Vorsichtiger Optimismus in Sachen Klinikreform

Die Verantwortlichen der Rems-Murr-Kliniken sehen sich gut gerüstet für die Zukunft und mit klaren Vorteilen gegenüber anderen Krankenhäusern. Kritisch gesehen wird jedoch, dass es für die Kliniken keine kurzfristigen finanziellen Hilfen gibt. Vieles hängt davon ab, wie die Gesundheitsreform weiter ausgestaltet wird.

Die Coronapandemie hat die Kliniken stark gefordert und wirkt sich langfristig auf die Finanzen der Krankenhäuser aus. In der geplanten Klinikreform wird das nicht ausreichend berücksichtigt, lautet die Kritik. Archivfoto: Alexandra Palmizi

© ALEXANDRA PALMIZI

Die Coronapandemie hat die Kliniken stark gefordert und wirkt sich langfristig auf die Finanzen der Krankenhäuser aus. In der geplanten Klinikreform wird das nicht ausreichend berücksichtigt, lautet die Kritik. Archivfoto: Alexandra Palmizi

Von Lorena Greppo

Rems-Murr. Bundesweit sind viele Kliniken – auch durch die Coronakrise – in schwieriges Fahrwasser geraten. Geplante OPs wurden damals verschoben, was weniger Patienten und somit weniger Einnahmen bedeutete. Zugleich haben sich die Kosten enorm erhöht, etwa durch Inflation und Energiekrise. Zwar gab der Staat Mittel, um den Schaden zumindest ein Stück weit auszugleichen. Die Konsequenz ist dennoch: Einigen Kliniken droht die Insolvenz. Eine Neuaufstellung der Krankenhäuser soll solche Szenarien künftig abwehren, Minister Karl Lauterbach stellte jüngst die Eckpunkte der Reform vor, welche das Krankenhauswesen revolutionieren soll. Doch wie wirkt sich die Reform konkret aus?

Vorteile gegenüber anderen Krankenhäusern

In den Rems-Murr-Kliniken steht zwar nicht die Existenz auf dem Spiel, doch Geldsorgen kennt man auch hier. Jährlich verzeichnen sie ein Minus in zweistelliger Millionenhöhe – das fängt der Kreis als Träger auf. Insofern sind die Verantwortlichen auch nur vorsichtig optimistisch im Hinblick auf die Reform. Landrat Richard Sigel sieht einen entscheidenden Vorteil für die beiden Kliniken: „Wenn künftig 60 Prozent der Krankenhauskosten über Vorhaltevergütungen finanziert werden, ist das für unsere Kliniken mit ihren beiden sehr gut aufgestellten Standorten ein klarer Vorteil gegenüber anderen Häusern, die bisher weniger zukunftsorientiert unterwegs waren.“ Und auch Klinikgeschäftsführer André Mertel sagt: „Wir blicken zuversichtlich in die Zukunft, denn der langfristige Nutzen der Reform für die Rems-Murr-Kliniken ist klar erkennbar.“ Die Steigerung der Qualität, die man schon seit Jahren vorantreibe, werde belohnt, etwa durch eine gute Einstufung (siehe Infotext).

Die Lage bleibt für viele Kliniken vorerst prekär

Aktuell geht man in den Rems-Murr-Kliniken davon aus, dass für den Standort Schorndorf Level zwei und für den Standort Winnenden Level drei, also die höchstmögliche Stufe, vergeben wird. Die Expertise, welche aktuell in 20 Fachkliniken und 31 spezialisierten Fachzentren geboten wird, könne weiter ausgebaut werden – ein Plus für die Patientinnen und Patienten.

Und dennoch gibt es auch Kritik an den Reformplänen. „Eine Krankenhausreform ist dann begrüßenswert, wenn sie die Finanzierung von Krankenhäusern mittel- und langfristig sichert und zum Wohle der Patientinnen und Patienten eine möglichst gute Gesundheitsversorgung sicherstellt“, teilt eine Pressesprecherin der Rems-Murr-Kliniken mit. Ob das gelingt, hänge stark davon ab, wie die Reform weiter ausgestaltet wird. Denn aktuell zeichne sich ab, dass den Kliniken insgesamt nicht mehr finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. „Von der Politik wird ein Kliniksterben in Kauf genommen“, heißt es weiter. Und: „Krankenhäuser werden mit den immens gestiegenen Kosten weiterhin von der Politik alleingelassen; viele müssen in der Bittstellerposition bleiben.“ Die neue Finanzierung, bei der nicht mehr die Zahl der Patienten und somit die Fallpauschalen möglichst hoch sein müssen, sondern vorgehaltene Leistungen belohnt werden, greife nach jetziger Kenntnis frühestens in einigen Jahren, bis dahin bleibe die Situation für Krankenhäuser finanziell sehr prekär. Auch der Kreis könne ein Defizit in der aktuellen Höhe nicht dauerhaft ausgleichen.

Kritik: Kurzfristige Finanzierung fehlt

Der größte Kritikpunkt vonseiten der Rems-Murr-Kliniken bei den Verhandlungen von Bund und Ländern ist daher das Ausbleiben einer kurzfristigen Hilfe angesichts der langfristigen Auswirkungen der Coronapandemie und der immens gestiegenen Kosten. Denn langfristig könne die Reform durchaus für eine stabile Refinanzierung der Kosten sorgen. „Dazu muss aber auch das Gesamtvolumen passen, das von der Politik zur Verfügung gestellt wird“, so die Sprecherin der Kliniken. Ebenso müsse die Investitionsfinanzierung durch die Länder auf eine auskömmliche Basis gestellt werden, „weil Kliniken ja auch künftig rund 40 Prozent der Vergütungen über eine ‚Rest-Fallpauschale‘ erzielen werden.“ Wie so oft heißt es also für die Rems-Murr-Kliniken: Abwarten, was kommt.

Eckpfeiler der Reform

Pauschalen Das überholte System der Fallpauschalen wird durch die Reform beendet. Stattdessen bekommen notwendige Kliniken Vorhaltepauschalen – sie werden also dafür belohnt, dass sie verschiedene Fachbereiche und Behandlungen anbieten. Das heißt, sie bekommen eine Art Existenzgarantie, selbst wenn sie vergleichsweise wenige Behandlungen vornehmen.

Qualität im Fokus Somit bestimmt die Qualität und nicht mehr die Quantität die Versorgung. Patienten können sich darauf verlassen, dass ihre Behandlung wirklich nötig ist und gut gemacht wird.

Transparenz Der Bund legt nach der Sommerpause ein eigenes Gesetz zur Transparenz vor. Patienten haben ein Recht darauf, zu wissen, welches Krankenhaus welche Leistungen mit welcher Qualität anbietet. Die Kliniken werden unter anderem hierzu in drei Versorgungsstufen unterteilt. Nach aktuellem Stand wären in Level eins Krankenhäuser der Grundversorgung, in Level zwei Krankenhäuser der Regel- und Schwerpunktversorgung und in Level drei Krankenhäuser mit Maximalversorgung.

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Erstellt:
15. Juli 2023, 06:00 Uhr

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