OB-Wahlen 2025
Vor allem Pforzheim sorgt für Nervosität
In 14 Städten in Baden-Württemberg muss in diesem Jahr ein neuer Oberbürgermeister gewählt werden. Der wichtigste Schauplatz ist Pforzheim, wo die AfD stärkste Fraktion ist.
Von Eberhard Wein, Jan-Philipp Schlecht und Thomas Slotwinski
Die einen sitzen fest im Sattel, die anderen wollen nicht mehr. In 14 Großen Kreisstädten im Land finden in diesem Jahr Oberbürgermeisterwahlen statt. Als einzige Großstadt ist Pforzheim an der Reihe. Wie wird die AfD in ihrer Hochburg agieren? In einer anderen Stadt denkt derweil ein Politpromi über das Ende seiner beruflichen Karriere nach. Und eine Stadt hat neben Bundestags- und OB-Wahl unfreiwillig sogar noch einen dritten Wahlkampf durchzustehen. Ein Überblick von Nord nach Süd.
Bad Rappenau: Für die Badsanierung muss der OB in die Vollen gehen
Die Wahl wird erst am Jahresende stattfinden, doch schon im vergangenen Oktober hat Sebastian Frei angekündigt, dass er weitere acht Jahre Oberbürgermeister von Bad Rappenau bleiben möchte. Der 44-Jährige ist in der Stadt beliebt und im Gemeinderat geschätzt, seit sechs Jahren sitzt der parteilose Kommunalpolitiker für die CDU im Heilbronner Kreistag. Nun wartet als große Aufgabe auf ihn, Abriss und Neubau des in die Jahre gekommenen Freizeit- und Solebads „Rappsodie“ zu organisieren. 39 Millionen Euro will die 23 000 Einwohner zählende Bäderstadt, die sogar ein Bikinimuseum beheimatet, hier investieren und wird dafür erstmals seit Jahren wieder Kredite aufnehmen müssen.
Öhringen: Über das Aufregerthema ist Gras gewachsen
Seit 16 Jahren ist Thilo Michler OB von Öhringen, und er will es weitere acht Jahre bleiben. Beim Neujahrsempfang am vergangenen Sonntag kündigte der parteilose Politiker seine erneute Kandidatur bei der Wahl im Juli an und erntete dafür freundlichen Applaus. Der Streit über den Bau eines Hochregallagers ließ in der Stadt in der Vergangenheit die Wogen hochschlagen. Damals erhielt der OB sogar einen ziemlich üblen Drohbrief. Das Projekt scheiterte. Doch daran will der 52-Jährige nicht mehr denken. „Wir haben in Öhringen in den letzten 16 Jahren sehr viel erreicht. Darauf möchte ich weiterhin aufbauen“, sagte er.
Crailsheim: Unfreiwilliges Superwahljahr
Die Crailsheimer OB-Wahl findet erst am Jahresende statt, doch Amtsinhaber Christoph Grimmer (39) freut sich nach eigenem Bekunden schon auf den Wahlkampf. Nach sieben Jahren Amtszeit steckt der einst jüngste OB im Land weiterhin voller Tatendrang. Im Gemeinderat arbeitet der einst bei der FDP beschäftigte, aber parteilose Grimmer mit wechselnden Mehrheiten, bei den Bürgern gilt er als beliebt. Weniger Freude herrscht in der 37 000-Einwohner Kommune allerdings darüber, dass im März der Gemeinderat neu gewählt werden muss – schon wieder. Nach der Kommunalwahl im vergangenen Jahr hatte das Landratsamt die Wahl nach Einsprüchen für ungültig erklärt, weil die unechte Teilortswahl zwei Ortsteile massiv überrepräsentiert. Grimmer hatte schon vorher davor gewarnt. Rechnet man die Bundestagswahl hinzu, dürfen die Crailsheimer also sogar dreimal wählen.
Bruchsal: Schadet das grüne Parteibuch?
