“, berichtet die Archäologin.

Verurteilter hatte noch mehrere Steine auf seinem Grundstück

Auf dem Grundstück des Verurteilten entdeckten die Ermittler, neben dem beschlagnahmten Stein vom Großsteingrab noch acht weitere, in einem Kreis aufgestellte Steine. Woher die stammen, wurde nicht ermittelt. Schätzungen gehen davon aus, dass derartige Megalith-Steine bis zu 10.000 Euro kosten können. „Auf einer Fotografie von 1890 existierten neben dem einen Deckstein noch sechs Standsteine.

Zwischen 2010 und 2012 sind nachweislich zwei Steine entwendet worden. Bis heute fehlt von ihnen jede Spur“, erklärt Archäologe Dominik Petzold im Zuge der Bestandsaufnahme. „Früher müssen es noch mehr Steine gewesen sein, wahrscheinlich waren es drei Decksteine.“

Einst gab es sechs Großsteingräber

Der Stein von Immekath I. wurde in Zusammenarbeit von Bürgern und Mitgliedern des Vereins der jungen Archäologen aufgespürt. Er wird in den nächsten Tagen wieder in den Wald kommen. Dabei wird es auch eine Nachuntersuchung am Großsteingrab geben. Einst gab es sechs Großsteingräber in Immekath, einem Ortsteil von Klötze. Jetzt sind noch zwei Großsteingräber vorhanden.

Bauern der steinzeitlichen Trichterbecherkultur vor rund 5000 Jahren zogen die Findlinge der letzten Eiszeit mit Ochsengespannen aus dem Boden. „Mit diesen Steinen haben sie ihre großen Gräber errichtet und darin mehrere Tote als Kollektivbestattungen hineingelegt. Ursprünglich war das Großsteingrab mit Erde überhügelt“, erläutert Friederich.

Zur Info: Als Trichterbecher-Kultur wird die erste durch Ackerbau geprägte Kultur des nordischen Frühneolithikums bezeichnet. Sie erstreckte sich in der Zeit zwischen 4000 und 2700 v. Chr. von den Niederlanden bis zur westlichen Ukraine und erhielt ihren Namen wegen der für diese jungsteinzeitliche Epoche charakteristischen Tongefäßform – den Trichterbechern.

Nachnutzer dieser Megalith-Gräber waren häufig vor rund 4000 Jahren die Menschen der Schönfelder Kultur. Insgesamt gibt es in Sachsen-Anhalt noch etwa 150 Megalithgräber.

Nicht einfach ein schicker Stein für den Vorgarten

„Die Beschädigung von Monumenten führt nicht nur zu unermesslichen Verlusten für die Wissenschaft. Sie nimmt den Menschen im Land auch einen Teil ihrer kulturellen Identität und zerstört Anziehungspunkte für den Tourismus“, sagt Landesarchäologe Harald Meller. „Daher gehen wir gegen die Täter mit allen rechtlichen Mitteln vor.“

Häufig seien es engagierte Bürger und ehrenamtliche Mitarbeiter, die entscheidende Hinweise lieferten, so Meller.

Statt Raubgräber ehrenamtliche Mitarbeiter

Um generell Menschen vom Entwenden von archäologisch wertvollen Funden aus dem Boden abzuhalten, bietet das Landesamt zahlreiche Informationsveranstaltungen zum Erhalt der Kulturlandschaft an.

In Sachsen-Anhalt gibt es 350 ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger, einige haben die Erlaubnis, in bestimmten Gebieten mit der Metallsonde zu arbeiten. Denn sobald man im Boden gräbt, handelt es sich um eine Nachforschung und das ist ohne Nachforschungsgenehmigung nicht erlaubt. Rechtlich ist das im Denkmalschutzgesetz von Sachsen-Anhalt geregelt.

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Erstellt:
16. März 2025, 11:02 Uhr

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