Bilanz des DB-Konzerns

Viele Verspätungen und ein Milliardenloch

Der Schienenverkehr ist gefragt wie lange nicht mehr, das Logistikgeschäft läuft glänzend. Trotzdem erwartet der Staatskonzern auch in diesem Jahr riesige Verluste.

Die Deutsche Bahn fährt tief in der Verlustzone.

© dpa/Jörg Carstensen

Die Deutsche Bahn fährt tief in der Verlustzone.

Von Thomas Wüpper

Es ist ein deutliches Signal: Erstmals war bei einer Bilanzvorlage der bundeseigenen Deutschen Bahn AG der verantwortliche Verkehrsminister dabei. Volker Wissing hatte mindestens zwei Gründe, sich am Onlinetermin für die Medien zu beteiligen. Zum einen ging es dem FDP-Politiker darum, die jüngsten Beschlüsse der Regierungskoalition als „klares Bekenntnis zur Schiene“ und eigenen Erfolg zu preisen. Immerhin sollen in das lange vernachlässigte Schienennetz bis 2027 zusätzlich 45 Milliarden Euro fließen – und erstmals wird zur Finanzierung die erhöhte Lkw-Maut genutzt werden.

Zum anderen zeigt seine Präsenz: Wissing hat die Bahn zur Chefsache gemacht. Wie nötig dies ist, zeigt der Geschäftsbericht des Konzerns mit seinen weltweit 338 000 Mitarbeitern.

Neuer Fahrgastrekord

Zwar sind die Züge nach der Coronaflaute gefragt wie selten zuvor, und im Fernverkehr erwartet DB-Chef Richard Lutz trotz der häufigen Verspätungen einen neuen Rekord mit 155 Millionen Fahrgästen bei der wachsenden Flotte von derzeit 370 ICE.

Doch unter dem Strich stehen dreistellige Millionenverluste – und die Verschuldung steigt. Vorstandschef Richard Lutz rechnet für 2023 mit einem operativen Verlust von einer Milliarde Euro. Höhere Energiekosten und Einkaufspreise schlagen zu Buche, zudem könnten die laufende Tarifrunde mit der EVG und im Herbst dann mit der GDL zu milliardenschweren Personalmehrkosten führen.

Nach den fast sieben Milliarden Euro Minus in den beiden Coronajahren verbesserte der Konzern 2022 das Ergebnis deutlich. Der Konzernumsatz wuchs um fast ein Fünftel auf 56,3 Milliarden Euro, der Jahresverlust reduzierte sich von 911 auf 227 Millionen Euro.

Im operativen Geschäft vor Steuern und Zinsen (Ebit) wurden gut 1,2 Milliarden Euro Gewinn erzielt – nach fast 1,6 Milliarden Defizit im Jahr zuvor. Die Bilanzanalyse deckt allerdings viele Schwachpunkte auf.

Schenker rettet die Bahn

So verdient der Konzern im Kerngeschäft mit der Schiene kein Geld. Alle drei Bereiche sind operativ rot: Der Fernverkehr weist ein Ebit von minus 39 Millionen Euro aus – nach fast 1,8 Milliarden Euro Verlust zuvor. Und bei DB Regio steht ein Verlust von 31 Millionen nach zuvor minus 419 Millionen. Größter Verlustbringer bleibt der Güterverkehr: Das Minus von DB Cargo vergrößerte sich um 42 Prozent auf 665 Millionen Euro.

Gewinne erzielt die DB AG hauptsächlich mit dem Betrieb der vom Staat hoch bezuschussten Infrastruktur (733 Millionen Ebit bei Fahrwegen, Bahnhöfen und Energieversorgung) sowie der Lkw-Spedition Schenker, die ein um 49 Prozent verbessertes Rekordergebnis von gut 1,8 Milliarden Euro schaffte. Die Politik hat allerdings entschieden, dass sich die Bahn künftig auf die Schiene konzentrieren und andere Geschäfte abgeben soll.

Man prüfe den Schenker-Verkauf „ergebnisoffen“, betont Finanzvorstand Levin Holle mit Verweis auf den Beschluss des DB-Aufsichtsrats. Als einer der vier größten Logistiker weltweit habe das Unternehmen beste Zukunftschancen. Nach Branchenschätzungen könnte der Verkauf dem klammen DB-Konzern einen zweistelligen Milliardenerlös bringen.

Verkäufe sollen die hohe Verschuldung mildern

Bis 2024 soll Arriva verkauft werden. Das ist die britische Bahn-und-Bus-Tochter, die unter Ex-Konzernchef Rüdiger Grube für drei Milliarden Euro übernommen worden war und die Erwartungen nie erfüllt hat. Erstmals wies die Beteiligung voriges Jahr wieder einen kleinen operativen Überschuss aus. Mit Arriva wird sich der DB-Konzern von 4,2 Milliarden Euro Umsatz trennen – und fast 40 000 Beschäftigten jenseits der Grenzen.

Die erhofften Verkaufserlöse könnten die hohe Verschuldung mildern, die in der Bilanz mit netto 28,9 Milliarden Euro angegeben wird und die sich nach Holles Angaben in diesem Jahr „wahrscheinlich auf mehr als 33 Milliarden Euro erhöhen“ werde.

18 Milliarden Euro will der Konzern in diesem Jahr investieren

Der Bundesrechnungshof warnt in seinem jüngsten Sonderbericht an den Bundestag, die DB-Verschuldung nehme „weiter besorgniserregend zu“ und sei seit 2016 um allein zehn Milliarden Euro und damit fünf Millionen Euro pro Tag gewachsen. Für die DB-Schulden haften letztlich Staat und Steuerzahler.

Der Konzern will in diesem Jahr die Rekordsumme von mehr als 18 Milliarden Euro investieren, davon 8,5 Milliarden Euro aus eigener Kasse. Die meisten Ausgaben für die Infrastruktur finanziert der Bund. Von Sommer 2024 an werden für die Generalsanierung mehr als 40 wichtige Hauptstrecken monatelang komplett gesperrt, schon derzeit gibt es mehr als 1200 Baustellen im Netz. Dennoch will DB-Chef Lutz erreichen, dass dieses Jahr mindestens 70 Prozent der Fernzüge zumindest mit weniger als sechs Minuten Verspätung fahren. 2022 erreichte diese Pünktlichkeitsquote mit nur noch 65,2 Prozent einen Tiefpunkt. Bis 2027 werden mindestens 79 Prozent angepeilt.

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Erstellt:
30. März 2023, 17:12 Uhr
Aktualisiert:
30. März 2023, 17:24 Uhr

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