Heizungsausfälle in der Backnanger Zeltunterkunft

Im Oktober musste der Landkreis auf die Notunterkunft neben dem Beruflichen Schulzentrum in Backnang zurückgreifen. Derzeit leben dort 130 geflüchtete Personen. Sie klagen unter anderem über Heizungsausfälle, die die Kreisverwaltung inzwischen aber gelöst haben will.

Zwei Bewohner in ihrem Schlafraum in der Zeltunterkunft in Backnang: Um die kalte Luft draußen zu halten, haben sie ein Bettlaken zwischen die Decke und die Seitenwände gesteckt. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Zwei Bewohner in ihrem Schlafraum in der Zeltunterkunft in Backnang: Um die kalte Luft draußen zu halten, haben sie ein Bettlaken zwischen die Decke und die Seitenwände gesteckt. Foto: Alexander Becher

Von Anja La Roche

Backnang. Das Wetter ist ungemütlich geworden – ungemütlich jedenfalls, wenn man keine schützenden vier Wände um sich hat. Der Kälteeinbruch bedeutet für die Geflüchteten in der Backnanger Zeltunterkunft, in noch widrigeren Umständen leben zu müssen. Im Oktober sind dort erstmals Personen eingezogen. „Ich will nicht im Kalten leben, ich bin krank“, sagt Omar. Er teilt sich mit drei weiteren Männern einen Schlafraum. Heute sei die Temperatur in Ordnung, sagt der 36-jährige Mann aus Syrien, aber vor einer Woche sei es problematisch gewesen. Solche Rückmeldungen von den Männern, Frauen und Kindern haben den Unabhängigen Freundeskreis Asyl aus Murrhardt dazu veranlasst, einen Spendenaufruf zu starten, gemeinsam mit weiteren Vereinen. Ziel ist es, die Bewohner mit Schlafsäcken auszustatten. „Wir werden überwältigt von den Bitten der Leute“, sagt Peter Hauck vom Unabhängigen Freundeskreis. Was läuft schief in der Zeltunterkunft in Backnang, die vom Rems-Murr-Kreis betrieben wird?

Dazu äußert sich der Erste Landesbeamte und stellvertretende Landrat Peter Zaar: Als die Temperaturen gesunken sind, seien die Öltanks der Heizungen schneller leer gegangen, als gedacht – nämlich bereits nach etwa anderthalb Tagen. „Dadurch hatten wir immer wieder Heizungsausfälle“, erklärt Zaar. Die drei Wohnzelte, von denen derzeit zwei in Betrieb sind, sind mit jeweils zwei Heizungen bestückt. Inzwischen wurden alle Öltanks der Heizungen durch drei Mal so große Exemplare ersetzt. Bis das Öl ausgeht, bleibt also mehr Zeit. „Das ist die erste Zeltunterkunft, die wir im Kreis haben, und wir lernen dazu“, sagt Zaar.

Er führt das Problem aber in erster Linie nicht auf zu kleine Öltanks zurück, sondern auf das Verhalten der Bewohner und Bewohnerinnen. Diese würden oftmals die Türe am Zelteingang offen stehen lassen und die Heizungen zugleich auf voller Leistung laufen lassen. „Was wir unterschätzt haben ist, dass die Heizungen von jedem einstellbar sind“, sagt Zaar. Die Sozialarbeiter würden sich nun bemühen, die derzeit 130 Bewohner in Sachen Heizen aufzuklären.

Eine Heizung ist kaputt gegangen, eine Lösung gab es erst am späten Abend

Die längste Zeit fiel die Heizung aber aus einem anderen Grund aus: Am Mittwoch vergangene Woche wurde gegen 9 Uhr der Reparaturdienst informiert, weil eine der Anlagen kaputt gegangen ist. Als sich herausgestellt hat, dass diese nicht so schnell zu reparieren ist, kamen die Verantwortlichen von der Kreisverwaltung auf die Idee, eine der funktionierenden Heizungen vom dritten, noch unbelegten Wohnzelt zu nehmen. Erst um 22 Uhr ging diese Heizung in Betrieb. „Auf die leichten Lösungen kommt man manchmal nur schwer“, kommentiert Zaar, warum das so lang gedauert hat.

Für Peter Hauck ist das ein Unding: „Zu dieser Zeit hatte es zehn Grad Celsius im Zelt“, sagt er. Die Bewohner hätten trotz Nachfrage keine zweite Decke erhalten, darunter sind auch kranke Menschen. Diese Bitten nach einer zweiten Decke seien auch angekommen, erwidert der stellvertretende Landrat. Doch als das Zelt wieder beheizt werden konnte, habe man keine Notwendigkeit mehr für weitere Decken gesehen. „Wir sind davon ausgegangen, dass es warm genug ist, wenn die Heizung wieder auf Volllast läuft“, sagt Rojda Firat, eine Pressesprecherin vom Landratsamt. Falls dies nicht der Fall sei, spreche jedoch nichts dagegen, den Bewohnern eine zweite Decke zu geben. Davon gehen die beiden Mitarbeiter der Kreisverwaltung allerdings nicht aus. Sie präsentieren eine Temperaturkurve von einem der Wohnzelte: In den vergangenen Tagen lag die Temperatur nie unter 20 Grad Celsius, im Durchschnitt lag sie teilweise sogar über 24 Grad Celsius.

