In Baden-Württemberg
Warum mehr als 200 Extremisten Waffen besitzen dürfen
„Reichsbürger“, „Selbstverwalter“ und Rechtsextremisten sind häufig Waffenfans. Trotz aller Anstrengungen der Politik: Im Südwesten besitzen immer noch einige Pistolen, Gewehre und Flinten.

© Imago/Zoonar/Patrick Daxenbichler
Der Staat will Extremisten die Waffenerlaubnis entziehen – aber die Verfahren brauchen Zeit.
Von red/dpa
In Baden-Württemberg dürfen mehr als 200 Extremisten Waffen besitzen. Bei den meisten handelt es sich um Rechtsextremisten oder sogenannte Reichsbürger oder Selbstverwalter, wie aus einer Antwort des Innenministeriums an den Grünen-Abgeordneten Oliver Hildenbrand hervorgeht, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Laut Ministerium waren zum Stichtag 31. Dezember 214 Extremisten im Südwesten im Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis - etwas mehr als im Jahr davor. Von den 214 Personen werden 122 Personen dem Rechtsextremismus zugeordnet, 48 den „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“, 12 Personen dem islamistischen Extremismus, 11 dem Bereich der sogenannten „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“, 8 dem Linksextremismus und 13 Personen übrigen Phänomenbereichen.
Was Waffenscheine erlauben
„Waffen in den Händen von Rechtsextremisten, Reichsbürgern und anderen Verfassungsfeinden gefährden unsere Sicherheit“, sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Hildenbrand. Er fordert den Bund auf, wirksam zu verhindern, dass Waffen überhaupt erst in diese falschen Hände geraten könnten.
So sollten Menschen, die verfassungsfeindliche Aktivitäten betreiben oder Mitglieder von verfassungsfeindlichen Organisationen sind, künftig waffenrechtlich als „absolut unzuverlässig“ statt nur als „in der Regel unzuverlässig“ eingestuft werden. Mit dieser Einstufung dürfte diesen Personen dann unter keinen Umständen mehr eine Erlaubnis erteilt werden.
Rund die Hälfte der 214 Extremisten sei im Besitz eines sogenannten Kleinen Waffenscheins, hatte Innenminister Thomas Strobl (CDU) vor kurzem im Landtag berichtet. Dieser berechtige zum Führen von Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen. 100 Personen verfügten zudem über eine Waffenbesitzkarte - diese erlaubt den Erwerb und den Besitz, nicht aber das Führen von Waffen. Träger einer Karte müssen ein berechtigtes Bedürfnis nachweisen: zum Beispiel als Sportschütze, als Jäger oder als Waffensammler.
Staat will Extremisten die Waffenerlaubnis entziehen
Bei zwei Personen handle es sich um sogenanntes Bewachungspersonal, welches über eine Waffenführungsberechtigung verfüge – das sei das, was der Volksmund unter einem Waffenschein verstehe, so Strobl. Ein Waffenschein berechtigt dazu, eine geladene Schusswaffe in der Öffentlichkeit am Körper zu tragen.
Der Staat versucht, den Extremisten die Waffenerlaubnis zu entziehen, auch wenn die rechtsstaatlichen Verfahren laut Innenministerium Zeit brauchen und der Verfassungsschutz ständig mehr Extremisten ausfindig macht. Bereits im Jahr 2017 wurden die Waffenbehörden angewiesen, an „Reichsbürger“ und Extremisten keine waffenrechtlichen Erlaubnisse zu erteilen und bereits erteilte Erlaubnisse - soweit möglich - zurückzunehmen.
„Reichsbürger“ erkennen Bundesrepublik nicht an
Bei 25 der 214 Erlaubnisinhaber sei ein Widerrufsverfahren eingeleitet worden, sagte Strobl vor kurzem im Landtag. Bei weiteren 30 Personen sei ein Widerrufsverfahren in der Prüfung.
Nach Einschätzung der Waffenbehörden reichten bei 64 Waffenbesitzern die Erkenntnisse aber nicht aus, um eine sogenannte waffenrechtliche Unzuverlässigkeit zu begründen. Bei 85 Erlaubnisinhabern lägen keine offenen gerichtsverwertbaren Erkenntnisse vor.
„Reichsbürger“ erkennen die Bundesrepublik nicht als Staat an. Sie sprechen dem Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab und akzeptieren keine amtlichen Bescheide. Die gesamte Bewegung gilt als gefährlich und wird vom Verfassungsschutz beobachtet.
Im Frühjahr 2023 etwa war bei einer Razzia gegen die Szene eine Durchsuchung in Reutlingen eskaliert - ein mutmaßlicher „Reichsbürger“ schoss auf einen SEK-Beamten und verletzte diesen am Arm. Strobl sprach später von einem „perversen“ Waffenarsenal, das bei dem Mann gefunden worden sei.