Vergewaltigung mit Bewährungsstrafe geahndet
Bei einer Hochzeitsfeier wird ein 31-jähriger Projektleiter übergriffig. Die betroffene Frau leidet noch immer unter den Folgen der Tat.

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Von Hans-Christoph Werner
BACKNANG. Vor dem Schöffengericht muss sich ein 31-jähriger Wirtschaftsinformatiker und Projektleiter wegen sexuellen Übergriffs und Vergewaltigung verantworten. Er wird zu einer zweijährigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. In der Verhandlung sitzt die Betroffene, eine 33-Jährige, als Nebenklägerin. Seit sie Platz genommen hat, zittern ihr die Beine. Immer wieder rollen ihr Tränen über die Wangen. Taschentücher, die ein Prozessbeobachter reicht, sind reichlich in Benutzung.
Der Anlass der Tat eigentlich ein erfreulicher, eine Hochzeitsfeier. Ein Arbeitskollege des Angeklagten feiert im September letzten Jahres seine Vermählung. Viele Hochzeitsgäste haben in dem Hotel, in dem das Fest ausgerichtet wird, ein Zimmer gebucht. So auch die 33-jährige Frau. Wie auch der Angeklagte.
Der Zufall will es, dass im Hotel die Zimmer nebeneinanderliegen.
Der Zufall will es, dass die Hotelzimmer der beiden, die sich zuvor nie begegnet sind, nebeneinanderliegen. Und dass sich zwischen den beiden Zimmern das Bad befindet, das von beiden Zimmern aus zu betreten ist. Irgendwann in den frühen Morgenstunden schleicht sich der Wirtschaftsinformatiker in das Zimmer der Frau, tritt ans Bett der Schlafenden und berührt die Frau unter der Bettdecke. Durch die Berührung erwacht verweist die Frau den Eindringling entschlossen nach draußen. „Verpiss dich!“ Doch der versucht es ein zweites Mal und berührt die Frau in einer Weise mit der Hand, die nach dem Gesetz als Vergewaltigung gilt.
Über seinen Verteidiger lässt der Angeklagte ausrichten, dass er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe einräumt. Ferner möchte er sich bei der 33-Jährigen entschuldigen. Bei der Hochzeitsfeier hatte der Wirtschaftsinformatiker reichlich den dargebotenen alkoholischen Getränken zugesprochen.
Der 31-Jährige gibt auch zu, dass Trinken bei festlichen Anlässen für ihn ein Problem sei. Da trinke er gern mal zu viel. Schon als die Feier noch im Gange war, so weiß eine Polizeikommissarin von Festteilnehmern zu berichten, habe sich der Wirtschaftsinformatiker an andere Frauen herangemacht. Dabei ist der Angeklagte in festen Händen. Mit seiner Lebensgefährtin lebt er zusammen und hat mit ihr drei Kinder.
Das Geständnis des Angeklagten verkürzt das Gerichtsverfahren. Zusammen mit der betroffenen 33-Jährigen sind noch fünf weitere Zeugen geladen. Auf sie verzichtet das Schöffengericht. Insbesondere muss das Opfer selbst nun das Geschehen nicht noch einmal erzählen. Nur bereits erwähnte Polizeikommissarin kommt zu Wort.
Für den Staatsanwalt ist der Fall klar. Zwar sei der Angeklagte unter erheblichem Alkoholeinfluss gestanden, aber die Einsicht in den Unrechtscharakter seines Handelns war ihm damit nicht genommen. Das, was er der 33-Jährigen antat, sei als Vergewaltigung zu werten. Die Mindeststrafe dafür seien zwei Jahre. Das könne aber, da der Angeklagte in geordneten Verhältnissen lebe, zur Bewährung ausgesetzt werden. Zusätzlich sei dem Angeklagten eine Zahlung von 3000 Euro an die Geschädigte aufzuerlegen.
33-Jährige bricht während des Verfahrens mehrmals in Tränen aus.
Der Verteidiger des Angeklagten wendet sich in seinem Plädoyer zunächst an die Betroffene. Ja, sein Mandant habe sich unmöglich verhalten. Unter Alkoholeinfluss habe er alle Hemmungen verloren. Der Rechtsanwalt ist aber sicher, dass das Verhalten seines Mandanten ein einmaliger Ausrutscher gewesen sei.
Als der Rechtsanwalt dann aber die Tat seines Mandanten etwas relativiert und damit begründet, dass er eine Strafe von lediglich 14 Monaten für ausreichend hält, bricht die 33-Jährige wieder in Tränen aus.
Vom Richter aufgefordert, äußert sich die 33-Jährige. Noch immer, so sagt sie, leide sie unter den Folgen der Tat. Seit dem Vorfall vermag sie nicht mehr in Hotelzimmern zu übernachten. Der Angeklagte, zum letzten Wort gefordert, sagt nochmals, allerdings ohne ersichtliche Regung oder Betroffenheit, dass es ihm leidtue.
Nach kurzer Beratung lautet das Urteil des Schöffengerichts: zwei Jahre auf Bewährung. Der Vorsitzende Richter gibt dem Rechtsanwalt in der Bewertung der Tat recht, betont allerdings die massiven psychischen Folgen der Tat für die junge Frau. Das sexuelle Selbstbestimmungsrecht sei der 33-Jährigen durch die Übergriffe des Angeklagten genommen worden. Insofern sei die Tat als besonders schwerer Fall zu werten.
Strafmildernd sei das Geständnis zu werten. Und dennoch, so der Richter: „Sie sind um Haaresbreite an einer Haftstrafe vorbeigeschrammt.“ Auch wenn die Tat nicht mit Geld wiedergutzumachen ist, habe der Verurteilte als Schmerzensgeld 3000 Euro an die Betroffene zu zahlen. Den Alkoholkonsum des 31-Jährigen bei Feierlichkeiten nahm das Schöffengericht zum Anlass, diesem noch zwei Gespräche bei einer Suchtberatung zur Auflage zu machen.
Da Staatsanwalt wie Verteidiger keinen Einwendungen machen, ist das Urteil sofort rechtskräftig.