Besorgniserregende Entwicklung

Warum der globale Wasservorrat plötzlich geschrumpft ist

Der weltweite Vorrat an Süßwasser ist 2014 abrupt abgesunken und hat sich seither nicht erholt, wie Satellitendaten belegen. Diese ausbleibende Erholung unterscheidet den aktuellen Wasserverlust deutlich von früheren Trockenperioden.

Wo sind all die Wassermassen hin? Skógafoss-Wasserfall in Island.

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Wo sind all die Wassermassen hin? Skógafoss-Wasserfall in Island.

Von Markus Brauer

Wasser ist die Quelle allen Lebens auf der Erde. In Zeiten der Globalisierung und des Klimawandels steht die Menschheit vor großen Herausforderungen, dieses kostbare Gut zu schützen und für nachfolgende Generationen zu bewahren.

Wasser – vor allem sauberes – wird zunehmend knapp. Wassermangel führt zu Krankheiten und beeinträchtiget die Gesundheit, schafft Lebensmittelunsicherheit, Mangelernährung und Krankheiten wie Durchfall. Wasserknappheit beeinträchtigt auch Landwirtschaft, Industrie und Wirtschaftswachstum.

Menschlicher Eingriff in den Wasserkreislauf

Der Kreislauf von Verdunstung und Niederschlag prägt den irdischen Wasserkreislauf und hält ihn im Gleichgewicht. Doch in den letzten Jahrzehnten hat der Mensch immer stärker in diese Balance eingegriffen: durch Ausbeutung von Grundwasserreservoiren und Gewässern, Versiegelung der Böden sowie Veränderungen des Klimas.

Die Folgen sind dramatisch: Die weltweite Verdunstung um zehn Prozent zugenommen. In Asien rücken die Wüsten vor. Selbst im wasserreichen Deutschland sind die Grundwasserspiegel gesunken.

22 Millimeter unter dem Soll

Neue Satellitendaten enthüllen ein weiteres Problem: Seit dem Jahr 2014 sind die weltweiten Süßwasservorräte abrupt und plötzlich abgesunken. Das Besorgniserregende: Bis heute haben sie nicht mehr erholt.

Insgesamt fehlen in den planetaren Wasserspeichern wie Seen, Flüssen und Grundwasser rund 22 Millimeter Pegel oder umgerechnet rund 1200 Kubikkilometer Wasser gegenüber dem langjährigen durchschnittlichen Bestand, wie ein Forscherteam um Matthew Rodell vom Goddard Space Flight Center der Nasa in Greenbelt (US-Bundesstaat Maryland) ermittelt hat. Die Studie ist im Fachmagazin „Surveys in Geophysics“ erschienen.

Try economic growth without water The taps may well run dry for many millions NASA satellites reveal abrupt drop in global freshwater levels Earth's continents have entered a persistently drier phase.https://t.co/yhYvqPtV5Fpic.twitter.com/v6yHWJiTBu — GO GREEN (@ECOWARRIORSS) November 18, 2024

Klima-Satellit weit auf gravierendes Wasserproblem hin

Entdeckt haben die Forscher den abrupten Wasserverlust, als sie Daten der GRACE- und GRACE-FO-Missionen aus den letzten 20 Jahren analysierten.

  • Zur Info: Der Doppelsatellit Gravity Recovery and Climate Experiment (GRACE) ist ein Projekt zur genauen Bestimmung des Erdschwerefeldes in einer niedrigen Umlaufbahn. Das 2002 gestartete Projekt wurde 2018 mit neuen Satelliten als GRACE-FO fortgesetzt.

Diese Satelliten vermessen das Schwerefeld der Erde und können darüber auch ermitteln, wie viel Süßwasser in der Atmosphäre, im Eis oder als flüssiges Wasser in Seen, Flüssen und Grundwasser der Kontinente gespeichert ist. Zusätzlich zog das Team Vergleichsdaten weiterer Satelliten sowie hydrologischer Erdsystemmodelle heran.

Anhaltende Trockenperioden

Die Auswertungen zeigen, dass der plötzliche Verlust an Süßwasser mit dem Einsetzen eines starken El Niño im Jahr 2014 begann. Diese bis Anfang 2016 andauernde Klima-Anomalie im Pazifik führte zunächst zu einer schweren, monatelang anhaltenden Dürre in Südamerika. „Sie war das extremste Dürreereignis in der gesamten GRACE-Datenreihe“, berichten Rodell und sein Team.

