Öffentlicher Dienst

Was passiert, wenn Tarifverhandlungen scheitern?

Drei Tage haben die Unterhändler von Bund, Kommunen und Gewerkschaften um Gehaltserhöhungen für den öffentlichen Dienst gerungen – und sind gescheitert. Wie es jetzt weitergeht.

Mit bundesweiten Warnstreiks hat Verdi bereits in den vergangenen Tagen Flagge gezeigt.

© dpa/Hendrik/ Schmidt

Mit bundesweiten Warnstreiks hat Verdi bereits in den vergangenen Tagen Flagge gezeigt.

Von Markus Brauer/Matthias Schiermeyer

Die Verhandlungen für neue Tarifverträge im öffentlichen Dienst sind gescheitert. Die Gewerkschaft Verdi hat das Scheitern erklärt. Als Reaktion darauf haben die Arbeitgeber die Schlichtung eingeleitet.

Verhandlungen im öffentlichen Dienst gescheitert! Bund und VKA wollen Euch keinen Inflationsausgleich anbieten. Das ist ein No-Go für uns. Für uns steht nach wie vor ein sozial ausgeglichener Abschluss im Mittelpunkt. Damit war ein Scheitern unausweichlich. #zusammengehtmehrpic.twitter.com/PJznFHDr6U — ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (@_verdi) March 29, 2023

Das schreibt die Gewerkschaft Verdi auf ihrer Homepage. Die Arbeitgeber im Öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen (ÖD Bund/VKA 2023) haben nach der dritten Verhandlungsrunde am Donnerstagmorgen (30. März) kurz nach Mitternacht – wie wir berichteten – angekündigt, dass sie die Schlichtungskommission einberufen werden.

Die #Tarifverhandlungen für die Beschäftigten von Bund & Kommunen gehen in die #Schlichtung. „Ich bedaure sehr, dass die Gewerkschaften die Verhandlungen abgebrochen haben. Gerade in Krisenzeiten wäre es gut gewesen, am Verhandlungstisch zu bleiben“, so Innenministerin #Faeser. — Bundesministerium des Innern und für Heimat (@BMI_Bund) March 29, 2023

Formale Voraussetzung dafür ist, dass eine der beiden Tarifparteien, nämlich die Gewerkschaft Verdi und die Vertreter des Deutschen Beamtenbundes (DBB), die Gespräche für gescheitert erklären. Zunächst war es der DBB – also der Juniorpartner der in dieser Tarifrunde maßgeblichen Gewerkschaft Verdi – der den Abbruch vermeldete.

Wie geht es jetzt weiter in dem Tarifkonflikt im Öffentlichen Dienst. Hier der Fahrplan:

Wie läuft die Schichtung ab?

Nach genau festgelegten Regeln und Fristen, die in der seit 2011 bestehenden Schlichtungsvereinbarung zwischen Bund, VKA (Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände) und der Gewerkschaft Verdi festgelegt.

Ab Sonntag (2. April) setzt die sogenannte Friedenspflicht ein. Bis dahin sind laut Verdi allenfalls noch kleinere regionale Warnstreiks geplant – und tarifrechtlich erlaubt.

Einen ganztägigen Ausstand des öffentlichen Bahn- und Busverkehrs wie am Montag (27. März) wird es vorerst nicht geben. Das heißt: Mit Einsetzen der Friedenspflicht sind auch Warnstreiks bis nach Ostermontag (10. April) ausgeschlossen.

Wer sind die Schlichter?

Auch die beiden Schlichter sind bereits benannt: Zum einen handelt es sich um Hans-Henning Lühr, Jurist und ehemaliger Bremer Staatsrat, der für die Gewerkschaften Verdi und dbb stimmberechtigt ist. Für die Arbeitgeberseite ist Georg Milbradt, ehemaliger Ministerpräsident von Sachsen, zuständig.

Was soll die Schlichtung bezwecken?

