Nächtliche Ausflüge im Schlaf

Was hinter Schlafwandeln steckt

Das kann ich doch im Schlaf – bei manchen Zeitgenossen trifft das tatsächlich zu. Egal ob putzen, kochen oder gar Autofahren: Was die Betroffenen nachts so treiben, ist erstaunlich. Und mitunter ziemlich gefährlich, auch für andere.

Vor allem Kinder schlafwandeln. Eltern sollten in dem Fall entsprechende Schutzvorkehrungen treffen.

© dpa/Jens Kalaene

Vor allem Kinder schlafwandeln. Eltern sollten in dem Fall entsprechende Schutzvorkehrungen treffen.

Von Markus Brauer/dpa

Häufig beginnt das Schlafwandeln damit, dass sich Menschen nachts im Bett plötzlich aufrichten. Sie blicken um sich, wirken verwirrt. Manchmal legen sie sich hin und schlafen weiter. Stehen sie jedoch auf, nehmen sie ihre Umgebung nur halb wahr. Sie verrücken Möbel oder laufen auf die Straße. Die Gefahr, dass Schlafwandelnde sich und andere verletzen, ist hoch.

Schlafwandeln bei Kindern weit verbreitet

Bei Kindern ist Schlafwandeln keine Seltenheit. Laut der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) erleben bis zu 30 Prozent aller Mädchen und Jungen wenigstens eine Episode von Schlafwandeln, bis zu 4 Prozent schlafwandeln häufig.

Oft sind die Eltern dann sehr besorgt, im Gegensatz um Nachwuchs. „Schlafwandler selbst sind sich ihrer nächtlichen Ausflüge nicht bewusst und können sich am nächsten Morgen nicht daran erinnern“, sagt Thomas Penzel, wissenschaftlicher Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums der Berliner Charité.

 

 

Übergang vom Tiefschlaf in Traumschlafphase

Die typische Zeit fürs Schlafwandeln ist der Übergang vom ersten Tiefschlaf in die erste Traumschlafphase, also etwa ein bis eineinhalb Stunden nach dem Einschlafen. Im Gehirn mischten sich Komponenten des Wachseins zum Tiefschlaf, ohne dass der Betroffene komplett wach werde, heißt es bei der DGSM. Stress und Schlafstörungen könnten Ursachen sein, mitunter sei die Neigung auch vererbt.

Ursache des Schlafwandelns bei Kindern ist laut Penzel vermutlich eine vorübergehende Störung des Gehirns. „Das ist aber in aller Regel weiter nicht gefährlich und wächst sich mit der Zeit aus.“ Laut DGSM bleibt das Schlafwandeln bei einem Prozent der Kinder bis ins Erwachsenenalter hinein bestehen.

Vorkehrungen zum Schutz treffen

Wichtig ist, dass man Vorkehrungen trifft, um das Kind zu schützen. „In erster Linie geht es darum, Türen und Fenster zu sichern», sagt Roland Wenzelburger. Der Neurologe mit einer Praxis in Altenholz bei Kiel ist Mitglied im Berufsverband Deutscher Nervenärzte (BVDN). Es kann auch hilfreich sein, eine Alarmmatte vor das Bett des Kindes zu legen. Steht es nachts auf, werden die Eltern geweckt und können den schlafwandelnden Nachwuchs aufhalten.

Bei der Ansprache des Kindes sollte man „unbedingt gelassen bleiben“, sagt Somnologe Penzel. Empfehlenswert sei es, Schlafwandelnde möglichst sanft zu wecken und sie beim Namen zu nennen. Man redet beruhigend auf sie ein und geleitet sie wieder ins Bett.

Wann ärztlicher Rat nötig ist

Schlafwandelt das Kind häufiger und ist es deshalb sehr oft tagsüber müde und unkonzentriert, sollten Eltern sich ärztlichen Rat holen. Dann gilt es, mögliche Auslöser für das Schlafwandeln auszuloten, zum Beispiel Stress in der Schule, und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

Eher ungewöhnlich ist, wenn das Schlafwandeln erst in der Jugend oder noch später im Leben erstmals auftritt. Auslöser könnten eine nächtliche Störung der Atmung (Schlafapnoesyndrom) oder unruhige Beine (Restless Legs Syndrom) im Schlaf sein.

Andere Ursachen für nächtliche Unruhe

Möglich ist, dass es nachts als Folge der Einnahme von Schlafmitteln, Herzmedikamenten oder Psychopharmaka zu Bewusstseinsstörungen kommt. Dann könne es passieren, dass Betroffene halb schlafend und halb wach aufstehen. Doch solche Bewusstseinsstörungen sind vom klassischen Schlafwandeln ebenso zu unterscheiden wie Ausnahmezustände bei psychischen Erkrankungen und nächtliche epileptische Anfälle.

„Vom Schlafwandeln ist auch die REM-Schlaf-Verhaltensstörung abzugrenzen“, sagt Penzel. Der REM-Schlaf (Rapid Eye Movement) ist eine Phase des Schlafs, die durch schnelle (rapide) Augenbewegungen gekennzeichnet ist. Tritt die REM-Schlaf-Verhaltensstörung auf, bewegt sich der Betroffene aufgrund eines erlebten Traums und schlägt beispielsweise um sich.

 

 

Auch hier ist ein mitunter hohes Verletzungsrisiko gegeben. Wenn sich solche Situationen häufen und sie einen selbst und die Angehörigen belasten, ist es Zeit, schlafmedizinisch abklären zu lassen, welche Störung konkret vorliegt.

Lautet die Diagnose REM-Schlaf-Verhaltensstörung, wird in aller Regel ein Medikament verordnet, das die Patienten vor dem Schlafengehen einnehmen und das die Muskelaktivität im REM-Schlaf reduziert.

Medikamente in Verdacht

Steht die Einnahme von bestimmten Arzneimitteln im Verdacht, der Auslöser für das Schlafwandeln zu sein, werden die Medikamente auf den Prüfstand gestellt und gecheckt, ob sie gegebenenfalls gegen gleichwertige Präparate austauschbar sind.

Sind es Stress- oder Konfliktsituationen, die das Schlafwandeln verursachen, kann unter Umständen eine kognitive Verhaltenstherapie hilfreich sein. Auch Entspannungsverfahren wie Autogenes Training oder Meditation vor dem Schlafengehen tragen dazu bei, physische und psychische Anspannung zu reduzieren.

 

 

Kein Zusammenhang zwischen Vollmond und Schlafwandeln

Schon seit Jahrhunderten glaubt man, dass Schlafwandler mondsüchtig sind. Vom Vollmond magisch angezogen, setzen sie sich in Bewegung. Experten nehmen an, dass hinter dem Schlafwandeln eine Fehlsteuerung im Nervensystem steckt. Dem Schlafwandeln könnte ein gestörter Aufwachmechanismus zugrunde liegen.

 

 

Der lunare Wunderglaube ist von Wissenschaftlern längst widerlegt worden. So hatten US-Forscher mehr als 100 Studien zu Mondphänomen untersucht. Ihr Fazit: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Schlaflosigkeit und Neumond. Die Mondphasen hätten keinerlei Einfluss auf die Gesundheit des Menschen.

Auch beim Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg ist man überzeugt: Weder die Gravitation noch das Licht des Mondes haben einen nachweisbaren Einfluss auf den Menschen.

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Erstellt:
25. August 2024, 14:16 Uhr

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