Ein „Tick mehr Gleichberechtigung“ für Männerbastion
dpa Memmingen. Männer dürfen sich „Fischerkönig“ nennen. Frauen nur als „Kübelmädle“ die gefangenen Fischen bewachen. Nun fällt zum Memminger Fischertag ein wichtiges Urteil. Das könnte Folgen für Männer-Traditionen in anderen Vereinen haben.

Männer stehen beim Ausfischen mit ihren Keschern, den sogenannten Bären, im Stadtbach. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa/Archivbild
Seit Jahrhunderten dürfen Frauen nicht beim Ausfischen mitmachen - jetzt soll auch beim traditionellen Memminger Fischertag die Gleichberechtigung Einzug erhalten. Der Ausschluss von Frauen aus der Gruppe der Stadtbachfischer durch den veranstaltenden Verein sei eine unzulässige Diskriminierung, urteilte das Amtsgericht in Memmingen am Montag. Geklagt hatte ein weibliches Mitglied. Ob der Verein das Urteil akzeptiert, ist allerdings fraglich. Es ist noch nicht rechtskräftig (Az. 21C952/19).
Zum Fischertag kommen jedes Jahr Zehntausende Besucher in die Stadt im Allgäu. Hunderte Männer springen dabei in den Stadtbach, um mit Keschern den schwersten Fisch zu fangen und „Fischerkönig“ zu werden. Teilnehmen dürfen laut Satzung des Fischertagsvereins aber nur Männer und Jungen ab sechs Jahren, die seit mindestens fünf Jahren in Memmingen wohnen und eine Prüfung ablegen. Frauen blieb die Rolle vorbehalten, als „Kübelmädle“ am Rand Wasserkübel für die gefangenen Fische zu bewachen.
Sollte das Urteil Rechtskraft erlangen, könnte es auch über Memmingen hinaus Folgen haben. Richterin Katharina Erdt betonte, eine männliche Tradition allein sei bei einer Veranstaltung mit herausragender Bedeutung kein zulässiger Grund für Diskriminierung. Der Fischertagsverein mit rund 4500 Mitgliedern habe eine besondere soziale Machtstellung in der Stadt und müsse sich an den Grundsatz der Gleichbehandlung im Grundgesetz halten.
Damit folgte das Amtsgericht der Argumentation der Klägerin. Das Urteil habe eine grundsätzliche Bedeutung, betonte deren Anwältin Susann Bräcklein. Vereine seien damit ans Diskriminierungsverbot im Grundgesetz gebunden. „Wir hoffen auf eine Ausstrahlungswirkung auf andere Vereine und gesellschaftliche Bereiche“, sagte Bräcklein. „Der Weg war sehr lang, der Widerstand sehr groß.“
Die Klägerin aus Memmingen hatte vor dem Prozess zweimal beantragt, durch eine Änderung der Vereinssatzung auch Frauen die Teilnahme am Stadtbachfischen zu ermöglichen. Beide Male stimmte eine große Mehrheit der Delegiertenversammlung dagegen. Das Urteil des Amtsgerichts bedeute „einen Tick mehr Gleichberechtigung“, sagte die Klägerin nach der Verkündung. Sie freue sich, dass ihr Verein damit im 21. Jahrhundert ankomme.
Der Fischertagsverein hatte den Ausschluss von Frauen vom Höhepunkt des Volksfests mit der Wahrung eines jahrhundertealten Brauchtums begründet und sich auf die Vereinsfreiheit berufen. Das Ausfischen des Stadtbachs sei stets Männern vorbehalten gewesen, Frauen könnten sich in jeder anderen Untergruppe des Vereins engagieren.
„Wir sind über das Urteil verwundert“, sagte Vereinsvorsitzender Michael Ruppert nun. „Die Autonomie von Vereinen sehen wir dadurch deutlich eingeschränkt.“ Über das weitere Vorgehen wolle man nach der schriftlichen Urteilsbegründung in den Vereinsgremien entscheiden. „Das Thema wurde in den vergangenen Jahren in Memmingen emotional diskutiert und hat die Menschen in der Stadt gespalten“, sagte Memmingens Oberbürgermeister Manfred Schilder (CSU). Zumindest er ist überzeugt: „Glücklicherweise ist diese Diskussion nun beendet.“