Mit der Schlichtung wird versucht, auf dem Verhandlungsweg doch noch einen für beide Seiten tragfähigen Tarifkompromiss zu erzielen.

Welche Aufgabe hat die Schlichtungskommission?

Die Schlichtungskommission besteht aus jeweils zwölf Vertretern aus den Gewerkschaften und der Arbeitgeberseite. Die Schlichter wechseln sich von Schlichtung zu Schlichtung im Vorsitz der Verhandlungen ab. In der Tarifrunde 2023 übernimmt der von den Gewerkschaften berufene Schlichter Lühr den Vorsitz. Er ist damit stimmberechtigt und hat im Zweifelsfall beim Patt die entscheidende Stimme.

Was geschieht nach der Einigungsempfehlung der Schlichter?

Nach mehreren Schlichtungsrunden, die täglich stattfinden, gibt die Schlichtungskommission eine Einigungsempfehlung ab. Über diese Empfehlung verhandeln die Gewerkschaften und Arbeitgeber dann erneut in Potsdam. Im Idealfall endet die Schlichtung mit einer Einigung, sollten beide Seiten den Mitte April erwarteten Schlichterspruch annehmen.

Allerdings hat der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, bereits erklärt, dass die Kommunen wenig Spielraum für eine Schlichtung des Konflikts sehen.

Kann eine Schlichtung auch scheitern?

Das ist zwar nicht die Regel, geschieht aber häufiger als man vermutet. 1992 wurde ein Schlichterspruch nicht angenommen. Damals hieß die Gewerkschaft noch ÖTV (Öffentlicher, Dienst, Transport und Verkehr). Die Folge waren zehntägige flächendeckende Streiks.

Was bieten die Tarifparteien bis dato an?

Die Gewerkschaften fordern 10,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber monatlich 500 Euro mehr.

Die Arbeitgeber bieten acht Prozent mehr Einkommen an: Mindestbetrag von monatlich 300 Euro sowie eine Einmalzahlung von 3000 Euro. Das Argument der Arbeitgeber: Den Forderungen der Arbeitnehmer stehen viele Kommunen mit leeren Kassen gegenüber. Sie rechnen vor, bei ihnen würde eine Umsetzung der Forderung 15,4 Milliarden Euro kosten – und zu weiterem Stellenabbau und schlechteren Service für die Bürger führen.

Gibt es neben dem Geld weitere Streitpunkte?

Da ist vor allem die Frage der Laufzeit des neuen Tarifvertrages. Die Gewerkschaften verlangen zwölf Monate, die Arbeitgeber bieten 27 Monate an. Beide Seiten sind in der Frage der Laufzeit jedoch kompromissbereit.

Wie groß ist die Streikbereitschaft der Gewerkschaftsmitglieder?

Die ist sehr groß. Die Öffentlichen Bediensteten – Busfahrer, Krankenpflegerinnen, Erzieherinnen, Müll- und Klärwerker, Straßenbahnfahrer, Angestellte in den Behörden – bekunden seit Monaten – laut Verdi – ihre Streikbereitschaft.

Warum sind Streiks für die Gewerkschaften so wichtig?

Verdi sieht sich durch die massiven Warnstreiks der vergangenen Wochen – vor allem am vergangenen Montag – gestärkt.

Die Gewerkschaft mit Zentrale in Berlin hat in den vergangenen Monaten rund 70 000 Eintritte verzeichnet. Angesichts des massiven Mitgliederschwunds in den vergangenen Jahren (2001: 2,8 Millionen, 2022: 1,86 Millionen) braucht Verdi eine personelle „Bluttransfusion“.

Außerdem steht im September beim Bundeskongress der Verdi-Vorstand um Frank Werneke zur Wiederwahl an. Ein guter Tarifabschluss, ein erfolgreicher Streik und neue Mitglieder schlagen sich direkt im Wahlergebnis nieder.

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Erstellt:
30. März 2023, 14:36 Uhr

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