Prozess
Prozess gegen Alec Baldwin eingestellt - Tränen im Gericht
Tränen der Erleichterung im Gericht von Santa Fe - Alec Baldwin ist ein freier Mann. Das Verfahren gegen den Schauspieler wegen fahrlässiger Tötung wurde überraschend eingestellt.
Von Von Barbara Munker, dpa
Santa Fe - Das Prozessdrama um den Todesschuss beim Dreh des Westerns "Rust" nimmt ein überraschendes Ende - im Gericht von Santa Fe (New Mexico) kommt es dabei zu emotionalen Szenen. Der wegen fahrlässiger Tötung angeklagte Schauspieler Alec Baldwin bricht in Tränen aus, als die Richterin in dem Prozess einen Schlussstrich zieht. Auf Antrag von Baldwins Verteidigern stellt Richterin Mary Marlowe Sommer am Freitag (Ortszeit) das Verfahren gegen den Hollywood-Star ein.
Die Verteidiger hatten der Staatsanwaltschaft die Vorenthaltung von Beweismitteln und damit grobes Fehlverhalten vorgeworfen. Mit ernster Miene stimmte die Richterin nach einem juristischen Hin und Her im Gerichtssaal zu. Die späte Entdeckung dieser Beweismittel würde die "grundsätzliche Fairness" des Verfahrens beeinflussen, sagte Sommer. Es gebe keine Möglichkeit für das Gericht, dieses Versäumnis richtigzustellen, fuhr sie fort. Die Einstellung des Verfahrens sei der einzige Rechtsbehelf.
Baldwin bricht in Tränen aus
Baldwin hört den Ausführungen der Richterin mit Tränen in den Augen zu. Er nimmt die Brille ab, hält sich sichtlich überwältigt und erleichtert eine Hand vor die Augen. Der Schauspieler bricht in Tränen aus, umarmt gerührt seine Anwälte, dann fällt er seiner Ehefrau, Hilaria Baldwin, in die Arme. Im Fall einer Verurteilung hätten dem achtfachen Familienvater bis zu 18 Monate Haft gedroht.
Später meldet sich Baldwin bei Instagram zu Wort: "Es gibt zu viele Menschen, die mich unterstützt haben, denen ich jetzt danken muss. Allen sage ich, dass ihr niemals wissen werdet, wie sehr ich eure Freundlichkeit meiner Familie gegenüber schätze."
In dem Prozess ging es um die Frage, ob der 66-jährige Schauspieler bei dem tödlichen Schuss auf eine Kamerafrau am Filmset des Westerns "Rust" 2021 fahrlässig gehandelt habe und deshalb ins Gefängnis müsse. Hauptdarsteller Baldwin hatte bei Proben einen Revolver gezückt, wie vom Regisseur verlangt. Doch statt harmloser Platzpatronen löste sich scharfe Munition. Eine Kugel traf Kamerafrau Halyna Hutchins (42) und verletzte sie tödlich.
Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft
Baldwins Verteidiger machten nun geltend, dass ihnen die Staatsanwaltschaft wichtige Beweismittel vorenthalten habe. Es geht um eine Reihe von Patronenkugeln, die vor wenigen Monaten aufgetaucht waren und die am Freitag in einem Umschlag von der Richterin vor Gericht präsentiert wurden. Aus Sicht der Verteidiger hätte diese Munition früher in ballistischen Untersuchungen Teil des Verfahrens sein müssen – die Staatsanwaltschaft habe sie aber unterschlagen, argumentierten Baldwins Anwälte.
Viele offene Fragen
Die Frage, woher die scharfe Munition stammte, ist bis heute nicht vollständig geklärt. Im Frühjahr stand bereits die junge Waffenmeisterin Hannah Gutierrez-Reed in Santa Fe vor Gericht. Sie war bei dem Dreh für Sicherheit beim Umgang mit Waffen verantwortlich. Neben Platzpatronen und sogenannten Dummy-Patronen fanden die Ermittler sechs echte Patronen. Eine davon wurde beim Laden in die Revolvertrommel eingelegt. Die Anklage hielt Gutierrez-Reed vor, Sicherheitsvorkehrungen missachtet und die Munition nicht geprüft zu haben. Die Jury sprach die Frau im März wegen fahrlässiger Tötung schuldig. Richterin Sommer verhängte die Höchststrafe - 18 Monate Haft.
