Prozess um Scheinbeschäftigung von EU-Assistenten

Urteil könnte Le Pen die Wahl kosten

Rechtspopulistin Marine Le Pen hätte gute Chancen, 2027 Frankreichs Präsidentin zu werden. Am Montag könnte sie ein Prozess auf diesem Weg stoppen.

Wird Marine Le Pen verurteilt, würde sie das wohl fünf Jahre lang für ein politisches Amt blockieren.

© AFP/GEOFFROY VAN DER HASSELT

Wird Marine Le Pen verurteilt, würde sie das wohl fünf Jahre lang für ein politisches Amt blockieren.

Von Stefan Brändle

Die französische Justiz hatte in letzter Zeit mehrere spektakuläre Prozesse zu meistern – mit Starschauspieler Gérard Depardieu etwa, mit Expräsident Nicolas Sarkozy oder dem Missbrauchsopfer Gisèle Pelicot. Kein Gerichtsfall Prozess dürfte aber so massive Folgen haben wie eine Veruntreuungsaffäre gegen die rechtsextreme Partei Front National. Politische Folgen, wohlgemerkt: Das für Montag angesagte Urteil könnte darüber befinden, ob die Rechtspopulistin und Putin-Versteherin Marine Le Pen, 58, in den Elysée-Palast einziehen kann.

Mutmaßliche Scheinbeschäftigung: Brüssel zahlt, Paris profitiert?

Kern der Affäre ist eine Unsitte der französischen Politik, die schon einigen Parteien happige Strafen eingebrockt hat. Der Trick besteht darin, vom gut bestallten Europaparlament in Straßburg Saläre für fiktive „Parlamentsassistenten“ zu beziehen, die in Wahrheit für die Pariser Parteizentralen tätig sind. Die Mittepartei Modem des heutigen Premierministers François Bayrou wurde dafür 2024 verurteilt. Bayrou selbst ging aus Mangel an Beweisen straflos aus.

Beim Front National fand die Pariser Staatsanwaltschaft klare Belege für die Veruntreuung durch ein „organisiertes und zentralisiertes“ System. Zentralisiert hieß aber, dass die Fäden bei Parteichefin Marine Le Pen zusammenliefen. Ihr droht deshalb eine mehrjährige, wahrscheinlich bedingte Haftstrafe. Gravierender: Ein neueres Gesetz gegen die politische Korruption sieht bei einer solchen Sanktion automatisch Unwählbarkeit von normalerweise fünf Jahren vor. Und selbst wenn Le Pen gegen das Urteil in Berufung gehen würde, hätte dies keine aufschiebende Wirkung. Mit der Folge, dass Le Pen bei den Präsidentschaftswahlen 2027 nicht antreten könnte.

In den Umfragen liegt Le Pen vorne

Die Favoritin fiele damit aus. Le Pen hat sich in den drei vergangenen Präsidentschaftswahlen 2012, 2017 und 2022 von weniger als 20 Prozent auf 41,5 Prozent verbessert. Und da Amtsinhaber Emmanuel Macron nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten kann, hat Le Pen in den Umfragen die Nase vorn. Im März lag Le Pen laut dem Institut BVA erstmals vor allen anderen potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten.

Die Parteigründerin des Rassemblement National (RN) – das bis 2018 Front National hieß – präsentiert sich angesichts der erwarteten Verurteilung seit Monaten als Opfer des „Establishments“. Das „System“ zensuriere das Volk, behauptet sie.

Hilfe könnte sie allerdings ausgerechnet von der Justiz erhalten. So jedenfalls wird ein Vorgänger-Urteil von Freitag gedeutet: Im Fall eines Lokalpolitikers des Überseegebietes Mayotte an der ostafrikanischen Küste hat das französische Verfassungsgericht zwar seine Strafe bestätigt; es befand aber zugleich, dass die angeordnete Unwählbarkeit „verhältnismäßig“ sein und „die Wahlfreiheit der Bürger schützen“ müsse. Die Lepenisten sehen darin einen Wink mit dem Zaunpfahl, dass ihre Kandidatin nicht für unwählbar erklärt werden dürfe. Einige Millionen Wähler würden sich verraten fühlen, wenn ihre Kandidatin nicht zur Wahl zugelassen wird.

Le Pen würde politischen Kurs grundlegend ändern

Wie das Pariser Strafgericht Le Pen am Montag entscheiden wird, ist schwer zu sagen. Der Druck ist jedenfalls gewaltig: Vom Entscheid der drei Richter hängt die politische Zukunft Frankreichs, vielleicht sogar Europas ab. Eine zur Wahl zugelassene und gewählte Präsidentin Le Pen würde Macrons pro-europäischen und pro-ukrainischen Kurs radikal ändern. Sie will zwar nicht mehr aus der EU oder dem Euro aussteigen, aber das nationale über europäisches Recht stellen. Die EU sähe sich nicht mehr nur von außen durch Nationalisten wie Donald Trump oder Wladimir Putin bedroht, sondern von innen durch eines ihrer dominantesten Mitgliedstaaten.

Und falls Le Pen für unwählbar erklärt wird? Die Rechte würde vehement die „Demokratieverweigerung“ anprangern und sich zu rächen suchen – zum Beispiel, indem sie im Parlament mit der Linken die Regierung Bayrou stürzt. Neuwahlen würden nötig. Dann könnte Le Pen ihren aufstrebenden Sekundanten Jordan Bardella (29) in die Arena schicken. Klar ist nur: Im wirtschaftlich angeschlagenen Frankreich wird auch politisch nicht so schnell Ruhe einkehren.

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Erstellt:
30. März 2025, 12:00 Uhr
Aktualisiert:
1. April 2025, 10:24 Uhr

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