Frauen in der Arbeitswelt
Vorbilder sind für Frauen immer noch immens wichtig
Netzwerke sind notwendig, um beruflich voranzukommen. Vor allem Frauen, die sich untereinander bestärken, können die eigene Karriere voranbringen. In der Region haben sich inzwischen in vielen Sparten Netzwerke von Frauen etabliert.
Von Nina Ayerle
Frauennetzwerke sind nicht dazu da, um ein bisschen zu plaudern oder Kaffee zu trinken – wie manches Klischee vielleicht glauben lassen mag. Vielmehr bieten sie Frauen die Chance, gemeinsam zu wachsen, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen und die eigene Karriere voranzutreiben. Die Berufswelt war lange von Männern dominiert, in vielen Branchen, aber auch in Chefetagen und Aufsichtsräten gab es lange vornehmlich nur ein Geschlecht: Männer. Frauen hatten und haben es daher schwer, sich nach oben zu arbeiten. Und ohne ein gutes Netzwerk ist dies oft fast aussichtslos.
Frauen brauchen Frauen
Bettina Kies-Hartmann ist Initiatorin des Forums Frauennetzwerke und hat von Beginn ihrer beruflichen Laufbahn an gelernt, wie wichtig Netzwerke mit anderen Frauen sind. Nicht nur, um selbst davon zu profitieren, sondern vor allem um Frauen für geeignete Positionen an der Hand zu haben. Heute ist sie Personalrätin und Aufsichtsrätin bei der LBBW. „Mir war es wichtig, auch die Frauen an der Basis zu vernetzen“, sagt sie.
Ihr sei schon früh aufgefallen, dass Frauen eine andere Förderung benötigen. Bettina Kies-Hartmann war bis 2005 bei der BW-Bank, die 2005 von der LBBW übernommen wurde. „Ich erlebe auch ganz aktuell wieder bei einer jungen Frau, die dieselben Voraussetzungen wie ein junger, männlicher Kollege hat, dass sie sich weniger zutraut“, erzählt Kies-Hartmann am Telefon. „Ich wünsche den jungen Frauen dann immer, dass sie ein bisschen etwas von dem Mut von Männern haben.“
Aber dafür brauche es oft viel Unterstützung, Überzeugungsarbeit und eine intensivere Ansprache. Oft fehle es Frauen an Selbstbewusstsein, um sich für Positionen ins Spiel zu bringen. Männer hingegen gingen ihrer Erfahrung nach ganz anders an Bewerbungen heran. „Die sehen: 30 Prozent kann ich, 30 Prozent kann ich lernen, und die anderen 30 Prozent brauche ich gar nicht. Aber die sind dann immer noch erst bei 90 Prozent und merken das gar nicht“, sagt Kies-Hartmann. Frauen hingegen seien oft eingeschüchtert, wenn sie eine Stelle nicht bereits zu 100 Prozent im Voraus erfüllen können.
Jeden Tag eine andere Frau loben
„Letztlich geht es beim Netzwerken für mich nicht unbedingt darum, dass es nur Frauen sind. Ich habe auch viele gute Netzwerke mit Männern“, sagt sie. Aber sie habe erkannt, dass sie in ihrer Position für viele Frauen etwas tun könne. Zudem habe sie selbst oft erlebt – wenn sie in reinen Männerdomänen gearbeitet habe – dass sie häufig abgedrängt wurde, Männer ihr Aufgaben und Positionen streitig machen wollten. „Deshalb ist mein Credo: Jeden Tag einmal gut über eine andere Frau sprechen. Es ist wichtig für andere Frauen einzustehen, nicht nur für sich selbst.“
Im Zusammenhang mit Aufstiegschancen für Frauen wird in Deutschland gerne die Krabbenkorbmetapher verwendet. Krabben wird fälschlicherweise nachgesagt, dass sie einfach aus einem Krabbenkorb entkommen könnten. Wenn eine Krabbe allerdings versuche, aus dem Korb zu steigen, werde sie von anderen Krabben wieder zurückgezogen. Diesen Mythos über Frauen gebe es heute noch oft, sagt Kies-Hartmann. Sie selbst habe aber nie erlebt, dass sich Frauen gegenseitig behindern. „Ich fördere Frauen. Ich finde es gut, wenn sie weggehen oder aufsteigen, um weiterzukommen. Das hatte bisher bei mir noch nie einen Einfluss auf unser Verhältnis“, sagt die Aufsichtsrätin, die auch im Netzwerk Frauen in die Aufsichtsräte (FidAR) e. V. engagiert ist.
