„Größte Unwetterereignisse der Unternehmensgeschichte“

Versicherungen werden teurer – was Verbraucher tun können

In diesem Jahr hatten Menschen immer wieder mit Überflutungen zu kämpfen – auch in Deutschland und Baden-Württemberg. Versicherungen verbuchen Millionen-Schäden – und treffen nun Vorkehrungen für die Zukunft.

Auf einem Brunnen in Rudersberg (Rems-Murr-Kreis) steht Anfang Juni 2024 ein durch Hochwasser weggespültes Auto.

© dpa/Bernd Weißbrod

Auf einem Brunnen in Rudersberg (Rems-Murr-Kreis) steht Anfang Juni 2024 ein durch Hochwasser weggespültes Auto.

Von Sandra Hartmann

2024 war bislang ein herausragendes Jahr – zumindest was die Hochwasser-Situation in Deutschland betraf. Insbesondere der regenreiche Mai mit Stark- und Platzregen sorgte für diverse überflutete Städte, auch in Baden-Württemberg. Rudersberg (Rems-Murr-Kreis) war dabei besonders stark betroffen. Die Versicherungen schütteten Rekordsummen an Schadensbegleichungen aus und treffen nun Vorkehrungen für die Zukunft.

„Zur Einordnung der diversen Schäden des ersten Halbjahres 2024 lässt sich sagen, dass diese zusammen mit dem Unwetter im Ahrtal 2021 zu den größten Unwetterereignissen der Unternehmensgeschichte gehören“, sagt Immo Dehnert, Sprecher von Wüstenrot und Württembergische auf Nachfrage unserer Zeitung. Extremwetterereignisse würden sich häufen. „Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Schadensbehebung – vor allem im Blick auf den Kfz-Bereich – sehr stark verteuert hat. Dies bildet sich auch in gestiegenen Versicherungsprämien in der gesamten Versicherungsbranche ab“, so Dehnert.

Rund 290 Millionen Euro ausbezahlt

„Extremwetter verursachen immer häufiger in Deutschland Schäden. Es sind nicht nur die großen Flutereignisse wie 2002, 2013 und 2021 und jüngst im Juni, die mit hoher medialer Präsenz einhergehen und deren Intervalle sich offensichtlich verkürzen, sondern auch viele kleinere Ereignisse wie das Weihnachtshochwasser in Niedersachsen und die Hochwasser im Mai im Saarland, mit insgesamt 400 Millionen Euro Schaden“, sagt Kathrin Jarosch, Pressesprecherin des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Für das durch „Radha“ verursachte Hochwasser im Mai diesen Jahres hat allein die Allianz als Deutschlands größter Versicherer laut eigenen Angaben Schadenzahlungen in Höhe von rund 290 Millionen Euro brutto ausgezahlt.

Die Schäden des Hochwassers im Juni 2024 in Bayern und Baden-Württemberg schätzt der GDV auf zwei Milliarden Euro. Die Schätzung beinhaltet auch Gebäude, Hausrat, Gewerbe, Industrie, Landwirtschaft und Kraftfahrzeuge.

Der GDV erfasst seit 2002 die Elementarschäden wie Hochwasser und Starkregen. Dieses Jahr ging (bisher) vergleichsweise relativ glimpflich über die Bühne – zumindest wenn man die Schadenssummen heranzieht. Auf Platz eins der zehn verheerendsten Naturkatastrophen in Deutschland seit 2002 rangiert laut dem GDV mit Abstand die Sturzflut „Bernd“ im Jahr 2021. Die Auszahlungssumme der Allianz für Schäden diesbezüglich belief sich auf rund 800 Millionen Euro.

In Baden-Württemberg sind 94 Prozent der Hausbesitzer gegen Elementarschäden versichert. Die hohe Versicherungsdichte hat historische Gründe: Bis zur Deregulierung des Versicherungsmarktes 1994 gab es hier laut dem GDV eine Monopolversicherung, die auch die Elementarschäden einschloss.

Hunderttausende Häuser in potenziellen Überschwemmungsgebieten

„Die Unwetter im ersten Halbjahr 2024 haben in der gesamten Branche und auch bei der Württembergischen Versicherung für starke Belastungen gesorgt“, bestätigt auch Immo Dehnert. Er ist ebenfalls der Meinung, dass „Schäden durch Naturkatastrophen steigen“ werden. Und verweist darauf, dass sich bereits jetzt mehr als 300.000 Adressen in Deutschland in Überschwemmungsgebieten befinden. Prävention sei der Dreh- und Angelpunkt, um Schäden einzudämmen – eine singuläre Versicherungspflicht löst seiner Meinung nach das Problem nicht. Stattdessen sei es nötig, „Überschwemmungszonen zu schaffen, Deiche auszubauen und klare Bauverbote in gefährdeten Gebieten zu veranlassen. Bei Bebauungsplänen gilt es, die erhöhten Gefahren durch den Klimawandel zu berücksichtigen.“ Klimagerechtes Bauen, insbesondere bauliche Anpassungsmaßnahmen, um Extremwetterlagen standhalten zu können, gewinne zunehmend an Bedeutung.

