Was Corona uns lehren könnte
Fünf Jahre nach der Pandemie gibt es noch immer keine Aufarbeitung. Dabei wäre sie unabdingbar.
Von Eidos Import
Wo ist die Zeit geblieben? Fünf Jahre ist es bereits her, seit in Deutschland der erste Coronafall nachgewiesen wurde: Ein 33-Jähriger aus Bayern hatte sich bei einer chinesischen Kollegin angesteckt, wie sich später herausstellte. Die Behörden reagierten überraschend gelassen auf die seltsame Infektionskrankheit - zunächst. Als sich der Sars-CoV-2 genannte Erreger dann aber nicht nur hierzulande rasend schnell verbreitete, sondern auf sie ganze Welt überschwappte, machte sich Angst breit. Und plötzlich waren wir mitten in der ersten Pandemie der neueren Zeit.
Wie aber dem Virus begegnen? Die Politik und das Gesundheitswesen waren nicht wirklich vorbereitet, obwohl in den Jahren zuvor immer wieder von drohenden Pandemien die Rede gewesen war. Hektisch wurden Maßnahmen erlassen. Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht, Quarantäneregeln, Schulschließungen, 3G-Regeln, nach einer erstaunlich kurzen Zeit kamen dann auch die Impfungen hinzu, die eine nicht genau bezifferbare Zahl an Menschenleben retteten.
Vieles war richtig. Einiges jedoch mutet aus der heutigen Perspektive bizarr, wenn nicht sogar unmenschlich an. Man denke nur an alte Menschen, die in Seniorenheimen quasi eingesperrt waren, und junge Menschen, denen durch Schulschließungen und Kontaktbeschränkungen ein Teil ihrer Kindheit und Jugend gestohlen wurde.
Das bis dahin gewohnte Leben stand still – monatelang und immer wieder. Kein Ereignis der jüngeren Vergangenheit hat das Leben der Menschen in Deutschland und weltweit derart auf den Kopf gestellt. Eine Zeit voller Ungewissheit, die inzwischen jedoch bei vielen in Vergessenheit geraten ist, mit der sich die meisten eigentlich am liebsten gar nicht mehr beschäftigen wollen. Was bringt er schon, der Blick zurück?!
Dennoch ist klar: Die Pandemie hat Spuren hinterlassen. Trotz aller Solidarität, die man damals erleben konnte, haben Spannungen in der Gesellschaft zugenommen. Die Debattenkultur hat gelitten, die Fronten sind verhärtet. Und letztlich kam es während und durch die Krise zu einem Verlust an Vertrauen in die Politik und in die Demokratie.
„Wir werden einander wahrscheinlich viel verzeihen müssen“, prophezeite der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bereits zu Beginn des ersten Corona-Jahres mit Blick auf die schwierigen politischen Entscheidungen und teils massiven Eingriffe in die Bürgerrechte.
Zwar ist es eine Binsenweisheit, dass man hinterher immer klüger ist. Viele Entscheidungen sind lediglich aus der Situation heraus und unter Berücksichtigung unvollständiger Informationen zu beurteilen. Eine echte Aufarbeitung der Krise, eine Entschuldigung gar – etwa bei Menschen, die sterbenden Angehörigen keinen Beistand leisten durften, oder bei all jenen, die Zweifel äußerten und allein deswegen in die rechtsextreme Ecke gestellt wurden – gibt es bis heute nicht.
Dabei ist nicht nur die Frage des zwischenmenschlichen Miteinanders entscheidend. Auch die Frage, wie die Politik mit Fehlern umgeht, charakterisiert den Zustand einer Demokratie. Es braucht somit den unverstellten Blick zurück – um Rückschlüsse ziehen und aus den Erfahrungen zu lernen.
Experten gehen davon aus, dass uns Corona weiter beschäftigt, aber keine große Gefahr mehr droht. Weltweit mahnen Forscherinnen und Forscher allerdings vor weiteren Pandemien, die auf uns zukommen können. Sind die Regierungen dann besser aufgestellt? Wohl nicht. Eine ehrliche Bereitschaft, aus den in der Corona-Krise begangenen, teils gravierenden Fehlern zu lernen, ist hierzulande zumindest nicht erkennbar.