Fast 78 Prozent holte Cornelia Petzold-Schick bei ihrer Wiederwahl vor siebeneinhalb Jahren. Bei der diesjährigen Wahl am 6. Juli dürfte es für die Bruchsaler Oberbürgermeisterin eher knapp werden. Viele erwarten, dass die 60-Jährige wieder antritt. Doch nicht bei allen löst dies Jubelstürme aus. Vor einem Jahr war sie den Grünen beigetreten, um ein Zeichen gegen Rechts zu setzen, wie sie damals sagte. Das werde ihr schaden, glaubt der CDU-Fraktionschef im Bruchsaler Gemeinderat, Hans-Peter Kistenberger. „Bruchsal ist CDU-lastig.“ Dem Vernehmen nach ist die Partei auf Kandidatensuche – egal ob die Amtsinhaberin wieder antritt oder nicht. Kistenbergers Favorit wäre wohl der Erste Bürgermeister Andreas Glaser, doch der hat offenbar kein Interesse gegen seine Chefin anzutreten.
Mühlacker: Liberaler Schwund im Stammland
In ihrem Stammland Baden-Württemberg stellt die FDP von 104 Oberbürgermeistern gerade mal zwei. Einer ist Daniel Bullinger in Schwäbisch Hall, und er könnte bald der einzige liberale OB sein. Sein Parteifreund Frank Schneider aus Mühlacker kündigte beim Neujahrsempfang an, nach zwei Amtszeiten in seiner Heimatstadt nicht mehr antreten zu wollen. Nachfolgekandidaten für den 63-Jährigen sind noch nicht in Sicht. Manche spekulieren auf den SPD-Fraktionschef Paul Renner, doch bis zur Wahl im Oktober ist noch viel Zeit.
Pforzheim: Kämpft die AfD um die Rathausspitze?
Mit Spannung schaut die Landespolitik auf Pforzheim. Seit der Kommunalwahl ist die AfD dort stärkste Kraft im Gemeinderat, jetzt könnte sie auch Anspruch auf das OB-Amt anmelden – es wäre ein Novum in einer westdeutschen Großstadt. Ein Kandidat war parteiintern offenbar bereits gekürt. Dann kam der Rückzieher. Aufgrund der Entwicklungen auf der Bundesebene wolle man sich zunächst auf die Bundestagswahl konzentrieren, erklärte die Fraktionsvorsitzende Diana Zimmer, die selbst als Direktkandidatin antritt. Zur OB-Wahl am 4. Mai werde man sich erst danach positionieren. Derweil hofft Amtsinhaber Peter Boch (CDU) auf eine zweite Amtszeit. Der 44-jährige ehemalige Polizeibeamte, der in seiner Jugendzeit eine Ballettausbildung genoss, gilt als trittsicher auf der politischen Bühne, allerdings nicht immer durchsetzungsstark. Kurz vor Weihnachten stimmte seine CDU gegen den Vorschlag von Bochs Verwaltung zusammen mit der AfD für eine Absenkung der Grundsteuer.
Leonberg: Sehnsucht nach einem Neuanfang
Im Leonberger Rathaus werden im September die Karten neu gemischt: Martin Georg Cohn (SPD), seit sieben Jahren Oberbürgermeister der 50 000 Einwohner-Stadt, wird sich nicht um eine weitere Amtszeit bewerben. Damit zieht der 58-Jährige die Konsequenzen vor allem aus dem belasteten Verhältnis mit dem Gemeinderat, das bis in seine eigene Partei hineinreicht. Wesentliche Ursache für die Spannungen ist das Zerwürfnis mit seiner Stellvertreterin. Im Juni 2023 hatte Cohn die Erste Bürgermeisterin Josefa von Hohenzollern wegen, wie er sagt, „gravierender Pflichtverletzungen“ mit einem Dienstverbot belegt. Seither, also mehr als anderthalb Jahren, überprüft das Regierungspräsidium die Vorwürfe. Außerdem ermittelt die Staatsanwaltschaft, da sich beide gegenseitig angezeigt haben. Kandidaten für die OB-Wahl gibt es noch keine. Beobachter wollen nicht ausschließen, dass die FDP-Politikerin von Hohenzollern den Hut selbst in den Ring wirft. Das dürfte auch vom Ausgang der behördlichen Prüfungen abhängen.
