Fetische und das Wesen menschlicher Lust

Warum Gummistiefel, Lack und Leder Fetischisten so sehr erregen

Woran denken Sie, wenn Sie das Wort Fetisch hören? An Lack und Leder, Strümpfe und Stiefel, Tattoos und Tabledance, Gel und Gummi? Dann haben Sie wohl zu viel Sigmund Freud gelesen.

Ob ein spezielles Material oder ein Gegenstand jemanden als sexueller Fetisch dient, hängt wesentlich davon ab, wer wie was trägt.

© Imago/Panthermedia

Ob ein spezielles Material oder ein Gegenstand jemanden als sexueller Fetisch dient, hängt wesentlich davon ab, wer wie was trägt.

Von Markus Brauer

Der österreichische Psychiater und Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud (1856-1939) gilt als einer der einflussreichsten Denker des 20. Jahrhunderts. Ihm haben wir auch die psychoanalytische Deutung des sexuellen Fetischismus zu verdanken.

Freud und der Fetischismus

In seinen „Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie“ aus dem Jahr 1905 formuliert der Tiefenpsychologe die grundlegenden Deutungen der „sexuellen Abirrungen“. Freud zufolge stammt die erregende, oft auch dem Fetischisten unbewusste Fantasie aus der kindlichen Erlebniswelt.

In seiner sexuellen Prävalenz ist der Fetischismus eine übersteigerte Zuneigung zu einzelnen Körperteilen, Kleidungsstücken, Utensilien, Materialien oder Situationen, bei der ein Gegenstand – der Fetisch – als Stimulus der sexuellen Erregung und Befriedigung dient.

Fetisch und BDSM

BDSM gehört streng genommen nicht zum Fetischismus, da sich dieser auf Objekte zur sexuellen Stimulation bezieht. Beide Neigungen können aber in der Praxis kombiniert werden.

Das Kürzel BDSM steht für „Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism“. Der Begriff meint sexuelle Verhaltensweisen und Vorlieben, die teils mit Schmerzen, Dominanz, Bestrafung und Unterwerfung einhergehen.

 

 

Magische Wirkung von Fetischen

Ursprünglich stammt der Begriff Fetisch nicht aus der Psychologie oder Sexualwissenschaft, sondern aus der Ethnologie (Völkerkunde) und Religionswissenschaft. Im 15. Jahrhundert brachten portugiesische Seefahrer von ihren Reisen nach Westafrika seltsam geschnitzte Tier- und Menschenfiguren mit. Da die Eingeborenen diesen Artefakten eine magische Wirkung zuschrieben, wurden sie von ihnen „fetiço“ genannt – portugiesisch für „Zauber“. Daraus wurde im 18. und 19. Jahrundert der Begriff Fetisch abgeleitet.

 

 

Fetische sind vor allem in der Religion des Voodoo (Westafrika, Haiti) weit verbreitet. Ein Fetisch kann ein Gott, aber auch ein Mensch, eine Pflanze, ein Tier oder ein bestimmtes Material sein. Auch Knochen toter Tiere wie etwa Affenschädel, die auf Märkten zum Verkauf angeboten werden, dienen als Fetische.

In Ritualen werden die Fetische aktiviert und ihre Eigenschaften so verstärkt. Die weiße Magie dient im Voodoo dazu, die Götter zu rufen und böse Geister zu vertreiben. In der schwarzen Magie hingegen werden gewalttätige Götter angerufen. In beiden Fällen bedient sich der Voodoo-Priester magischer Medizin und Utensilien.

Spielart sexuellen Verhaltens

Mit dem religiösen Fetischismus von Naturvölkern und animistischen Gesellschaften, die mit übernatürlichen Kräften aufgeladene Gegenstände verehren, hat der moderne sexuelle Fetischismus nichts zu tun.

Sexuelle Fetische sind zum Beispiel bestimmte Gegenstände, die zur sexuellen Erregung beitragen. Das können Unterwäsche, bestimmte Schuhe, eine Maske, Seidenstrümpfe oder Fesseln sein. Es gibt aber auch bestimmte Materialien wie Lack, Leder oder Samt. Einige Fetischisten erregen sich beim Anblick oder der Berührung bestimmter Körperteile.

Tiefenpsychologie des Fetischismus

Sigmund Freud beschäftigte sich – neben anderen psychologischen, kulturtheoretischen und religionskritischen Themen – zeitlebens intensiv mit den sexuellen Spielarten des Fetischismus.

 

 

In seiner grundlegenden Schrift „Fetischismus“ aus dem Jahr 1927 beschreibt er den sexuellen Fetischismus als eine Orientierung, die sich auf einzelne Körperteile und vor allem auf unbelebte Objekte als Stimulus sexueller Erregung bezieht. „Um es klarer zu sagen, der Fetisch ist der Ersatz für den Phallus des Weibes (der Mutter), an den das Knäblein geglaubt hat und auf den es – wir wissen warum – nicht verzichten will.“

Welt des Fetischismus

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kurioses vom Gummistiefel-Räuber

Gummierte Materialien gehören zum traditionellen Repertoire der Fetisch-Mode. Selten gelangen solche Vorlieben allerdings an das Licht der Öffentlichkeit. In einem jetzt bekannt gewordenen Fall soll ein Mann zahlreiche Gummistiefel zur Befriedung seines Sexualtriebs aus Baustellencontainern gestohlen haben.

Die Taten im Ortenaukreis und im Kreis Emmendingen reichten bis ins Jahr 2022 zurück, wie die Polizei mitteilt. Das Polizeirevier im baden-württembergischen Rust hatte nach einer Tat in Ringsheim einen Tatverdächtigen ermittelt. Insgesamt fanden die Beamten bei einer Wohnungsdurchsuchung 35 Paar Gummistiefel bei dem Mann.

 

 

Was erregt Fetischisten an Gummistiefeln?

Warum ausgerechnet Gummistiefel werden sich manche jetzt fragen. Die Antwort: Allein schon das Tragen von wasserdichten Stiefeln mit weichem bis zu kniehohem Gummischaft aus Naturkautschuk-Gummi, Synthesekautschuk oder aus thermoplastischen Kunststoffen kann Fetischisten sexuell erregen.

 

 

Einigen Trägern gefällt das Gefühl, wenn der Gummistiefel im Matsch versinkt und dadurch nur schwer beweglich ist, was – Experten zufolge – als „ ansprechend und stimulierend“ empfunden wird.

Eigentlich trägt man Gummistiefel ja bei Regen. Doch es gibt Menschen, die gehen nur deswegen bei Regen an den Füßen gummiert spazieren, um ihre sexuelle Erregung und Lust zu steigern.

Eine ähnliche sexuell angehauchte Erregung löst der Geruch von Gummistiefeln aus, das Tragen beim Sex oder die Besuche bei einer Domina – einer Frau, die sadistische und dominante Praktiken anbietet – in Gummistiefeln.

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Erstellt:
2. August 2024, 17:04 Uhr
Aktualisiert:
3. August 2024, 10:59 Uhr

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