Durch die vom El Niño veränderten Luftströmungen gab es in dieser Phase weitere Trockenperioden auf der Südhalbkugel. Der globale Vorrat an flüssigem Süßwasser sank dadurch von 2014 bis 2016 um insgesamt 23 Millimeter. Eine als solches zwar drastische, aber nicht außergewöhnliche Abnahme, wie die Vergleichsdaten belegten.

Wasserreserven erholten sich nach El Niño nicht mehr

Anders als in früheren Trockenperioden erholten sich die Wasserreserven diesmal nicht mehr. „Der globale terrestrische Wasservorrat ist seit dieser anfänglichen Abnahme niedrig geblieben“, schreiben die Forscher.

Analysen zufolge geht der aktuelle Wasserverlust über die normalen, natürlichen Schwankungen früherer Zeiten hinaus. „Die Tests sprechen stark dafür, dass der abrupte Wasserverlust von 2014 bis 2016 eine statistische Anomalie darstellt. Er zeigt eine abrupte Verschiebung der globalen terrestrischen Wasserbestände an“, erklären die Forscher.

Gehäufte Dürren und Übernutzung

Ursache für den seither anhaltenden Wasserverlust ist demzufolge eine Häufung von Dürren, die sich auch nach dem El Niño fast allen Kontinenten ereigneten. „13 der 30 schwersten Dürren haben sich seit Januar 2015 ereignet“, heißt es in der Studie.

Die betroffenen Gebiete umfassen rund 52 Prozent der gesamten Landoberfläche ausgenommen die Eisflächen Grönlands und der Antarktis“, berichten Rodell und seine Kollegen. Neben Südamerika und Asien ist auch Europa betroffen. Hier ließ vor allem die Rekorddürre von 2018 bis 2020 die Wasservorräte schrumpfen.

Den größten Rückgang an Süßwasser verzeichnet Asien. Dort gab es die schwersten Dürren, gleichzeitig werden die Wasserreserven durch Übernutzung zusätzlich verringert.

Verdunstung und Starkregen verschärfen die Lage

Selbst außerhalb der Dürren regenerieren sich die Wasservorräte, insbesondere des Grundwassers, langsamer als früher. Dies liegt zum einen daran, dass stark ausgetrocknete Böden weniger saugfähig sind als feuchte.

Regen fließt an der Oberfläche ab, statt einzusickern. Dies gilt besonders dann, wenn die Niederschläge als Starkregen fallen. Gleichzeitig ist aber auch die Verdunstung gestiegen und damit der schleichende Wasserverlust aus dem Untergrund.

Nach Ansicht der Forscher ist zumindest ein Teil des Süßwasserschwunds auf den Klimawandel und die durch die Erwärmung veränderten Wettermuster zurückzuführen. „Höhere Temperaturen erhöhen sowohl die Verdunstung als auch die Wasserspeicher-Kapazität der Atmosphäre“, erklärt Rodell. Dies macht einerseits Dürren häufiger und intensiver und verstärkt andererseits Starkregen.

Vorbote der kommenden Verhältnisse?

Noch ist unklar, ob die wasserarme Phase der letzten zehn Jahre nur vorübergehend ist oder ein langfristiger Trend. Die Forscher halten es für wahrscheinlich, dass das abrupte Absinken der Wasserreserven und die fehlende Erholung kein bloßer Ausreißer sind.

Möglicherweise kündigt der aktuelle Zustand eine dauerhafte Verschiebung des irdischen Wasserkreislaufs an – hin zu mehr Wasserdampf in der Atmosphäre und weniger Süßwasser in Seen, Flüssen und Grundwasserreservoiren an Land. „Wir halten dies nicht für einen Zufall. Es könnte ein Vorbote der kommenden Verhältnisse sein“, warnen die Experten.

Konflikte um Wasser nehmen zu

Laut „Weltrisikobericht“ verschärft der Klimawandel Probleme mit der Wasserversorgung und erhöht die Verwundbarkeit von Gesellschaften. Bei extremen Naturereignissen wie einer Überschwemmung oder einem Wirbelsturm entstehe in Ländern mit schlechter Wasserversorgung wahrscheinlicher eine Katastrophe.

Ein Drittel der Weltbevölkerung leidet unter Wassernot. Vor allem in Afrika und in weiten Teilen Asiens führt das Bevölkerungswachstum zu einem höheren Wasserverbrauch Infolgedessen sinken die Grundwasserspiegel, Flüsse trocken aus, das Vieh verhungert, die Ernten vertrocknen und die Menschen hungern und leiden Durst.

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Erstellt:
19. November 2024, 12:10 Uhr

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