Verlust: Kliniken schrecken vor Covid-Patienten zurück
dpa/lsw Ludwigsburg. Die Behandlung eines Covid-Patienten ist weit weniger lukrativ für die Kliniken als die eines Herzinfarkt-Patienten. Doch um die vierte Welle einzudämmen, sind Betten für die Covid-Patienten vorzuhalten. Das sieht offenbar nicht jeder ein.
Der Koordinator für die intensivmedizinische Corona-Versorgung ruft die Krankenhäuser im Südwesten auf, ihre Kapazitäten für Covid-Patienten hochzufahren. 40 Prozent der Intensivbetten - statt wie bisher 25 Prozent - müssten für deren Aufnahme frei gehalten werden, sagte Götz Geldner der Deutschen Presse-Agentur. Einen entsprechenden Aufruf von Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne), der bei Nichtbefolgen mit rechtlichen Schritten gedroht hatte, unterstütze er uneingeschränkt, sagte der ärztliche Direktor der Ludwigsburger RKH Kliniken. Es sei zwar nachvollziehbar, dass manche Krankenhäuser aus finanziellen Gründen nur zögerlich Covid-Patienten aufnähmen, weil sie als „Verlustbringer“ gälten, etwa im Vergleich zu Herzpatienten. „Aber wir müssen in dieser Situation solidarisch sein“, betonte der Mediziner am Montag.
In seinem Haus habe er die Corona-Intensiv-Kapazität auf 40 Prozent hochgeschraubt, obwohl das Klinikum als Maximalversorger nur einen Anteil von 32 Prozent hätte erbringen müssen.
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums ist um den 22. November mit einem Bedarf an 600 Intensivbetten für Covid-Kranke zu rechnen - so viel wie im April dieses Jahres. Die Betten müssen nicht leer stehen, sondern es muss so disponiert werden, dass kurzfristig Covid-Fälle aufgenommen werden können. Die Zahl der Covid-Patienten auf Intensiv-Stationen betrug am Montag 406, von denen 180 beatmet wurden. Der Anteil der Covid-Kranken in Intensivbetten lag nach weiteren Angaben des Divi-Registers bei 17,9 Prozent.
Bei der Abwägung, welche Behandlungen verschoben werden, ist die medizinische Dringlichkeit das Kriterium. Die Ärzte treffen die Entscheidung im jeweiligen Einzelfall. Vorgaben des Landes gibt es dazu keine. Nach Geldners Beobachtung verzichten auch etliche Kranke auf ihren terminierten Eingriff aus Furcht vor einer Corona-Infektion im Krankenhaus.
In den bisherigen Corona-Wellen habe es Ausgleich für die Umwidmung der Betten gegeben, erläuterte Geldner. Dieses Mal gingen die Kliniken leer aus. Besonders betroffen von Verlusten seien große Häuser mit vielen Geräten, die für die vergleichsweise unkomplizierte Behandlung der Covid-Patienten nicht gebraucht würden.
Ähnliche Aufrufe an die Kliniken seien auch letztes Jahr um die Weihnachtszeit und im vergangenen April ergangen.
Geldner sieht noch keine Verlegung großen Stils von baden-württembergischen Corona-Patienten in andere Bundesländer voraus. Den „kleinen Grenzverkehr“, etwa zwischen Nordbaden und Hessen, habe es schon vor der Pandemie gegeben. Überdies sei die Not in Bayern und Sachsen größer, so dass diese Länder Vorrang bei der Verlegung der Patienten nach Norddeutschland hätten.
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