Das sieht die GDV ähnlich: „Wir fordern unter anderem eine verpflichtende Klima-Gefährdungsbeurteilung bei Baugenehmigungen, konsequenter Baustopp in Überschwemmungsgebieten, Entsiegelung von Flächen und ein bundesweites Naturgefahrenportal. Wir erwarten, dass sich ohne konsequente Maßnahmen zur Klimafolgenanpassung und zur Stärkung der Prävention – allein in den nächsten zehn Jahren zu einer Verdopplung der Wohngebäudeversicherungsprämie allein durch den Klimawandel kommen kann.“

Auch bei der Allianz sieht man es so: „Als Versicherer können wir diesen Trend nicht ignorieren und müssen unser Geschäftsmodell anpassen, um langfristig für unsere Kunden da zu sein. Wenn sich die Risiken ändern, müssen wir dies in unserer Preisgestaltung berücksichtigen. Prämien müssen risikoadäquat und fair für beide Seiten sein und die steigenden Klimarisiken sowie die Inflation widerspiegeln.“

Für Sabine Schaffrath als Sprecherin der Allianz müssen in Zukunft die Versicherer gemeinsam mit den Kommunen und Kunden Hand in Hand arbeiten.

Auch sie sieht dabei Prävention als das A und O an, um Gebäude besser zu schützen: „Schutz und Widerstandsfähigkeit müssen gestärkt werden, um mit den negativen Auswirkungen der globalen Erwärmung fertig zu werden – dies erfordert eine Partnerschaft mit der Regierung, Unternehmen und Kundinnen und Kunden. Schutz wirkt. Gemeinden tun gut daran, in Hochwasserschutzmaßnahmen zu investieren und Kund:innen und Kunden können mit Präventionsmaßnahmen die Risiken für ihr Haus verringern, beispielsweise durch Verwendung von hochwasser- und hagelsicheren Baumaterialien für Häuser, etwa für den Keller oder die Fenster.“

Weitere Beispiele für Schutzmaßnahmen sind laut dem GDV:

  • Auf Kellerräume beim Neubau verzichten
  • Gebäudetechnik wie Elektroverteilung und Heizsysteme richtig platzieren
  • Öltanks vor Aufschwimmen und Bersten sichern
  • Rückstausicherung in den Abwasserkanal einbauen

Das Positive dabei ist, dass sich derartige Präventionsmaßnahmen bei diversen Versichern sich bereits jetzt positiv auf die Versicherungsprämie auswirken. Das heißt, vorbeugende Schutzmaßnahmen machen sich im wahrsten Sinne doppelt bezahlt.

Zur Einschätzung der eigenen Gefährdung bietet der GDV den „Hochwasser-Check“ an. Damit können Mieter und Immobilienbesitzerinnen jetzt einfach und schnell ihr individuelles Starkregen- und Hochwasser-Risiko ermitteln. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen dafür nur ihren Wohnort eingeben – kostenlos und ohne Anmeldung.

Ende Juni wurden durch Starkregen mehrere Straßen und Orte (Berglen, Burgstetten, Schorndorf und Miedelsbach) überflutet.

© 7aktuell.de/Kevin Lermer/7aktuell.de | Kevin Lermer

Ende Juni wurden durch Starkregen mehrere Straßen und Orte (Berglen, Burgstetten, Schorndorf und Miedelsbach) überflutet.

Das Hochwasser Anfang Juni war das bislang schwerste in diesem Jahr in Baden-Württemberg.

© dpa/Felix Kästle

Das Hochwasser Anfang Juni war das bislang schwerste in diesem Jahr in Baden-Württemberg.

In Heidelberg trat bei einem Pegelstand von ca 3,6m der Neckar im Bereich der alten Brücke über die Ufer und überspülte die Straße.

© IMAGO/Daniel Kubirski/IMAGO/Daniel Kubirski

In Heidelberg trat bei einem Pegelstand von ca 3,6m der Neckar im Bereich der alten Brücke über die Ufer und überspülte die Straße.

Tannbach wurde zur reisenden Flut. Das Wassermassen reißen Autos mit sich.

© 7aktuell.de/Oskar Eyb/7aktuell.de | Oskar Eyb

Tannbach wurde zur reisenden Flut. Das Wassermassen reißen Autos mit sich.

Bad Saulgau: Einsatzkräfte der Feuerwehr errichteten am Nonnenbach im Ortsteil Moosheim einen Damm mit Sandsäcken.

© Thomas Warnack/dpa/Thomas Warnack

Bad Saulgau: Einsatzkräfte der Feuerwehr errichteten am Nonnenbach im Ortsteil Moosheim einen Damm mit Sandsäcken.

Meckenbeuren: Winfried Kretschmann (Grüne, 2.v,r), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, und Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU, 3.v.r.) stellen sich nach einer Besichtigung der Hochwasserschäden den Fragen der Journalisten.

© dpa/Felix Kästle

Meckenbeuren: Winfried Kretschmann (Grüne, 2.v,r), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, und Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU, 3.v.r.) stellen sich nach einer Besichtigung der Hochwasserschäden den Fragen der Journalisten.

Rudersberg: Helfer räumen Gegenstände aus einem von einem Unwetter betroffenen Gebäude.

© dpa/Bernd Weißbrod

Rudersberg: Helfer räumen Gegenstände aus einem von einem Unwetter betroffenen Gebäude.

Zum Artikel

Erstellt:
27. September 2024, 10:39 Uhr
Aktualisiert:
27. September 2024, 13:58 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen