UN warnt vor Klimagas
Warum Methan-Lecks nicht gestopft werden
Methan ist nach Kohlendioxid der zweitgrößte Treiber der Erderhitzung und kurzfristig gut 80 Mal stärker als CO2. Gefährliche Lecks werden zwar entdeckt, aber sehr selten gestopft.
Von Markus Brauer/dpa
Ein High-Tech-System zum Klimaschutz, das große Methanlecks bei der Öl- und Gasproduktion aufspürt, hat in den vergangenen zwei Jahren 1200 Warnmeldungen an Regierungen und Konzerne übermittelt. Aber nach neuen Daten des UN-Umweltprogramms (UNEP) wurde nur in jedem 100. Fall darauf reagiert.
See data from new Tanager-1 SatelliteGas imports to UK (as #LNG) will be crucial fuel for Starmer's £22bn #CCUS industry #StopCCSMap shows huge emissions "methane bombs" from fracked gas fields -exported as #LNG. Maphttps://t.co/zvsVcDVMCi PRhttps://t.co/2kK3YJhIAz… pic.twitter.com/pVMpBVVmKA — Climate Emergency Planning&Policy (@Andrew9Boswell) November 11, 2024
„Einfach ein paar Schrauben fester anzuziehen“
Das sei enttäuschend, sagt UNEP-Exekutivdirektorin Inger Andersen auf der Weltklimakonferenz in Baku. Denn die Lecks, aus denen das extrem schädliche Treibhausgas entweicht, könnten oft mit einfachen Reparaturen gestopft werden. Es gehe im wahrsten Sinne oft nur darum, „einfach ein paar Schrauben fester anzuziehen“.
Methan ist nach Kohlendioxid (CO2) der zweitgrößte Treiber der Erderhitzung und kurzfristig gut 80 Mal stärker als CO2. Doch es gab auch punktuelle Erfolge: So reagierte etwa Algerien auf den Hinweis, dass es jahrelang Methanlecks gab.
Methan als Klima-Killer
Seit der industriellen Revolution hat Methan nach Schätzungen zu etwa 30 Prozent zur Klimaerwärmung beigetragen. Es ist ein sehr wirksames Treibhausgas: Auf 20 Jahre gerechnet ist es rund 85 Mal so klimawirksam wie CO2. Die nach der Reparatur jährlich vermiedenen Emissionen sind so groß, als wenn man auf einen Schlag 500.000 Autos von der Straße holt und stilllegt.
Etwa 60 Prozent des Methans in der Atmosphäre gehen auf menschlichen Einfluss zurück. Etwa 40 Prozent dieser Emissionen entstehen der Internationalen Energieagentur (IEA) zufolge in der Energiewirtschaft.
Während CO2 aber hunderte Jahre in der Atmosphäre bleibt, baut sich Methan nach etwa zwölf Jahren langsam ab. Wenn der Ausstoß verringert wird, wäre der Beitrag zur Eindämmung der klimaschädlichen Treibhausgase schnell deutlich spürbar. Das könnte laut Experten ein wichtiger Beitrag zur Einhaltung des Ziels sein, die Erwärmung möglichst unter 1,5 Grad über vorindustriellem Niveau zu halten.
Wo Methan entsteht
Methan entsteht unter anderem in der Öl-, Gas- und Kohleindustrie. „Rund 75 Prozent dieser Emissionen könnten mit wenig oder gar keinen Kosten gestoppt werden, weil sie zum Beispiel durch Pipeline-Lecks oder zu lockere Dichtungen entstehen“, erklärt Dario Liguti, bei der UN-Wirtschaftskommission für Europa (Unece) Direktor für nachhaltige Energie.
Das sei zum einen im Interesse der Firmen selbst. „Sie verlieren Einkommen, denn das Methan könnte ja genutzt werden.“ Zudem sei es ein wichtiger Beitrag dazu, die Klimabilanz des jeweiligen Landes zu verbessern.
Liguti verweist auf immer bessere Satellitenbilder, die Methan-Lecks abbilden könnten. Erst kürzlich hatte eine Studie für Förderregionen in den USA ergeben, dass im Zuge der Öl- und Gasförderung wesentlich größere Methan-Mengen austreten als bisher angenommen. Fast drei Prozent des geförderten Methans entwichen ungenutzt in die Atmosphäre – dreimal mehr als die US-Regierung derzeit berücksichtige, berichtete ein Forschungsteam im Fachjournal „Nature“.
Methan und Kohle
Die größten Methan-Mengen werden Experten zufolge derzeit in China freigesetzt, vor allem durch die Kohleindustrie. Im Zusammenhang mit Emissionen aus der Öl- und Gasindustrie stehen die USA an der Spitze, gefolgt von Russland. Europa sei von Methan-Emissionen weniger betroffen als andere Regionen.
Methan und Viehzucht
Rund ein Drittel der Methan-Emissionen weltweit stammen aus der Viehhaltung. Nach Angaben des Bundesumweltamtes ist die effizienteste Maßnahme zur Reduzierung des Ausstoßes in Deutschland, weniger Fleisch zu essen, damit weniger Kühe gehalten werden. Kühe produzieren Methan bei der Verdauung des Futters. Es gelangt beim Wiederkäuen über Rülpser in die Atmosphäre.
Internationale Vereinbarungen
Auf Initiative der EU und der USA hatten zahlreiche Länder auf der Klimakonferenz von Glasgow 2021 beschlossen, den Ausstoß an Methan von 2020 bis 2030 um 30 Prozent zu reduzieren. Das Vorhaben – Global Methane Pledge (GMP) genannt – soll die Erderwärmung bis 2050 um mindestens 0,2 Grad vermindern.
Dabei gebe es aber keine verpflichtende Berichterstattung Öl und Gas produzierender Unternehmen zu den Methan-Emissionen, erläutert Lena Höglund-Isaksson vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg (Österreich). Nur die Regierungen und die Europäische Union hätten die rechtliche Befugnis, Unternehmen zur Messung und Meldung von Emissionen zu zwingen - und sollten solche rechtsverbindlichen Vorschriften dringlichst einführen.
Profitstreben und Desinteresse der Industrie
Die Kosten für das Abdichten von Lecks seien nicht hoch und würden in vielen Fällen durch die höheren Einnahmen aus dem Verkauf des nun zurückbehaltenen Gases gedeckt, so die IIASA-Expertin. „Dennoch sind die meisten Öl- und Gasunternehmen nicht daran interessiert, dies zu tun.“
Grund sei, dass sie vor allem dort investieren, wo sie die höchste Rendite erzielen können. Höglund-Isaksson: „Da die Gewinnspannen bei der Öl- und Gasförderung sehr hoch sind, übertrumpft eine Investition in die Produktionssteigerung fast immer den relativ geringeren Gewinn aus der Kontrolle von Methan-Leckagen.“ Es sei daher nicht davon auszugehen, dass die Industrie ihre Emissionen ohne spezielle Vorschriften freiwillig senken werde.