Verteidigung und Infrastruktur
Union und SPD wollen Milliarden-Kredite ermöglichen
Dass große Summen nötig sein würden, war klar. Doch mit ihrer Einigung auf ein Sondervermögen und eine Reform der Schuldenbremse dürften Union und SPD viele überraschen.

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Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der Union und Bundesvorsitzender der CDU, und Lars Klingbeil, Fraktionsvorsitzender der SPD und Bundesvorsitzender.
Von red/dpa
Union und SPD wollen Milliardenkredite für Verteidigung und Infrastruktur ermöglichen. Das kündigten die Verhandlungsteams nach drei Sondierungsrunden am Abend in Berlin an. Zum einen solle die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse für bestimmte Verteidigungsausgaben gelockert werden, sagte CDU-Chef Friedrich Merz. Außerdem solle ein Sondervermögen für die Instandsetzung der Infrastruktur mit 500 Milliarden Euro geschaffen werden.
Beide Beschlüsse sollen wegen der komplizierten Mehrheitsverhältnisse noch vom alten Bundestag getroffen werden. Allein haben Union und SPD auch dort nicht die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Grundgesetzänderung. Sie brauchen daher Stimmen von Grünen oder FDP.
Die Finanzbeschlüsse sind die erste Einigung in den seit Ende vergangener Woche laufenden Sondierungsgesprächen von Union und SPD über eine Regierungsbildung. Die Verhandlungen sollen nun am Donnerstag und Freitag fortgesetzt werden, um weitere Entscheidungen bei den Themen Haushalt, Migration, Wettbewerbsfähigkeit, innere Sicherheit und Migration zu treffen. Ziel sei es, die Beratungen „zeitnah abzuschließen“, sagte Merz.
Merz: „Whatever it takes“ bei der Verteidigung
Die Beschlüsse gelten auch als wichtiges Signal für die Handlungsfähigkeit Deutschlands mit Blick auf den EU-Gipfel am Donnerstag. Dort wird es darum gehen, wie Europa auf den Kurswechsel der USA unter Präsident Donald Trump in der Ukraine-Politik reagieren wird. Am Mittwoch wollen sich die Spitzen von Union und SPD mit dem scheidenden Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) abstimmen, der an dem Gipfel teilnimmt.
„Angesichts der Bedrohungen unserer Freiheit und des Friedens auf unserem Kontinent muss jetzt auch für unsere Verteidigung gelten: whatever it takes“, sagte Merz nach dem Sondierungserfolg. Deshalb sollten diejenigen Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse ausgenommen werden, die über einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen. Das wäre - gerechnet mit dem BIP von 2024 - alles über etwa 43 Milliarden Euro.
Sondervermögen für Infrastruktur soll über zehn Jahre laufen
Das sei aber nur zu verkraften, wenn die Wirtschaft binnen kürzester Zeit wieder auf einen stabilen Wachstumskurs zurückkomme. Dafür müsse die Infrastruktur verbessert werden. „Die notwendigen Mittel dazu können nicht allein aus den laufenden Haushalten des Bundes, der Länder und der Gemeinden finanziert werden“, sagte Merz. Das geplante kreditfinanzierte Sondervermögen solle über zehn Jahre laufen.
Ein Sondervermögen ist ein Topf abseits des Bundeshaushalts, aus dem Maßnahmen mit einem ganz bestimmten Zweck finanziert werden. Wenn man es im Grundgesetz verankert, kann man es dort auch von der Schuldenbremse ausnehmen, die die Kreditaufnahme eigentlich auf einen geringen Betrag beschränkt. Genau das ist laut Merz nun geplant.
Auch Länder sollen mehr Schulden machen können
Außerdem sollen auch die Länder die Möglichkeit bekommen, mehr Schulden zu machen. Ihre Schuldenbremse, die bisher besonders streng ist, soll an die etwas flexiblere Bundesregelung angepasst werden.
Wegen der komplizierten Mehrheitsverhältnisse im neuen Bundestag wollen Union und SPD die nötigen Grundgesetzänderungen noch mit dem alten Bundestag beschließen. Denn im neuen Parlament haben die sogenannten Parteien der Mitte - also Union, SPD und Grüne - keine Zwei-Drittel-Mehrheit mehr. AfD und Linke sind so stark, dass sie eine Änderung des Grundgesetzes blockieren könnten.
Stimmen der Grünen oder der FDP nötig
Ein Beschluss des alten Bundestags ist theoretisch so lange noch möglich, bis das neue Parlament konstituiert ist. Auch hier aber können Union und SPD nicht allein agieren: Für die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit brauchen sie Stimmen entweder der Grünen oder der FDP.
Die FDP hat sich bisher stets gegen eine Reform der Schuldenbremse gestemmt, daher dürften die Verhandler vor allem auf die Grünen setzen.
Klingbeil: „Verschleiß unseres Landes stoppen“
SPD-Chef Lars Klingbeil betonte, dass Deutschland den großen Investitionsstau nun angehen werde. „Eine künftige Regierung muss den Verschleiß unseres Landes stoppen“, sagte er. Die SPD wolle in den weiteren Gesprächen darauf drängen, dass Familien entlastet werden, dass die Renten stabil sind und es ein gerechtes Steuersystem gebe. Ganz vorne aber stehe ein gemeinsames Verständnis für die Größe und die Bedeutung der Aufgabe, sagte der SPD-Chef mit Blick auf die Einigung in Finanzfragen.
Söder spricht von „Deutschlandpaket“
CSU-Chef Markus Söder sprach von einem großen „Deutschlandpaket“ und einem Signal an Freunde und Feinde. Ernste Zeiten erforderten sehr ernsthafte Maßnahmen.
FDP nennt Einigung von Union und SPD „verantwortungslos“
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr hat die Einigung bei den Sondierungsgesprächen von Union und SPD kritisiert. „Schulden für alles Mögliche zulasten der Menschen in Deutschland sind aus meiner Sicht verantwortungslos“, sagt Dürr der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Dass die Bundeswehr gestärkt werden müsse, stehe außer Frage, „aber diese Vorschläge stellen nicht die Verteidigungsfähigkeit ins Zentrum, sondern eine Koalition, die ihre Gemeinsamkeiten auf unendlichen Schulden aufbaut“, so Dürr. Er sagte weiter: „Die Union bricht damit ein zentrales Wahlversprechen.“
Grüne wollen sich Finanzpaket „in Ruhe anschauen“
Die Grünen-Bundestagsfraktion reagiert zurückhaltend auf die Einigung zwischen Union und SPD auf ein Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur. „Wir werden uns die Vorschläge nun in Ruhe anschauen“, kündigte Fraktionschefin Britta Haßelmann an.
Die beiden Parteichefs Friedrich Merz (CDU) und Markus Söder (CSU) hätten bei ihrem Auftritt „keinen Funken Demut gezeigt“, stellte Haßelmann fest. „Schließlich haben sie den Wählern wochenlang das Gegenteil von dem versprochen, was sie jetzt machen. Was Union und SPD der Öffentlichkeit auch vorenthalten haben: Für alles, was sie vorschlagen, brauchen sie Dritte im Parlament.“