Bundesparteitag

Ungewohnte Stimmung bei der Linken: gute Laune und Geschlossenheit

Mit dem Thema soziale Gerechtigkeit und der Hoffnung auf drei Direktmandate geht Die Linke erstaunlich zuversichtlich in den Bundestagswahlkampf.

Mit den Vorsitzenden Ines Schwerdtner und Jan van Aken macht sich Die Linke Hoffnung auf den Wiedereinzug in den Bundestag.

© dpa/Hendrik Schmidt

Mit den Vorsitzenden Ines Schwerdtner und Jan van Aken macht sich Die Linke Hoffnung auf den Wiedereinzug in den Bundestag.

Von Norbert Wallet

Die Linke macht sich bereit für den Bundestagswahlkampf. Letzte formale Station, bevor das Werben um die Wählerstimmen beginnt, war der Bundesparteitag in Berlin an diesem Samstag. Dort wurde das Wahlprogramm verabschiedet, und die Parteiführung nutzte die Gelegenheit, die Delegierten auf die kommenden Wochen einzuschwören. Für die Partei geht es um alles. Im Bundestag zur „Gruppe“ geschmolzen und in den Umfragen unterhalb der Lebenslinie von fünf Prozent, braucht die Partei wieder mal einen neuen Aufbruch. Die Chancen dafür stehen so schlecht nicht. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zur Lage der Linken.

Wie ist die Stimmung in der Partei?

Co-Parteichefin Ines Schwerdtner spricht von einer „atemberaubend guten Stimmung“, und allem Anschein nach ist das mehr als Zweckoptimismus. Es herrscht gute Laune in der Partei. Dafür gibt es mehrere Gründe. Nach dem Austritt des Wagenknecht-Flügels ist das Konfliktpotenzial drastisch reduziert. Tatsächlich gibt es nach dem Bruch mit Wagenknecht eine anhaltende Eintrittswelle in der Partei. Vorwiegend kommen junge Leute mit viel Tatendrang. Die Parteiführung hat ein Konzept entwickelt, die Neulinge im „Haustür-Wahlkampf“ einzusetzen, damit die frische Energie nicht gleich wieder verpufft. Hinzukommt, dass das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ nach sehr beachtlichen Anfangserfolgen im tagespolitischen Treibsand feststeckt. Dagegen macht die Linke in Umfragen kleine, aber merkliche Fortschritte. Eine 5 vor dem Komma will sich noch nicht einstellen, aber ganz weit weg ist dieses Ziel nicht mehr. Dennoch ist die Stimmung noch besser als die Lage.

Mit welcher Strategie geht die Linke in den Wahlkampf?

Das große Zauberwort heißt „Grundmandatsklausel“. Klingt kompliziert. Der Sachverhalt ist aber einfach: Gewinnt eine Partei drei Wahlkreise direkt, zieht sie auch dann entsprechend ihres Wähleranteils in den Bundestag ein, wenn sie unter der 5-Prozent-Marke bleibt. Mit anderen Worten: Holt die Linke die drei Direktmandate, dann ist keine Stimme für die Partei verloren. Die Konsequenz ist klar: Die Partei mobilisiert derzeit alle Kräfte, um die direkten Tickets zu buchen. Darum geht es auch bei der „Aktion Silberlocke“. Die drei Parteigranden Bodo Ramelow, Gregor Gysi und Dietmar Bartsch bewerben sich um Direktmandate und verschaffen der Partei mit einigen gemeinsamen Auftritten eine bemerkbare mediale Präsenz. Vor allem Gysi und Ramelow werden große Chancen auf den Sieg im Wahlkreis eingeräumt. Während Dietmar Bartsch in Rostock sehr zu kämpfen haben wird, ruhen weitere Hoffnungen auf den Dresdner Sören Pellmann und vielleicht auch auf Co-Parteichefin Ines Schwerdtner in ihrem Berlin-Lichtenberger Wahlkreis. Der Rummel um die Silberlocken und das Argument, dass durch die Grundmandatsklausel keine linke Stimme verloren sei, soll aber auch dazu führen, dass die 5-Prozent-Marke doch noch einmal angegriffen werden kann.

Welche Themen stellt die Linke in den Vordergrund?

Die Partei zieht mit wenigen Kernbotschaften in den Wahlkampf. „Am Ende dieses Parteitags werden Sie das Wort Mietendeckel“ nicht mehr hören können, kündigte Parteichef Jan van Aken den Journalisten schon am Morgen an. Tatsächlich ist das Mietenthema für den linken Wahlkampf fundamental. Wohnen sei „die soziale Frage unserer Zeit“, sagt van Aken.

Das zweite zentrale Thema ist die Forderung nach einer Vermögenssteuer. „Es sollte keine Milliardäre geben“, sagt Parteichef van Aken. Grüne und SPD hätten die Forderungen nach einer Vermögenssteuer „immer nur im Wahlkampf im Gepäck, danach nicht mehr“.

Das dritte Argument ist eher strategisch. Die Partei möchte den Wählern klar machen, dass linke Argumente im Bundestag und im gesellschaftlichen Dialog eine Stimme brauchen. Schließlich wolle Friedrich Merz „den Sozialstaat kurz und klein schlagen“, wie es Ines Schwerdtner in ihrer Rede formulierte. Da bräuchten „Arbeitnehmer und arme Menschen eine politische Vertretung. Sonst, fügt Gregor Gysi an, „gibt es im Bundestag nur noch einen Dialog zwischen Mitte und Rechtsaußen“.

Es ist auffallend, dass das Thema Außenpolitik, also vor allem die Ukraine-Frage, nicht im Vordergrund steht. Die Partei drückt sich da nicht weg: Keine Waffenlieferungen. „Mehr Diplomatie, nicht mehr Waffen“, sagt van Aken und fügt hinzu: „Aber ohne Freiheit und Demokratie gibt es auch keinen Frieden. Und diese Überzeugung unterscheidet uns von Interessenvertreter des Kremls in Deutschland.“ Aber aus zahlreichen schmerzvollen Erfahrungen hat Die Linke erkannt, dass sie mit Außenpolitik sicher keine Wahlerfolge erzielen kann.

Wie verändert sich gerade die Machtstruktur in der Linkspartei?

Nach dem Abgang des Wagenknecht-Flügels ist der Dauerzwist zwischen Parteiführung und Fraktionsspitze, der Die Linke jahrelang blockiert hatte, Geschichte. Auch durch die vielen Neueintritte – 13.000 neue Mitglieder allein im vergangenen Jahr – ist die Bedeutung der alten Strömungen und ihre parteiinternen Organisationen drastisch reduziert. Das führt zu einer für Die Linke sehr ungewohnten Geschlossenheit. Die einflussreichste Kraft ist der neue Vorsitzende Jan van Aken. Dagegen sind die drei Silberlocken strategisch wichtig, aber innerparteilich nicht mehr als „Ehrenpräsidenten“.

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Erstellt:
18. Januar 2025, 17:36 Uhr

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