KI-Anwendung
Was Firmen in den Heilbronner Ipai lockt
Im Innovation Park für künstliche Intelligenz haben sich auch Mittelständler eingemietet. Sie sind da, weil andere Unternehmen auch präsent sind.
Von Ulrich Schreyer
Marcus Keller klopft gegen eine Säule zwischen Glaswänden. „Das ist Beton“, sagt Keller, und das sieht man der Säule auch an. Keller ist Leiter des Innovation Campus der Fischerwerke (4700 Beschäftigte, 1,16 Milliarden Euro Umsatz) aus Waldachtal bei Freudenstadt. Jetzt steht er in einem Büro im Heilbronner Innovation Park Artificial Intelligenz (Ipai). Dieses hat das das für seine Dübel bekannte Unternehmen im Juli bezogen. Keller hat ein Handy mit einer App dabei. Diese erkennt, „was hinter der Tapete ist“. Mittels Künstlicher Intelligenz (KI) wurde die App auf verschiedene Töne trainiert – klopft man auf Holz, klingt dies anders als bei Metall oder eben Beton.
Vor allem Heimwerkern soll mit der App, die es seit Oktober gibt, geholfen werden. Je nach Baustoff können sie dann den richtigen Dübel einsetzen. Fischer hat ein Team von acht Beschäftigten, die wechselweise im Ipai arbeiten. „Wir werden dieses europaweit einzigartige Ökosystem verstärkt nutzen, um die Zukunft der Baubranche durch neue KI-Tools verstärkt nutzen“, so Keller.
Einzigartige Möglichkeit zur Zusammenarbeit
Dort können er und sein Team sowohl vernetzt über Computer als auch in persönlichem Austausch mit anderen Firmen in Kontakt treten. Und genau dies hat die Schwarzwälder nach Heilbronn gelockt. Dort entstehe „eine einzigartige Networking-Plattform, aber auch eine hervorragende Infrastruktur“ zur Entwicklung neuer Anwendungen von Künstlicher Intelligenz.
Ein eigenes Gebäude, die „Ipai Spaces“ gibt es seit diesem Sommer, im nächsten Jahr aber soll der Bau eines regelrechten Ipai-Campus, einer Ansiedlung für Firmen und Forscher, begonnen werden. Das Land Baden-Württemberg fördert den Ipai mit 50 Millionen Euro. Ein Betrag in mindestens gleicher Höhe kommt vom Ipai selbst, es sind Mittel des Heilbronner Unternehmers Dieter Schwarz (Lidl, Kaufland) und seiner Schwarz-Stiftung. In Heilbronn entstehe „ein Wertschöpfungszentrum für KI-basierte Produkte und Dienstleistungen im Weltklasse-Format“, meint Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut.
Kurze Wege, effektiver Austausch
Davon will auch der Greiferhersteller Schunk aus Lauffen am Neckar (3700 Beschäftigte, 580 Millionen Euro Umsatz) profitieren. Das Unternehmen, das die Hände für Roboter produziert, ist Gründungsmitglied des Ipai. „Wir haben hier die einmalige Chance, Technologien und Menschen an einem Ort zusammenzubringen“, sagt Timo Gessmann, der für Technologie zuständige Geschäftsführer. Sein Kollege Martin May zeigt im Schunk-Büro mit seinen sechs Arbeitsplätzen einen kleinen Roboter, in dem jede Menge KI steckt. „Im Ipai können wir unkompliziert mit anderen Firmen sprechen“, sagt der für Technologie und Innovationsmanagement zuständige Direktor, „die kurzen Wege ermöglichen einen spontanen Austausch.“ Mit KI will Schunk seinen Kunden aus der Industrie helfen, noch effektiver zu produzieren. Aktuell arbeitet Schunk unter anderem an einer Möglichkeit, den CO2-Fußabdruck in Produkten zu messen. Gemeinsam mit dem Mulfinger Ventilatorenhersteller EBM-Papst (13 800 Beschäftigte, etwa 2,4 Milliarden Euro Umsatz) kam man dabei offenbar schon ein gutes Stück weit voran.
KI-Entwicklung geht schneller
Auch die Hohenloher versprechen sich viel von ihrem Engagement in Heilbronn: „Durch die Gespräche und den Wissensaustausch mit den KI-Experten der anderen Unternehmen kommen wir im Ipai viel schneller voran“, sagt Daniel Boese, das für die Transformation zuständige Vorstandsmitglied. „KI hilft uns, unsere Produkte und Prozesse zu verbessern.“ Der Franzose Eric Martin, Leiter der KI-Abteilung von EBM-Papst und des Büros im Ipai mit seinen vier Beschäftigten, hat keinen Ventilator mitgebracht. Statt dessen zeigt er am Bildschirm, auch über Sprachanwendungen, den Umgang mit KI. Martin nutzt ChatGPT von Open AI. Als KI-Assistent dient Copilot von Microsoft. „Unsere Daten bleiben bei uns“, sagt Martin. Die Präsenz in Heilbronner Ipai ist wichtig für das Hohenloher Unternehmen: „Die Koordination unserer KI-Aktivitäten geschieht im Ipai, hier laufen die Fäden zusammen,“ erklärt Martin.
Ausbau kommt
Nicht nur Mittelständler sind im Ipai mit seinen etwa 50 eigenen Beschäftigten vertreten, sondern auch Konzerne wie Würth, Audi oder Porsche. Zwölf Unternehmen haben ein eigenes Büro gemietet, die anderen können Räume zeitweise buchen. Eine Warteliste gibt es nicht. Später aber können weitere Räume gemietet oder gebucht werden. Die ersten Gebäude auf dem neuen Campus in der Nähe sollen 2027 stehen, 2029 soll dieser komplett fertig sein. Schon jetzt werden die „Ipai Spaces“ nach den Worten von Geschäftsführer Moritz Gräter von mehr als 50 Unternehmen und Institutionen für die Arbeit mit KI genutzt. Zu einem „Experience Day“ Ende Oktober „haben wir 600 Teilnehmer und 200 vorwiegend mittelständische Unternehmen begrüßt“, sagt Gräter.
Zusammenarbeit mit Cyber Valley
Zusammenarbeiten wollen die Heilbronner auch mit dem Cyber Valley in Tübingen und Stuttgart. Diesem gesteht man durchaus zu, Europas größte Forschungskooperation und ein führendes Zentrum für KI und Robotik zu sein. Der Schwerpunkt bei der eigenen Arbeit dagegen liege in der Anwendung von KI. Es wird interessant sein, wieviel Wasser zwischen Tübingen und Heilbronn den Neckar runterfließt, bis die Zusammenarbeit erste Früchte trägt.