Debatte um Krankmeldungen
Viele in Baden-Württemberg arbeiten, obwohl sie krank sind
Mitten in der Debatte um Karenztage präsentiert die AOK Baden-Württemberg eine Umfrage zum Thema Krankmeldungen. Demnach gehen viele Beschäftigte auch dann zur Arbeit, wenn sie sich krank fühlen.
Von Werner Ludwig
Die Forderung des Allianz-Chefs nach einem unbezahlten Karenztag für kranke Beschäftige sorgt weiter für Diskussionen. Auch die Krankenkasse AOK sieht den Vorstoß kritisch. Durch Karenztage steige das Risiko, „dass notwendige krankheitsbedingte Ausfalltage nicht in Anspruch genommen werden“, sagt der Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK, Helmut Schröder. Das berge nicht nur gesundheitliche Risiken für Arbeitnehmer. Auch die Betriebe täten sich keinen Gefallen damit, wenn sie kranke Beschäftigte arbeiten ließen, die andere anstecken. Der baden-württembergische AOK-Chef Johannes Bauernfeind warnt auch vor der Verschleppung von Krankheiten, wodurch Beschäftigte am Ende noch länger ausfallen könnten.
Südwesten liegt im Bundestrend
Interessant sind in diesem Zusammenhang die Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage der Meinungsforscher von Civey im Auftrag der AOK. Dabei gaben rund 42 Prozent der Befragten aus Baden-Württemberg an, dass sie in den vergangenen zwölf Monaten ein bis vier Mal gearbeitet hätten, obwohl sie sich krank gefühlt hätten. Bei zwölf Prozent war das sogar fünf bis sechs Mal der Fall. Für den Bund ergeben sich ähnliche Zahlen.
Als wichtigsten Grund für die Entscheidung, trotz Krankheit zu arbeiten, nennen die Befragten im Südwesten den Wunsch, „die Kollegen nicht im Stich zu lassen“ (45 Prozent). Dahinter folgt die Begründung „Weil sonst zu viel Arbeit liegen bleibt“ (42 Prozent). Eine kleinere Rolle spielen demnach ein schlechtes Gewissen gegenüber dem Arbeitgeber (13 Prozent) und die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes (10 Prozent).
Unbekannter Einfluss der Elektronischen Krankmeldung
Daten der AOK-Baden-Württemberg zeigen einen starken Anstieg der Krankmeldungen im Jahr 2022. 2023 und 2024 verharrten die Zahlen dann auf diesem Niveau. Ein wesentlicher Faktor dürfte die Zunahme von Atemwegserkrankungen nach dem Ende der coronabedingten Hygienemaßnahmen sein. Eine Rolle spielt aber auch die Anfang 2023 eingeführte elektronische Krankmeldung. Die alten Papierbescheinigungen wurden oft nicht an die Kassen weitergeleitet und gingen damit nicht in die Statistik ein. Wie groß dieser Effekt ist, lasse sich aber nicht genau beziffern, so ein AOK-Sprecher. In der Civey-Umfrage nennt gut die Hälfte der Befragten eine steigende Belastung am Arbeitsplatz als Grund für den höheren Krankenstand. 47 Prozent vermuten aber auch einen Zusammenhang mit der Möglichkeit zur telefonischen Krankschreibung.
AOK-Landeschef Bauernfeind verweist auf eine anhaltende Zunahme psychischer Erkrankungen, die besonders lange Krankschreibungen verursachten. Hier gebe es gute und wirksame Präventionsangebote, die sowohl individuell als auch in Betrieben umgesetzt werden könnten. „Darauf sollte vor allem gesetzt werden, um die Gesundheit langfristig zu fördern, die Arbeitsfähigkeit zu erhalten und so Fehltage zu vermeiden“