Rettungsdienst in Baden-Württemberg

Verfassungsbeschwerde gegen neues Gesetz

Nach vielen vorangegangenen Problemen hat der Landtag Mitte Juli ein neues Rettungsdienstgesetz für Baden-Württemberg verabschiedet. Daran gibt es weiter scharfe Kritik – inklusive juristischer Schritte.

Die Björn-Steiger-Stiftung hält das Rettungswesen bundesweit für veraltet – und reicht jetzt Beschwerde gegen ein neues Gesetz in Baden-Württemberg ein.

© dpa/Marcel Kusch

Die Björn-Steiger-Stiftung hält das Rettungswesen bundesweit für veraltet – und reicht jetzt Beschwerde gegen ein neues Gesetz in Baden-Württemberg ein.

Von Jürgen Bock

Viele Diskussionen hat es um das neue Rettungsdienstgesetz für Baden-Württemberg gegeben. Die Hilfsorganisationen fürchteten um die Finanzierung von Wachen-Neubauten. Eine Gruppe aus Mannheim ging mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht des Landes gegen das Vorhaben vor und bekam teilweise Recht. Erst nach einigen Änderungen ging das Gesetz Mitte Juli schließlich im Landtag durch und soll in den nächsten Jahren die Situation für Patienten und Retter im Land verbessern.

Daran glaubt die Björn-Steiger-Stiftung aus Winnenden (Rems-Murr-Kreis) allerdings nicht. Die Stiftung, die sich seit Jahrzehnten für eine Verbesserung des Rettungsdienstes einsetzt, will es aber nicht bei der Kritik einzelner Punkte belassen. Sie sieht das Gesamtkonstrukt kritisch – und kündigt jetzt an, Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einzureichen. Laut eines Sprechers ist das für die zweite Septemberhälfte geplant.

Beauftragt worden sind drei namhafte Kanzleien in Stuttgart, Berlin und Düsseldorf. Allein ist die Stiftung mit ihrer Auffassung nicht. Der Verfassungsbeschwerde hätten sich bis jetzt auch die Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Notärzte, der Deutsche Berufsverband Rettungsdienst, das Notarztnetzwerk HonMed eG sowie die IG Privater Rettungsdienst Baden-Württemberg angeschlossen, heißt es in Winnenden. Weitere Verbände und Organisationen könnten folgen.

Auch die FDP im Landtag schloss sich umgehend der Kritik an: „Wir haben im gesamten parlamentarischen Verfahren fundamentale Kritik an diesem wirklich schlechten Gesetzentwurf geäußert und auf die erheblichen rechtlichen, insbesondere verfassungsrechtlichen Probleme hingewiesen“, sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Nico Weinmann. Innenminister Thomas Strobl (CDU) habe „alle Warnungen in den Wind geschlagen“. „Strobl fährt die zuverlässige Rettung von Menschen gegen die Wand“, urteilt auch SPD-Innenexperte Sascha Binder.

„Struktur von Entwicklungsländern“

Die Stiftung fordert eine umfassende Reform des Rettungsdiensts, am besten mit bundesweiten Vorgaben. Das Land komme seiner Pflicht zur Wahrung der Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger „nur ungenügend nach, da die Zuständigkeiten und Strukturen bei Notfällen nicht umfassend geklärt sind und auch weiterhin nicht internationalen Standards entsprechen“, heißt es dort. Fehlerhafte Vorgaben und veraltete Organisationsstrukturen senkten seit Jahren die Überlebenswahrscheinlichkeit von lebensbedrohlich Erkrankten in Baden-Württemberg. „Bei einem solchen Gesetz sterben jeden Tag Menschen alleine wegen der gesetzlichen Planungsvorgaben“, sagt Stiftungspräsident Pierre-Enric Steiger. Die Struktur im Südwesten und bundesweit gleiche im internationalen Vergleich inzwischen „einer Struktur von Entwicklungsländern“.

Vor kurzem hatte die Stiftung ein in Auftrag gegebenes Gutachten vorgestellt. Der frühere Verfassungsrichter Udo Di Fabio kommt darin zum Schluss, dass der Staat seiner Schutzpflicht gegenüber den Bürgern mittels eines funktionierenden Rettungswesens noch mehr nachkommen müsse.

Land verteidigt das Gesetz

Ein Sprecher des Innenministeriums sagt dazu: „Das Gutachten werten wir sorgfältig aus. Eine Kernaussage ist, dass der Bund Qualitätsstandards setzen soll. Wir stehen diesem Ansinnen nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber, sind jedoch der Auffassung, dass wir im Land nicht nur mit der Stelle für die trägerübergreifende Qualitätssicherung im Rettungsdienst bereits einen bundesweiten Standard setzen.“ Wichtig sei, dass „der sehr hohe Standard in der präklinischen Patientenversorgung in Baden-Württemberg auch weiterhin finanziert und nicht durch Bundesregelungen unterlaufen wird“. Man sei überzeugt, mit dem neuen Rettungsdienstgesetz landesweit zahlreiche weitere Standards zum Wohle der Patientinnen und Patienten geschaffen zu haben.

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Erstellt:
13. August 2024, 14:42 Uhr
Aktualisiert:
13. August 2024, 14:57 Uhr

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