Was geschah am . . . 8. April 2000?

Vor 25 Jahren startete Deutschlands erste Babyklappe

Drei tote Neugeborene in Hamburg: Das war der Auslöser. Um Leben zu retten, wurde vor 25 Jahren die erste Babyklappe eröffnet. Doch ihre Nutzung geht viel weiter zurück.

Babyklappe am St. Josef Krankenhaus im nordrhein-westfälischen Moers.

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Babyklappe am St. Josef Krankenhaus im nordrhein-westfälischen Moers.

Von Markus Brauer/KNA

Ein kalter Abend im vergangenen November. In Hamburg klingeln mehrere Handys: In einer Babyklappe an einer Kita liegt ein Kind. Ehrenamtliche Helfer finden ein gesundes Mädchen in sauberer, warmer Kleidung und nennen es Madita. Es lebt mittlerweile bei Adoptiveltern. Die Mutter habe sich bislang nicht gemeldet, sagt die Geschäftsführerin des Kita-Trägers Sternipark, Leila Moysich. „Aber sie hat jederzeit die Möglichkeit.“

„Projekt Findelbaby“

Die 45-Jährige ist die Initiatorin der ersten modernen Babyklappe in Deutschland. Vor 25 Jahren – am 8. April 2000 – nahm sie ein Wärmebett hinter einer schlichten Stahlklappe an einer Hamburger Kita in Betrieb. Frauen in Not können dort ihr Neugeborenes anonym und sicher ablegen.

Beim Schließen der Klappe werden die Mitarbeiter des „Projekts Findelbaby“ alarmiert. Das Kind wird dann acht Wochen lang zunächst von Pflegeeltern versorgt. Meldet sich die leibliche Mutter in dieser Zeit nicht, wird es zur Adoption freigegeben.

Schon bald erstes Kind abgelegt

Die Idee der Babyklappe war nicht ganz neu. Schon im Mittelalter konnten Säuglinge in Klöstern abgelegt werden, wo sie versorgt wurden. Den Ausschlag für die Wiederbelebung dieses Konzepts gab unter anderem der Fund von drei toten Neugeborenen in Hamburg im Jahr 1999. „Das war für uns Grund genug zu sagen, wir müssen etwas tun“, meint Moysich rückblickend.

Schon nach wenigen Wochen wurde das erste Kind in der Klappe abgelegt: Ein neugeborenes Mädchen, das von seinen Findern Ronja getauft wurde. Bald darauf entstanden weitere Babyklappen in ganz Deutschland. Laut Moysich gibt es heute rund 100.

Nicht nur Frauen am Rand der Gesellschaft

Sternipark betreibt inzwischen drei Babyklappen in Hamburg und Schleswig-Holstein. In den vergangenen 25 Jahren seien dort insgesamt 60 Kinder abgelegt worden, so die Geschäftsführerin. Sie seien meist wenige Stunden oder Tage alt und ohne medizinische Hilfe geboren. „Das sieht man daran, dass sie nicht fachgerecht abgenabelt sind.“ Einige bräuchten sofort Hilfe, andere seien kerngesund.

Manche Mütter meldeten sich später, um sich nach dem Kind zu erkundigen oder es noch einmal zu sehen. 17 hätten sich doch noch für ein Leben mit Sohn oder Tochter entschieden. „Anfangs dachten wir, dass eher Frauen am Rande der Gesellschaft unsere Angebote in Anspruch nehmen“, berichtet Moysich. „Doch es sind auch Frauen, die mit beiden Beinen im Leben stehen.“

„Angst und Scham sind Hauptgründe“

Eine Mutter hatte gerade eine Ausbildung als Bankkauffrau beendet und sorgte sich um ihre Karriere. Eine andere hatte schon zwei Kinder, sich vom Vater getrennt und war dann von einem anderen Mann schwanger geworden. Sie befürchtete soziale Ausgrenzung in ihrem Dorf.

„Angst und Scham sind die Hauptgründe, warum Frauen ihre Schwangerschaft verstecken“, erklärt Moysich. Aber keine Mutter, die sie kennengelernt hat, habe Hass auf ihr Baby gehabt. „Im Gegenteil: Die meisten glaubten, sie seien nicht gut genug für ihr Kind.“

Kritiker sind weitgehend verstummt

Nach dem Start gab es Kritik, Babyklappen könnten zu leichtfertigen Abgaben führen. Der Deutsche Ethikrat empfahl im Jahr 2009 deren Abschaffung, da sie das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft verletzten.

Heute sind die Kritiker weitgehend verstummt, nachdem die Bundesregierung 2014 die Möglichkeit zur vertraulichen Geburt geschaffen hat, ohne Babyklappen zu verbieten. Die Stadt Hamburg etwa sieht sie als „flankierendes Angebot“.

„Den richtigen Weg eingeschlagen“

Moysich betrachtet diese Entwicklung mit einer gewissen Genugtuung. „Nach 25 Jahren kann man sagen, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben. Babyklappen retten Leben.“

Zum „Projekt Findelbaby“ gehört zudem eine kostenfreie Notrufnummer für Schwangere und Mütter in Not. Auch anonyme Geburten werden begleitet. Deren Zahl ist deutlich höher als die der abgegebenen Säuglinge: 850 Mütter wurden seit 2000 betreut. Rund 60 Prozent entschieden sich letztlich für ihr Kind.

Immer weniger Kinder in Babyklappen

In den vergangenen Jahren wurden in den Sternipark-Babyklappen immer weniger Kinder abgelegt. Grund dafür sind nach Ansicht von Moysich bessere Lebensumstände für Mütter durch Elternzeit, Elterngeld und den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Babyklappen hält die Frauenrechtlerin dennoch nicht für überflüssig. „Solange auch nur ein Kind hier abgegeben wird, brauchen wir sie.“

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Erstellt:
7. April 2025, 05:14 Uhr

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