Warnung vor fliederfarbener Postkarte
Backnanger ist skeptisch und entdeckt Betrug – Masche in Norddeutschland bekannt – Kostenloser Rückruf wird teuer
Es klingt angesichts der Aufmachung hochoffiziell: „Wichtige Mitteilung. Diese Nachricht ist privat und muss vertraulich behandelt werden.“ Das ist schon die erste Auffälligkeit, denn da es sich um eine Postkarte handelt, kann das jeder – beispielsweise der Postbote – eindeutig lesen. Es geht um einen möglichen Rentengewinn, die Auszahlungssumme soll 120000 Euro in zehn Jahren, also 1000 Euro im Monat, betragen.

© Pressefotografie Alexander Beche
Günther Heldsdörfer ist glücklicherweise skeptisch, was Gewinnversprechen angeht. So ist es ihm sofort suspekt vorgekommen, als er diese Karte im Briefkasten fand. Foto: A. Becher
Von Yvonne Weirauch
BACKNANG. Als der Backnanger Günther Heldsdörfer diese fliederfarbene Postkarte in seinem Briefkasten vorgefunden hat, war ihm gleich klar: Hier stimmt etwas nicht. Der 80-Jährige ließ sich von den abgedruckten Worten „Wichtiges Dokument“; „Achtung: vertraulich! Zustellung nur an den Empfänger“ nicht beeindrucken. „Meine Name, meine Adresse – alles ist richtig geschrieben. Aber es kam mir gleich suspekt vor“, so der Senior.
Auf der Karte steht ein Absender: Firma HCC GmbH, Flughafenstraße 52A, 22335 Hamburg. Bei der „wichtigen Mitteilung“ handelt es sich um eine Zehnjahresrente im Wert von 120000 Euro. Um diese zu bekommen, soll man umgehend mit seiner persönlichen Referenznummer eine Gratis-0800-Hotline anrufen. Melden sollte man sich bis zu einem gewissen Datum, das angegeben wird. Sogar ein Siegel – „Geprüft und freigegeben von PSN/Prüfstelle Nord“ – ist aufgedruckt. Auch wenn die Karte auf den ersten Blick per Handschrift ausgefüllt wirkt, erkennt man beim genaueren Hinsehen die maschinelle Bearbeitung. Die persönliche Referenznummer gilt als Gewinncode, doch Gewinnchancen und Überwachung des Ablaufs der Ziehung sind ungeklärt.
Firmenname gegoogelt
und Artikel gefunden
Die Unterschrift der Leitung der Abteilung Gewinnchancen ist kaum zu entziffern. Und während die Telefonnummer klar und deutlich lesbar ist, sind die wichtigen Teilnahmebedingungen und die Datenschutzinformation umso kleiner geschrieben. Im schwer lesbaren Textblock wird dann auch kurz die eigentliche Absicht des Veranstalters erläutert: „Im Anschluss an die Registrierung erhalten Sie auf Wunsch exklusive Informationen zu attraktiven entgeltlichen Offerten zur GKL der Lotterie-Einnahme Boesche.“ Laut Verbraucherzentrale Baden-Württemberg bedeute das eventuell, dass Abos von Spielgemeinschaften für das deutsche Lotto abgeschlossen werden.
Günther Heldsdörfer hat sich nach Erhalten der Postkarte an den Computer gesetzt und gegoogelt: „Ich habe die Firma HCC GmbH eingegeben und wurde fündig.“ Aufgeführt sind mehrere Artikel aus Norddeutschland. Beispielsweise: „Rostocker deckt Betrug auf“; „Abzocke? Mitteilung über Zehnjahresrente von HCC GmbH Hamburg“; „Gewinnchance: Firma will Rentner abzocken.“ Vorfälle, die sich schon im vergangenen Jahr ereignet hatten.
