Vielversprechendes Team, ein Risiko

Friedrich Merz hat Minister gefunden, die positiv überraschen. Jetzt müssen sie rasch liefern.

Von Tobias Peter

Berlin - Es ist eine außergewöhnliche Situation. Friedrich Merz ist in der öffentlichen Gunst innerhalb so kurzer Zeit abgestürzt, wie man es selten bei einem Wahlsieger erlebt hat. Und das, noch bevor er Kanzler ist.

Merz hatte vor der Wahl den Eindruck erweckt, eine Lockerung der Schuldenbremse sei, wenn überhaupt, als Letztes notwendig. Doch das war dann das Erste, was Merz tat – wenn auch unter dem Druck, der durch die neue Ukraine-Politik Donald Trumps entstanden war. Das war in der Sache richtig, kostete ihn aber viel Glaubwürdigkeit. Zudem lassen die im Wahlkampf versprochenen Steuersenkungen auf sich warten. Regieren ist eben doch schwieriger, als es von der Seitenlinie aussieht.

Bei der Zusammenstellung der Ministerriege für die CDU ist Merz nun etwas Gutes gelungen. Er orientierte sich nicht am oft lähmenden Regionalproporz in den Parteien, sondern entschied sich für die Kandidaten, die er für richtig hielt. Deutschland bekommt eine Wirtschaftsministerin aus der Wirtschaft, die – aus dem faktisch eher mäßig mächtigen Ministerium heraus – für klare ordnungspolitische Ideen werben wird. Ein Manager wird Minister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung. Das ist zwar ein Experiment mit offenem Ausgang. Doch wenn der mutmaßlich künftige Kanzler dem Neuen viel Rückendeckung gibt, kann hier etwas gelingen.

Merz steht bekanntermaßen für eine deutlich konservativere CDU. Wie einst Helmut Kohl legt er aber Wert darauf, dass alle Parteiflügel eingebunden sind. Dafür steht die liberale Karin Prien als künftige Bildungs- und Familienministerin, die hoffentlich die frühkindliche Bildung in Deutschland weiter voranbringen kann. Sie ist eine echte Fachfrau.

Eine Chance ist, dass Kanzleramt und Außenministerium beide von der CDU besetzt werden, sodass nicht wie in der Ampel ein dauerndes Konkurrenzverhältnis entsteht. Johann Wadephul als künftiger Außenminister versteht etwas von der Sache und wird sich emsig in den Dienst des Kanzlers stellen. Er ist ein Experte, der noch zeigen muss, wie er sich auf der großen Bühne bewährt. Dass es auch einige ins Kabinett geschafft haben, die sich ihr Themenfeld noch erarbeiten müssen, begeistert nicht, ist aber im politischen Betrieb Normalität.

Mit Thorsten Frei hat Merz sich einen Kanzleramtschef ausgesucht, dem er hundertprozentig vertraut. Das größte Risiko für Merz liegt somit in einer Personalie, die gar nicht die Regierungsmannschaft betrifft. Mit Jens Spahn wird die Union einen Fraktionschef haben, der mehr sein will als ein geräuschloser Organisator von Mehrheiten. Ja, Angela Merkels langjähriger Fraktionschef Volker Kauder war langweilig. Aber Kauder hat Merkel lange die Macht gesichert.

In der Union gibt es viele, die Spahn zutrauen, auf eigene Rechnung zu spielen, falls Merz und die CDU in den Umfragen dauerhaft nicht aus der Krise kommen. Spahn wusste schon in der Schule, dass er gern selbst einmal Kanzler werden würde. Wenn es ihm für die eigenen Ambitionen günstig erscheint, könnte er auch versucht sein, die CDU weiter nach rechts zu schieben, als es für das Land gut ist.

Wenn die schwarz-rote Bundesregierung wie erwartet zustande kommt, startet sie in einer international außergewöhnlichen Lage. Die Amerikaner sind kein verlässlicher Partner mehr. Die Europäer sind bislang nur sehr eingeschränkt handlungsfähig. Deutschland steckt in einer tiefen wirtschaftlichen Krise. Umso wichtiger ist: Diese Regierung braucht jetzt erst einmal eine faire Chance. In den ersten 100 Tagen muss und soll sie zeigen, was sie kann. Für das Land kann man nur hoffen, dass es viel ist.

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Erstellt:
28. April 2025, 22:08 Uhr
Aktualisiert:
28. April 2025, 23:56 Uhr

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