Die Sichtbarkeit in der Arbeitswelt fehlt oft noch
Ihr Ziel sei es, mit ihren Netzwerken Frauen Mut zu machen, unterschiedliche Blickwinkel zu vermitteln und ihnen das Gefühl zu geben: „Du bist nicht allein mit deinen Themen.“
In der Region haben sich inzwischen 14 Frauennetzwerke aus unterschiedlichen Berufsgruppen, aber auch mit spezieller Orientierung wie die Working Moms (auf Deutsch: arbeitende Mütter), zusammengetan, um sich gegenseitig zu fördern und auszutauschen. Zum vierten Mal treffen sich nun am 25. Mai 2023 Frauennetzwerke aus der Region Stuttgart zu einem Frühjahrsempfang, um sich zu gesellschaftsrelevanten Themen auszutauschen. Das Motto: weiblich – stark – vernetzt. „Wir haben hier in der Region sehr starke und vielfältige Netzwerke“, sagt Kerstin Heiligenstetter, stellvertretende Projektleiterin für den Frühjahrsempfang 2023 Forum Frauennetzwerke Region Stuttgart. „Es sind dort natürlich auch Männer willkommen“, sagt sie.
Aber wozu braucht es Frauennetzwerke? „Auch um Frauen sichtbar zu machen“, betont Heiligenstetter. Frauen seien von Haus aus sehr gut darin, Netzwerke zu bilden, häufig aber eher im Privaten. „In der Arbeitswelt gehen sie oft nicht so strategisch vor“, sagt sie. „Und Frauennetzwerke öffnen eben anderen Frauen Türen.“
Frauen fehle es in der Arbeitswelt auch noch an Vorbildern. „Da kann es gut sein, sich mit Frauen aus anderen Firmen oder Branchen zu vernetzen“, sagt Heiligenstetter. Gerade die Vielfalt im Forum sei bemerkenswert. Manche Netzwerke konzentrierten sich vor allem auf das eigene Unternehmen wie die Women@bosch-feuerbach oder auch das Women Network bei Mercedes Benz. Der Verband Working Moms hingegen konzentriere sich vor allem darauf, die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie zu unterstützen. „Aber auch Zonta macht eine wichtige Arbeit, die sich um den Schutz von Frauen und Mädchen kümmern“, sagt Kerstin Heiligenstetter.
Frauen haben im Beruf immer noch eine besondere Situation
Und selbst wenn Frauen inzwischen Bundeskanzlerin oder Aufsichtsrätin werden können, eigene Netzwerke sind dennoch wichtig – da sind sich Heiligenstetter und Kies-Hartmann einig. „Das kommt auch nicht aus der Mode“, sagt Heiligenstetter.
Netzwerke brauche es immer, ist auch Heike Fiestas Cueto, erste Vorsitzende des Business and Professional Women (BPW) Germany – Club Stuttgart e. V. überzeugt „Menschen, die gemeinsam für ein Ziel brennen und sich zusammen tun, sind immer wichtig.“ Im BPW unterstützen sich Frauen unterschiedlichster Hierarchieebenen und Branchen bei der Entwicklung ihrer beruflichen Potenziale.
Doch warum nur Frauen? Frauen hätten eine „eigene Situation“ in der Berufstätigkeit – auch heute noch. „Wir wollen eine gleiche Teilhabe in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft“, sagt Fiestas Cueto. Für sie persönlich sei es wichtig gewesen, Frauen kennenzulernen, mit denen sie sich speziell über berufliche Themen austauschen konnte. Bei privaten Kontakten drehe sich viel um Kinder und Familie. „Das habe ich immer als bereichernd empfunden und neue Berufsfelder und andere Unternehmen kennengelernt“, sagt Fiestas Cueto, die als Organisationsentwicklerin in einem Unternehmen arbeitet.
Frauennetzwerke in der Region Stuttgart
Veranstaltung Der Frühjahrsempfang findet am 25. Mai 2023 ab 17.30 Uhr in der BW-Bank Stuttgart, Kleiner Schlossplatz statt. Karten sind für 35 Euro über die Website www.forum-frs.de erhältlich.
NetzwerkeBPW Business and Professional Women Stuttgart e. V. (https://www.bpw-stuttgart.de); BW-Bank BeWoman (https://www.bw-bank.de/de/home/privatkunden/persoenliche-beratung/frauen-und-finanzen/bewoman.html); EWMD European Women Management Development Network e. V. (https://www.ewmd.org); fim Vereinigung für Frauen im Management e. V. (https://fim.de); Frauen in die Aufsichtsräte (FidAR) e. V. (https://www.fidar.de); frauen-unternehmen e. V. (https://www.frauen-unternehmen.info); Stuttgarter Frauenstiftung (https://stuttgarter-frauenstiftung.de); Verband deutscher Unternehmerinnen e. V. (VDU) (https://www.vdu.de); webgrrls.de e. V. (https://www.webgrrls.de); Verband Working Moms e. V. (https://workingmoms.de); ZONTA Club Stuttgart (https://zonta-stuttgart.de); Firmeninterne Netzwerke: women@bosch-feuerbach; Women Network Mercedes Benz; Women’s Business Network Mercedes-Benz Mobility. (nay)