Ein früherer Polizist hatte die nun vor Gericht gezeigte scharfe Munition im März bei den Ermittlern in Santa Fe abgegeben. Die Haupt-Strafverfolgerin, Kari T. Morrissey, entschied aber, dass diese nichts mit dem Fall zu tun hatte, weil sie sich aus ihrer Sicht zu sehr von den Kugeln am "Rust"-Set unterschied. Die Richterin stellte das nun in Frage. Zudem rügte sie Morrissey scharf, dass dieses mögliche Beweismittel nicht in den Unterlagen für den "Rust"-Prozess aufgeführt und den Verteidigern vorenthalten wurde. Die Beweismittel seien regelrecht vor ihnen verborgen worden, lamentierte Baldwins Anwalt Luke Nikas im Gericht.
Langer Rechtsweg
Für Baldwin endet eine lange juristische Achterbahnfahrt. Von Beginn an hatte der Schauspieler auf seine Unschuld gepocht. Nur wenige Wochen nach dem tödlichen Schuss beteuerte er in einem TV-Interview: "Ich habe nicht abgedrückt." Er würde niemals mit einer Waffe auf eine Person zielen und abdrücken. Er habe "keine Ahnung", wie die scharfe Munition ihren Weg in die Waffe fand.
Die erste Anklage gegen Baldwin und Gutierrez-Reed wurde dann im Januar 2023 erhoben, die Vorwürfe gegen den Schauspieler wurden aber drei Monate später zunächst wieder fallen gelassen. Es seien weitere Untersuchungen und forensische Analysen notwendig, hieß es. Die FBI-Ermittler prüften etwa, ob eine mögliche Fehlfunktion des Colts zum Auslösen geführt haben könnte. Ein Gutachten von Schusswaffenexperten ergab jedoch, dass der Abzug betätigt worden sein musste. Mit neuen Beweisen in der Hand ging die Anklage im Januar 2024 wieder gegen Baldwin vor - der plädierte erneut auf "nicht schuldig".
Neue Verfahren in dem Fall möglich
Auch nach dem Ende des Prozesses gegen Baldwin gibt es weiterhin offene Fragen – gut möglich, dass weitere Aspekte des Falls erneut vor Gericht kommen. Brian Panish, ein Anwalt des Ehemanns des Opfers, erklärte: "Wir respektieren die Entscheidung des Gerichts. Wir streben an, einer Geschworenenjury alle Beweise vorzulegen und Herrn Baldwin für sein Handeln im Zusammenhang mit dem sinnlosen Tod von Halyna Hutchins zur Verantwortung zu ziehen." Der Ehemann der Toten hatte sich mit Baldwin und der Produktionsfirma außergerichtlich auf eine Entschädigung geeinigt, allerdings hatte das Branchenmagazin "Variety" berichtet, dass es zu Unregelmäßigkeiten bei den Zahlungen gekommen sei und deshalb der Witwer und sein Anwalt über eine erneute Klage nachdenken würden.
Am Samstag erklärte auch Gloria Allred, eine Anwältin der Eltern der Verstorbenen, dass sie weiter beabsichtige, Zivilklagen zu dem Fall zur Verhandlung zu bringen. Dabei geht es um Entschädigungen für den entstandenen Schmerz durch den Tod ihres Kindes. Das Ende des Prozesses ändere nichts daran, dass Baldwin Hutchins getötet habe, sagte Allred. Außerdem hat Gutierrez-Reed schon vor Wochen Einspruch gegen das Schuldurteil gegen sie eingelegt, die Waffenmeisterin verlangt ein neues Verfahren.
Baldwins planen Reality-Show
Auch von den Baldwins dürfte die Öffentlichkeit bald mehr erfahren. Im Juni hatte das Ehepaar ein neues Familienprojekt angekündigt. Die Reality-Show "The Baldwins" soll im kommenden Jahr beim US-Sender TLC starten.