Schwäbisch Gmünd: Alle warten auf Arnolds Bekenntnis
Richard Arnold gilt als einer der bekanntesten Oberbürgermeister in Baden-Württemberg und war einst auch die große Hoffnung der Landes-CDU. 2016 wurde er als Kandidat für das Ministerpräsidentenamt gehandelt, 2020 brachte man ihn als OB-Kandidat in Stuttgart ins Spiel. Doch Arnold blieb in seiner Heimatstadt Schwäbisch Gmünd, wo er unter anderem in der Integrationspolitik Akzente setzte. Unter dem Titel „Gmünder Weg“ setzte er Asylbewerber als Helfer bei der Landesgartenschau oder einen Kirchenmusikfestival ein und sorgte so für ihre schnelle Einbindung ins Stadtleben. Ein kurzer Dienstweg verbindet ihn mit den OB-Kollegen in Esslingen und Tübingen, Martin Klopfer (SPD) und Boris Palmer (früher Grüne), mit denen er gemeinsam mit offenen Briefen auch bundespolitische Fragen ansprach. Doch nach zwei Amtszeiten ist der 65-Jährige womöglich amtsmüde. Ob er bei der Wahl am 11. Mai noch einmal antritt, ist offen. Vielleicht äußert er sich beim Neujahrsempfang am 12. Januar.
Bühl: Einsatz bis zum letzten Arbeitstag
Im badischen Bühl geht eine Ära zu Ende. Hubert Schnurr (Freie Wähler) verlässt Ende September das Rathaus der 29 000-Einwohner-Stadt, zwei Jahre vor dem eigentlichen Ende seiner Amtsperiode. Oberbürgermeister war er zwar erst seit 2012, zuvor arbeitete der 69-Jährige dort aber schon als Beigeordneter und Bauamtsleiter, insgesamt 32 Jahre. Eigentlich hatte Schnurr seinen Rücktritt so geplant, dass die OB-Wahl gleichzeitig mit der Bundestagswahl stattfinden würde, doch der Bruch der Ampel machte ihm einen Strich durch seine Rechnung.
Sindelfingen: Überraschender Rückzug nach 24 Jahren
In Sindelfingen tritt der seit 2001 amtierende Oberbürgermeister Bernd Vöhringer (CDU) nicht mehr an. Seinerzeit als jüngster OB Deutschlands ins Amt gewählt, ist für den 56-Jährigen nach drei Amtszeiten 2025 Schluss, was in der Mercedes-Stadt einiges an Verwunderung ausgelöst hat. Vöhringer gilt in der Bevölkerung als populär: Der Politiker zog im Juni auf Listenplatz eins für die CDU in die Regionalversammlung und war bei der jüngsten Kreistagswahl Stimmenkönig. Als erster Kandidat für die Wahl am 11. Mai hat Lukas Rosengrün (SPD) seinen Hut in den Ring geworfen. Der 40-Jährige ist seit 2020 Bürgermeister der 9500-Einwohner-Gemeinde Ehningen im südwestlichen Kreis Böblingen. Als gebürtiger Sindelfinger will er die Chance, OB in seiner Heimatstadt zu werden, nicht ungenutzt verstreichen lassen. Als zweiter Kandidat gab am Freitag vor Weihnachten der 25-jährige Jurist Maximilian Reinhardt seine Kandidatur bekannt. Reinhardt gilt als lokalpolitischer Tausendsassa: Der Wirtschaftsanwalt sitzt seit 2019 für die FDP im Sindelfinger Gemeinderat, betreibt nebenher ein Digital-Start-up und stellte während Corona eine viel beachtete Nachbarschaftshilfe auf die Beine, aus der nach 2022 eine große Hilfsaktion für die Ukraine wurde. Seine Promotion zum Dr. jur. will er im Falle einer Wahl zu Beginn seiner Amtszeit fertigstellen.