Bewohner versuchen, die kalte Luft mit Stoffen oder Kartons draußen zu halten

Nicht außer Acht gelassen werden sollten dabei allerdings die besonderen Gegebenheiten, die das Zelt mit sich bringt: Die einzelnen „Räume“ sind nach oben hin offen. Dadurch und weil zwischen den Zeltteilen an den Außenwänden Lücken bestehen, ist es zugig. Die Bewohner versuchen, die kalte Luft aus ihren Schlafräumen zu halten, indem sie Stoffe oder Karton in die Lücken an den Außenwänden stopfen.

Als „sehr schlecht“ bezeichnet eine Frau aus der Türkei die Situation, die mit zwei Kindern und ihrem Mann in der Zeltunterkunft untergebracht ist. Sie bemängelt neben den Heizungsausfällen auch, dass die Sanitäranlagen und die Küchenzelte draußen im Kalten sind und dass es keine Spielmöglichkeiten für Kinder gebe. „Die Leute schreiben mir, sie werden nervös, weil sie ihre Kinder nicht beschäftigt bekommen“, sagt auch Peter Hauck. Die Eltern können zwar theoretisch die Gemeinschaftszelte nutzen, um ihre Kinder zu beschäftigen, doch das ist laut dem Murrhardter nicht ausreichend. Vielmehr brauche es ein organisiertes Angebot für die Kinder.

Für kranke Menschen ist die Situation besonders schwer

Die Liste an Problemen in der Notunterkunft geht weiter. Einige Bewohner klagen darüber, keinen Arzttermin zu erhalten. Frauen müssen nachts alleine den Weg zu den Sanitäranlagen zurücklegen, um auf Toilette zu gehen. Der Boden ist kalt, die Privatsphäre fehlt. Hauck bemängelt besonders, dass auch Menschen mit Schutzbedarf wie allein reisende Frauen und kranke Personen in der Zeltunterkunft untergebracht werden, darunter eine Frau mit Nierenerkrankung. „Wo bleibt da die Menschlichkeit“, fragt er.

Auf diesen Vorwurf antwortet Peter Zaar: Der Landkreis bekomme bei der Zuweisung von Geflüchteten nicht die Krankheitsgeschichte der einzelnen Personen vorgelegt. Wenn sich aber ein dringender Bedarf für ärztliche Versorgung herausstelle, würden die betroffenen Personen diese auch erhalten. In der Zeltunterkunft sei das aktuell bei vier Leuten der Fall. Zudem würden solche Personen priorisiert, wenn es um eine Versetzung geht.

Oberste Priorität: schnell reguläre Unterbringungen ausbauen

Grundsätzlich hat es laut Peter Zaar die oberste Priorität, reguläre Unterbringungen auszubauen, um die geflüchteten Menschen besser unterzubringen. Die Zelte seien eine Notlösung infolge der stark gestiegenen Flüchtlingszahlen. Zwei Familien konnten seit Oktober bereits woanders untergebracht werden, am heutigen Tag sollen zwei weitere folgen.

Der Erste Landesbeamte geht davon aus, dass sich die Lage in den folgenden Wochen etwas entspannen wird und die Zeltunterkunft bestenfalls nach und nach geleert werden kann. „Spätestens im Januar 2024 macht eine reguläre Flüchtlingsunterkunft in Backnang auf“, sagt er und meint die Containerunterkunft in der Öhringer Straße. Eine weitere ist zudem im Kuchengrund geplant. Um eine zu große Fluktuation und damit Unruhe in der Zeltunterkunft zu vermeiden, will das Landratsamt für solche Unterkünfte aber erst mal andere Personen priorisieren.

Ehrenamtliche Helfer gesucht

Sprachkurse Der Arbeitskreis Asyl Backnang will Sprachkurse für die Bewohner in der Zeltunterkunft anbieten. Weil so viele der Bewohner bereits Interesse bekundet haben, ist der Arbeitskreis auf der Suche nach weiteren ehrenamtlichen Helfern, die Lust haben, die deutsche Sprache zu vermitteln. Vorkenntnisse sind keine nötig, das Material stellt der AK zur Verfügung. Interessierte Personen können sich an info@ak-asyl-backnang.de oder an 07191/69124 wenden. Auch wer sich anderweitig ehrenamtlich für die Geflüchteten in Backnang einsetzen möchte, kann sich dort melden.

Fehlende Räume Um Sprachkurse oder andere Aktionen anbieten zu können, wünscht sich der AK Asyl Backnang einen festen Ort in der Stadt. „Ein zentraler Ort für die Flüchtlinge und Helfer fehlt in Backnang“, sagt Bärbel Baade im Namen des AKs.

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Erstellt:
29. November 2023, 06:00 Uhr

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