Im Rems-Murr-Kreis seien noch keine fliederfarbenen Postkarten aufgetaucht, sagt Polizeipressesprecher Rudolf Biehlmaier. Fälle aus Süd- und Norddeutschland seien bekannt: „Trickreich und windig ist diese Masche. Wer darauf reinfällt, hat schnell verloren.“ Es sei schwierig von Betrug zu sprechen, wenn alleine nur die Postkarte verschickt werde, versucht Biehlmaier zu beschreiben. Polizei und Staatsanwaltschaft könnten erst im Falle eines vorliegenden Betrugs tätig werden.
Diese Erfahrung hat Günther Heldsdörfer bereits gemacht: Ein paar Wochen bevor er die Postkarte erhielt, wurde er schon mal Opfer eines Betrugsversuchs. „Ich war im Urlaub in meiner Heimat Rumänien“, erzählt der 80-Jährige, der seit gut 45 Jahren in Backnang lebt. „Als ich wieder in Deutschland war, hatte ich eine Nummer mit Münchner Vorwahl auf meinem Telefondisplay.“ Diese Nummer rief Heldsdörfer zurück und hatte „irgendeine Kanzlei“ am anderen Ende. Man fragte ihn, was sein Anliegen sei. Er sagte, die Nummer habe er auf seinem Telefon gehabt und nun rufe er zurück. Er wurde an eine Dame weiterverbunden, die ihm sagte, ihn erwarte ein Gewinn in Höhe von 145000 Euro, die eine Firma für ihn verwaltet habe. Das Geld werde ihm von der Frankfurter Zentralbank überwiesen, wenn er in einen Supermarkt gehen und dort Amazon-Gutscheine im Wert von 200 Euro kaufen würde. „Die Dame sagte dann, ich solle da die Rückseite aufrubbeln und ihr dann die Zahlen nennen“, so der Rentner. Er habe immer wieder nachgefragt und nur knappe Antworten erhalten. Nach Beendigung des Telefonats rief Heldsdörfer die Polizei an. „Aber da sagte mir der Beamte, dass man nichts unternehmen könne, solange der Betrug noch nicht stattgefunden habe“, gibt es der Backnanger mit seinen Worten wieder. Er wählte die Münchner Nummer noch einmal, und wurde zu seiner vorherigen Ansprechpartnerin weiterverbunden. Er stellte weiter Fragen – aber mehr zum Possen – warum er „in Vorkasse gehen sollte, wenn er doch eigentlich was gewonnen habe“. Die Frau versuchte Worte zu finden, die Heldsdörfer aber eher zum Schmunzeln brachten: „Ich sagte schließlich, sie solle mal bei der Polizei Backnang anrufen, da würde man es ihr erklären.“ Damit sei das Telefonat beendet gewesen.
Diese Betrugsmasche wiederum ist im Polizeipräsidium Aalen bekannt: „Diese Art von Anrufen schwappt gerade wie eine Welle über“, bestätigt Biehlmaier. Vor Kurzem habe die Polizei über die Medien dahin gehend eine Warnung veröffentlicht: „Im gesamten Präsidiumsbereich kommt es vermehrt zu Anrufen von vermeintlichen Anwaltskanzleien, Notariaten oder Behörden. Die Masche ist immer dieselbe: Den Angerufenen wird suggeriert, sie seien die glücklichen Gewinner eines Gewinnspiels. Um den Gewinn abrufen zu können, müssten sie lediglich noch eine Sicherheitsleistung hinterlegen. Die Betrugsmasche, welche mit den falschen Gewinnversprechen operiert, wird aktuell mit der Vorwahl 089 für München ausgeführt. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Betrüger sich auch anderer Nummern bedienen.“
Heldsdörfer möchte keine Anzeige wegen der Postkarte erstatten, er schüttelt nur mit dem Kopf: „Eigentlich ist das eine große Schweinerei.“ Er wird weiterhin darauf achten, skeptisch zu reagieren, wenn ihm irgendwelche Gewinnversprechen ins Haus flattern.