Unverpacktladen in Backnang schließt
Nach etwas mehr als zwei Jahren zieht Inhaber Stefan Krämer den Schlussstrich. Die Coronapandemie mit ihren Lockdowns sowie die Auswirkungen des Ukrainekriegs haben seine Umsätze schwinden lassen.
Von Lorena Greppo
Backnang. Nur noch vereinzelt stehen Artikel auf den Regalen, manche Schüttbehälter sind ganz leer, andere beinhalten noch einen kleinen Rest des Produkts. Im Krämerladen Unverpackt findet ein Ausverkauf statt; spätestens Ende August schließt das Geschäft. Betreiber Stefan Krämer hat keine Ware mehr nachbestellt, verkauft wird nur noch, was er auf Lager hat, inklusive der Vorratsdosen, Zangen und Schäufelchen. Für die großen Lebensmittelspender sowie deren Anbringung sei es schwierig, Abnehmer zu finden, erklärt er. „Die gibt es zur Zeit wie Sand am Meer.“ Der Grund: Viele Unverpacktläden schließen. Nach einer schwierigen Zeit durch die Coronapandemie setzen ihnen nun die hohen Preise zu. Die Kunden, erklärt Krämer, müssen mehr auf den eigenen Geldbeutel schauen. Da gehen viele eher zum Discounter. Anfangs hat Krämer die Entwicklung noch abzufangen versucht, indem er einen Nebenjob annahm und dafür am vergleichsweise umsatzschwachen Montag den Laden schloss. Doch es half nichts. Inzwischen hat der Backnanger Insolvenz angemeldet.
Einsatz mit Herzblut
So lange wie möglich hat Stefan Krämer diesen Schritt herausgezögert, immer in der Hoffnung, dass es vielleicht doch noch irgendwie weitergeht. „Der Steuerberater hat gesagt, es ist ihm ein Rätsel, warum ich nicht längst zugemacht hab“, berichtet der Backnanger. Doch ihm sei es nicht nur um die Zahlen gegangen, „ich habe das mit Herzblut gemacht“. Ihm sei es wichtig gewesen, etwas für den Umweltschutz zu tun. Die meisten Produkte, die der Krämerladen Unverpackt führte, kommen aus der Region, viele sind zudem biozertifiziert und aus Fair-Trade-Herstellung.
Unter anderem Umstände hätte es womöglich geklappt
Besonders bitter ist der Umstand, dass die Geschäftsidee womöglich aufgegangen wäre, wären die Umstände andere gewesen. Geöffnet hat Stefan Krämer sein Geschäft im Mai 2020. Finanzielle Unterstützung hatte er zuvor unter anderem durch eine Crowdfunding-Kampagne erhalten. Die Coronapandemie mit ihren Auswirkungen hat ihm also von Beginn an zu schaffen gemacht. Als die Zeit der Lockdowns dann zu Ende war, habe er gedacht: Jetzt geht es wieder ein bisschen vorwärts. „Die Zahlen waren so, dass es gerade gereicht hat“, berichtet er. Zu diesen Zeitpunkt lag der Umsatz bei etwa 50 bis 60 Prozent des Planziels. Dieses sei aber bewusst recht hoch angesetzt worden, führt er aus. Im Dezember hätte seine Kundschaft vermehrt Waren sowie Gutscheine gekauft – Krämer schöpfte Hoffnung. Für das Frühjahr habe er verschiedene Aktionen geplant, erzählt er. Doch es war wie verhext, mit dem Kriegsbeginn in der Ukraine kamen erneut schwere Zeiten auf ihn zu. Im Mai suchte er dann das Gespräch mit dem Steuerberater sowie einem Anwalt. Letzterer riet zur Insolvenzanmeldung.
