Erholung und Abschalten

Warum viele im Urlaub nicht zur Ruhe kommen

Sommerzeit ist Urlaubszeit. Für viele die Gelegenheit, abzuschalten. Aber nach wie vielen Urlaubstagen ist man erholt? Und darf der Arbeitgeber einen im Urlaub kontaktieren? Eine Studie, ein Stuttgarter Psychologe und eine Rechtsanwältin geben Antworten.

Viele Arbeitnehmer schauen auch im Urlaub ins berufliche Mailpostfach.

© IMAGO/Gema Alejo

Viele Arbeitnehmer schauen auch im Urlaub ins berufliche Mailpostfach.

Von Isabelle Vees

Im Urlaub wünschen sich die meisten vor allem eines: Erholung. Diese Funktion des Urlaubs wird sogar im Bundesurlaubsgesetz, das in Deutschland den Erholungsurlaub für Arbeitnehmer regelt, genannt. Wie man abschalten kann, hängt jedoch von den individuellen Bedürfnissen ab. Die einen brauchen Ruhe und Natur, die anderen bevorzugen Action und Abenteuer.

Was die wenigsten jedoch brauchen, sind Anrufe von der Arbeit, SMS von Vorgesetzten und eine Flut von E-Mails. Den Blick aufs Smartphone oder ins Postfach zu vermeiden, ist für viele aber einfacher gesagt als getan. Das zeigt unter anderem die Studie „Arbeit und Erholung“ der Krankenkasse Pronova BKK. In der wurden im April 2024 insgesamt 1202 Arbeitnehmer ab 18 Jahren zum Thema Urlaub und Arbeit befragt.

Postfach wird auch im Urlaub gecheckt

Trotz ihrer Abwesenheit kommt es nicht selten vor, dass Arbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber im Urlaub kontaktiert werden. Und das stört laut der Befragung 71 Prozent der Arbeitnehmer sehr. Mehr als die Hälfte der Befragten hat dennoch das Gefühl, dass Arbeitgeber oder Kollegen erwarten, dass sie auch im Urlaub erreichbar sind.

Besonders jüngere Menschen zwischen 18 und 29 Jahren fühlen sich dieser Erwartungshaltung verpflichtet. Über zwei Drittel von ihnen nehmen sich daher im Urlaub die Zeit, berufliche E-Mails zu checken oder sich mit der Arbeit zu beschäftigen. So gehen der Studie zufolge im Schnitt oft ein bis zwei Stunden pro Urlaubstag für die Arbeit drauf.

Handy im Urlaub am besten ganz ausschalten

Aus rechtlicher Sicht seien Angestellte nicht dazu verpflichtet, außerhalb ihrer Arbeitszeit erreichbar zu sein, sagt die Stuttgarter Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht, Miriam Faiß. Dasselbe gelte für Führungskräfte. „Bei diesen ist es teilweise so, dass der Arbeitgeber entsprechende Regeln in den Arbeitsvertrag aufnimmt. Gesetzlich gilt aber nichts anderes“, erklärt sie. Besonders leitende Angestellte tendieren dazu, während ihres Urlaubs erreichbar zu sein. Das geschehe aber eher aus freiwilligen Stücken.

Der Stuttgarter Diplom-Psychologe Oliviero Lombardi hat dazu eine klare Ansicht. Er rät deswegen allen Urlaubern: „Am besten auch nicht im Notfall erreichbar sein, weil man sonst permanent auf Habachtstellung ist und man ja auch faktisch darauf achten muss empfangsbereit zu sein“.

Richtig abschalten könne man nur, wenn das Handy aus sei. Der Urlaub habe ja auch einen besonderen Zweck, sagt Lombardi und ergänzt: „Urlaubstage sind kein Luxus, sondern dienen tatsächlich der Regeneration der Arbeitsfähigkeit.“

Nach wie vielen Urlaubstagen tritt die Erholung ein?

Um wirklich entspannen zu können, benötigt es für viele Abstand vom Arbeitsalltag. Um diesen sicherzustellen, nimmt die Hälfte der Arbeitnehmer mindestens 15 Urlaubstage für ihren Haupturlaub in Anspruch, so die Ergebnisse der Pronova BKK- Studie. Doch wie viele Tage sind ideal, um richtig abzuschalten? Darüber sind sich Wissenschaftler uneinig.

Forscher der finnischen Universität von Tampere etwa haben diese Frage untersucht. Für ihre Veröffentlichung in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Journal of Happiness“befragten sie 54 Arbeitnehmer zu ihren Urlaubserfahrungen. Das Ergebnis: Am achten Urlaubstag erreichen Gesundheit und Wohlbefinden ihren Höhepunkt. Wer also wirklich abschalten möchte, sollte sich demnach mindestens acht Tage dafür einplanen.

Stresspegel nach dem Urlaub schnell wieder oben

Die schlechte Nachricht: Die Erholung hält nicht lange an. Im Durchschnitt fühlen sich die Arbeitnehmer etwa acht Tage lang erholt, bevor sie wieder auf ihr altes Stresslevel zurückfallen, so die Ergebnisse der Befragung von Pronova BKK.

Nach dem Urlaub wartet auf viele Menschen ein voller Schreibtisch. Etwa acht Stunden Mehrarbeit müssen Arbeitnehmer im Durchschnitt leisten, um den Aufgabenstapel abzuarbeiten. Für 14 Prozent der Urlaubsrückkehrer kann dies sogar einen zusätzlichen Aufwand von bis zu 20 Stunden bedeuten. Wer sich auf eine zuverlässige Vertretung durch seine Kollegen verlassen kann, ist hier klar im Vorteil.

Urlaub beugt Krankheiten vor

Urlaub und Erholung sind unerlässlich für die psychische Gesundheit von Arbeitnehmern. „Schon allein deshalb, um das Wohlbefinden nicht nur an Leistungsparametern auszurichten“, sagt Psychotherapeut Lombardi und ergänzt: „Bei Missachtung riskiert man langfristig gesehen schlicht und ergreifend einen Burn-out“.

Aber nicht nur das: Wer auf seinen Urlaub verzichtet oder permanent geschäftlich erreichbar ist, gefährde seine Gesundheit. Das könne zu Folgeerkrankungen führen, so Lombardi. Angefangen bei Anspannung, muskulärer Verspannung im Rücken und Nacken, Kopfschmerzen oder eine Unterversorgung des Verdauungssystems. Bis hin zu Beschwerden durch Dauerstress, wie etwa Tinnitus, nächtliches Zähneknirschen, Unruhe, Unsicherheit, Depressionen oder Bluthochdruck.

Im Urlaub den Fokus wechseln

Und wie gelingt abschalten im Urlaub? Besonders wichtig ist es laut dem Psychotherapeuten, die Signale des eigenen Körpers zu hören und entschleunigenden Aktivitäten nachzugehen. Als Beispiele nennt Lombardi etwa Kochkurse, Kartenspiele mit Familie oder seichte Literatur – einfach, um mal den Fokus zu wechseln und etwas anderes zu tun. Ihm zufolge ist beim Thema Erholung nicht immer die Länge des Urlaubs entscheidend, sondern auch die Qualität. Lombardi fasst zusammen: „Auch ein Kurzurlaub tut gut.“

Hier gelangen Sie zur Homepage von Oliviero Lombardi.

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Erstellt:
9. August 2024, 16:00 Uhr
Aktualisiert:
12. August 2024, 15:30 Uhr

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