Blockade in der Öffentlichkeit

Warum es bei Männern an Pissoirs nicht läuft

Die Blase drückt, man öffnet die Hose und will loslassen: Doch plötzlich stellt sich jemand ans benachbarte Becken – und es geht nicht mehr. Ein Fachmann erklärt, warum dahinter die Psyche steckt.

Es gibt Momente, in denen Man(n) lieber allein ist.

© Imago/Manuel Stefan

Es gibt Momente, in denen Man(n) lieber allein ist.

Von dpa/Markus Brauer

Laufenlassen, wenn die Blase drückt. Urinieren ist eine der vermeintlich einfachsten Sachen der Welt. Doch an öffentlichen Pissoirs läuft es bei gar nicht so wenigern Männern gar nicht, sobald sie nicht allein sind.

Die Gründe dafür liegen im Kopf: Es sei wie eine kleine mentale Blockade, sagt der Psychotherapeut Enno Maaß. Und die kann auch zu einem massiven Leiden werden.

Warum kann Man(n) nicht loslassen?

Viele Männer dürften das kennen: Obwohl sich die Blase massiv meldet, können sie am öffentlichen Urinal nicht loslassen, wenn jemand direkt neben ihnen steht. Woran liegt das?

„ Zum Wasserlassen benötigen wir eine Entspannung des Blasenschließmuskels. Und die kriegt man nur hin, wenn man selbst auch einigermaßen entspannt ist“, erklärt Enno Maaß. Nun sei das Harnlassen am Pissoir eine recht intime Angelegenheit, weil man sein Geschlechtsorgan in die freie Luft bewege. „Wenn jemand neben einem auch pinkelt, kann das diese Intimität stören.“

Wird man dann angespannt, geht häufig ein Gedankenkarussell los. Man fragt sich: „Jetzt stehe ich hier schon eine Weile und kann gar nicht pinkeln. Und der neben mir denkt jetzt vielleicht schon, warum der am Pissoir steht und gar nicht pinkelt?“ Dadurch wird man noch angespannter und es wird noch schwieriger, den Blasenmuskel zu lockern.

Warum blockiert der Kopf den Körper?

Man könne das als „kleine mentale Blockade“ begreifen, erläutert der Experte. Mentale Blockaden im eigentlichen Sinne entstünden oft in ausgereiften Drucksituationen. Etwa, wenn man in einer Prüfung Gedanken ans Versagen bekomme und darum blockiert sei. „Man steht in einer Bewertungssituation und funktioniert nicht mehr- Die Situation am Pissoir weist da durchaus Parallelen auf.“

Es könne etwa der Gedanke sein, dass man quasi seine Leistung am Pissoir gerade nicht erbringt, während der Nebenmann problemlos laufen lässt. Dazu glaube man vielleicht noch, dass man gerade andere aufhält, die hinter einem warten und ebenfalls pinkeln wollen. „Das sorgt für Druck, aber bei manchen auch für Angst- und Schamgefühle.

Warum schämt man sich, wenn die Blase gerade nicht will?

Wobei an sich nichts Schamhaftes dabei ist, wenn man Ruhe und Raum zum Pinkeln braucht. Das könnte man ja locker ansprechen, so würde man denken. Aber es scheint nicht so einfach zu sein. Im Grunde ist es ein harmloses Thema, über das wenig gesprochen wird, weil es so schambehaftet ist.

„Wenn sich das Ganze zu einer ausgewachsenen Angststörung ausweitet und zu massivem Leiden führt, spricht man von einer sogenannten Paruresis – umgangssprachlich auch Schüchterne Blase genannt. Hier könne eine Psychotherapie helfen, rät der Psychologische Psychotherapeut, der eine Praxis im ostfriesischen Wittmund betreibt und stellvertretender Bundesvorsitzender der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV) ist.

Wie lässt sich der Kopf austricksen?

Wenn man es schaffe, sich gedanklich aus der Situation herauszunehmen, könne das beim Lockerlassen helfen. Indem man sich zum Beispiel auf das Muster der Fliesen an der Wand fokussiert. Oder man macht die Augen zu und atmet tief ein und aus. „Das ist auch eine Frage der persönlichen Leidensfähigkeit. Manche gehen vielleicht lieber direkt in die Kabine.“

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Erstellt:
11. Februar 2025, 15:04 Uhr
Aktualisiert:
11. Februar 2025, 15:26 Uhr

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