Nun sucht Krämer nach einem Job
Mittlerweile, sagt Stefan Krämer, habe er die Tatsache verarbeitet, dass es mit seinem Unverpacktladen nichts mehr wird. Er schätzt die Situation realistisch ein: „Mir war klar: Bevor ich privat unter die Räder komme, muss ich schauen, dass ich aus der Sache rauskomme.“ Denn da er sein Geschäft als Einzelfirma geführt hat, trifft ihn die Insolvenz wohl auch privat. Momentan habe er gut damit zu tun, alles abzuwickeln. Ursprünglich sei es sein Plan gewesen, das Geschäft etwa zehn Jahre zu führen und dann in jüngere Hände zu übergeben, erzählt Krämer. Dann, mit Mitte 60, hätte er ein Wohnmobil gekauft, um durch Europa zu reisen. Stattdessen sucht der Backnanger nun nach einer Festanstellung als kaufmännischer Sachbearbeiter.
Das Weissacher Teekesselchen sucht nun nach neuen Möglichkeiten
Die Schließung des Krämerladens Unverpackt hat auch für das Weissacher Teekesselchen Auswirkungen. Bislang hat dessen Betreiberin Silke Müller-Zimmermann Woche für Woche bedarfsgerecht bei Krämer eingekauft, um auch in ihrem Laden in einem speziellen Regal unverpackte Waren anbieten zu können. Das fällt nun weg. „Es ist richtig traurig“, sagt Müller-Zimmermann über die Entwicklung. Sie habe sich jeden Dienstag mit Stefan Krämer ausgetauscht, war also auf dem Laufenden, was den fehlenden Umsatz angeht. „Die Prioritäten sind total verschoben“, hat sie festgestellt. Den meisten Menschen gehe es nur darum, günstig einzukaufen. Klimaschutz fänden die Leute im Prinzip zwar gut, die meisten seien aber nicht bereit dazu, diesen im Alltag umzusetzen. Das merke sie auch beim Projekt Prima Klima des Vereins „Weissach Klimaschutz konkret“.
Im Teekesselchen sei das Unverpackt-Angebot, welches Anfang des Jahres eingerichtet wurde, zwar erst einmal schleppend angelaufen. „Inzwischen habe ich aber einige Stammkunden angefixt“, verrät Müller-Zimmermann. Insofern wolle sie das Angebot auch nicht einfach aufgeben. „Ich suche nach neuen Möglichkeiten“, gibt sie Auskunft. Schwierig sei das deshalb, weil sie keine großen Mengen verarbeiten könne. Einen Unverpacktladen als Zwischenhändler zu haben sei die perfekte Lösung gewesen. Immerhin: Regionale Produkte kann Silke Müller-Zimmermann ihren Kundinnen und Kunden weiterhin bieten. Sie arbeite darüber hinaus auch mit Anbietern aus der Umgebung zusammen, von denen sie allerlei Waren bezieht.
Entwicklung Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 13 Unverpacktläden haben 2021 geschlossen, 2022 waren es allein bis März 14 Läden in ganz Deutschland. Das habe der Bundesverband in seinem Newsletter mitgeteilt, berichtet Stefan Krämer . Zwar sei dies zum Teil auch darauf zurückzuführen, dass in den Jahren zuvor eine Vielzahl an Unverpacktläden geöffnet haben, so Krämer, die nicht alle ein durchdachtes Konzept hatten. Der Bundesverband verzeichnet daher seit 2019 steigende Mitgliederzahlen. Doch die Schließungswelle treffe auch einige renommierte Läden, die sich bereits mehrere Jahre gehalten haben.
Beispiel Ein berühmtes Beispiel für diese Entwicklung der Branche ist der Berliner Ökohändler Original Unverpackt. Die Geschäftsführerin Milena Glimbovski, welche sich unter anderem als Buchautorin und Zero-Waste-Aktivistin einen Namen gemacht hat, hat den Laden 2014 eröffnet. 2018 wurde sie für ihre Initiative als Berliner Unternehmerin des Jahres ausgezeichnet. Wie der Rundfunk Berlin-Brandenburg kürzlich berichtete, ist nun auch dieser Unverpacktladen in finanzielle Schwierigkeiten geraten, hat Insolvenz angemeldet und sucht derzeit nach einem Käufer oder Investoren. Auch hier werden als Gründe die Coronapandemie sowie die Auswirkungen des Ukrainekriegs angeführt.