Geislingen/Steige: Gemecker macht den OB mürbe
Keine drei Jahre ist es her, da ist Frank Dehmer mit klarer Mehrheit wieder gewählt worden. Ende November hat der parteilose Geislinger Oberbürgermeister nun überraschend seinen vorzeitigen Rückzug angekündigt. „Irgendwann kommt jeder an seine Grenzen, und ich werde nicht darauf warten, bis ich diese überschritten habe und es zu spät ist“, sagte der 51-Jährige. Offenbar hat ihn jahrelanges Gemeckere im Gemeinderat mürbe gemacht. Namen nannte er nicht, aber einzelne Stadträte hätten sich immer wieder in den Vordergrund gespielt. Noch bis Ende Juni will Dehmer amtieren, die Neuwahl wird am 6. April stattfinden. Nun sind die Parteien gefordert, mögliche Nachfolger zu präsentieren. Die östlichste Stadt der Region Stuttgart mit ihren 30 000 Einwohnern bietet kein leichtes Spiel: In den vergangenen Jahren galt es, neben dem Abzug etlicher Unternehmen die Schließung des Krankenhauses und eines Gymnasiums zu verdauen.
Giengen/Brenz: Freiparken, wenn der OB Urlaub macht
Wenn Dieter Henle Urlaub hat, merken aufmerksame Giengener das sofort. Dann steht am Parkplatz, der normalerweise für die Karosse des Oberbürgermeisters reserviert ist, ein Hinweisschild: „Hier dürfen Sie parken, ich bin im Urlaub.“ Kein Wunder, dass der 49-Jährige beliebt ist in der 20 000-Einwohner-Stadt dicht an der bayerischen Grenze. Fleißig sei er und ständig unterwegs, gebe sich bürgernah und besuche fast jede Vereinshauptversammlung, heißt es aus dem Gemeinderat. Dort ist man allerdings auch von seiner inhaltlichen Arbeit überzeugt. Er treibe die Projekte voran, die sich um Sanierungsgebiete, Industrieparks, Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen drehten, und sei stets kompetent. Bei der Wahl am 20. Juli muss der parteilose Politiker kaum mit ernst zu nehmender Konkurrenz rechnen.
Horb: Verzeihen die Bürger den untreuen Rathauschef?
Schon zweimal hat Peter Rosenberger (CDU) Horb verlassen wollen. Zuletzt scheiterte der 52-Jährige im Herbst bei der Landratswahl in Esslingen. Jetzt ist die Frage, ob ihm die Wähler diesen Ausflug verzeihen so wie bei seiner ersten Wiederwahl vor acht Jahren. Damals war er kurz zuvor bei der OB-Wahl in seiner Heimatstadt Mannheim angetreten und dem damaligen Amtsinhaber Peter Kurz (SPD) unterlegen. Allerdings hat Rosenberger auch noch nicht erklärt, ob er b
ei der Wahl, die voraussichtlich am 13. Juli stattfindet, überhaupt antreten will. Vor einem Jahr hatte er das mit Verweis auf Nervensägen im Gemeinderat noch offen gelassen. Er warte ab, wie die Kommunalwahl ausgehe.
Wangen/Allgäu: Nach der Gartenschau noch beliebter
Stehende Ovationen für einen Rathauschef gibt es nicht häufig – und wenn dann nur zum Abschied. Bei Michael Lang war das neulich anders. Da ergriff der CDU-Faktionschef Mathias Bernhard im Gemeinderat von Wangen im Allgäu das Wort. Die gerade zu Ende gegangene Landesgartenschau mit ihren eine Million Besuchern sei für die Stadt ein riesiger Erfolg gewesen und er spreche im Namen von allen Räten, wenn er sage: „Das ist ihr Verdienst!“ Er lobte Langs unermüdlichen Einsatz, aber auch seine Gabe, alle Bürger „mitgenommen“ zu haben. Seit 2001 amtiert der parteilose Lang in der 27 000 Einwohner-Stadt im äußersten Südosten des Landes. Schon zweimal ist er mit annähernd 100-prozentiger Zustimmung wiedergewählt worden, und niemand zweifelt daran, dass ihm dies auch ein drittes Mal gelingt. Dass er weiterhin Lust hat auf den OB-Posten, hat der 59-Jährige schon angekündigt. Die Wahl wird im Herbst stattfinden. Lange Amtszeiten sind in Wangen übrigens nichts Neues. In 80 Jahren gab es überhaupt nur drei verschiedene Rathauschefs.